Aim to misbehave - Am dunklen Rand des Universums

Horrorszenario im Western-look

Firefly ist eine Serie aus den frühen 2000ern, in der Western und Science-Fiction aufeinandertreffen. Obwohl nur wenige Folgen existieren, haben die Macher dafür ein ganzes Universum erschaffen, regiert von der alles kontrollierenden Staatsmacht der Allianz, gegen die sich vor allem auf den äußeren Planeten Widerstand formiert, der in einem großen Krieg niedergeschlagen wurde. Die Welt – oder besser die Welten – von Firefly leben dabei zum großen Teil vom Charme des Western-Looks der Serie, in der dünn besiedelte Planeten an die Weiten der Prärie erinnern und sich die Heldinnen und Helden Duelle in verkommenen Spelunken liefern.

Ausgerechnet dieses verklärte Abenteuer Setting hat sich die Halloween-Orga anlässlich des Doppeljubiläums von 25 Jahren Halloween-Larp und dem zwanzigsten Geburtstag des befreundeten Firefly-Larp Raumschiffes Phoenix als Rahmen für ein Horror-Con ausgesucht – und sich selbst damit vor eine echte Herausforderung gestellt: Kann dieses idyllische Cowboy-Flair tatsächlich in ein Horrorszenario kippen?

Die Sträflingskolonie, untergebracht in den Kellerräumen des Hauptquartiers der Waldritter, die gleich ein ganzes Haus zu einer fantastischen Larp-Kulisse in Form einer riesigen Raumstation umgebaut haben, schuf gleich zu Beginn einen Eindruck von Fireflys eher düsteren Seite. Die völlige Rechtlosigkeit unserer in einförmige Overalls gesteckten Charaktere, die von mitleidlosem Gefängnispersonal traktiert wurden, legte den Fokus schnell auf die totalitäre Allmacht der Regierung und die Abgründe des Outer Rims, wo in der Regel keine Fragen gestellt werden, wenn hin und wieder einige zwielichtige Gestalten spurlos in den Weiten des Alls verschwinden.

Täuschend echt

Natürlich war der Aufenthalt im Straflager nur der Anfang, denn sowohl die Geschichte als auch die Kulisse hatten noch weit mehr zu bieten. Schon bald saßen wir wieder in unseren Raumschiffen, auf der Flucht und auf dem Weg zu einer entfernten Raumstation.

Wobei wir wirklich in Raumschiffen saßen, denn die Halloween-Orga hatte in enger Zusammenarbeit mit den Waldrittern ganze Arbeit geleistet: Die insgesamt drei bespielbaren Kommandobrücken wirken so realistisch, dass sich jede unserer Handlungen echt anfühlte. Wobei selbst das noch untertrieben ist. Denn sie sind in weiten Teilen echt: Auf die „Fenster“ vor uns wurde eine Simulation projiziert, auf der nicht nur das uns umgebende All und der langsam näherkommende Zielplanet zu sehen waren, sondern auch unsere Verfolger und die jeweils anderen Schiffe – letztere tatsächlich steuerbar durch die Konsolen auf den jeweiligen Brücken.

Funktionierende Requisiten sind eine der vielen Stärken von Halloween-Larp und den Waldrittern. Über die zahlreichen Computerterminals auf der Station, die wir schließlich erreichten, konnten wir beispielsweise direkt mit der dortigen KI kommunizieren, die dabei gelegentlich sogar einen sehr speziellen Humor bewies.

So kam auf die Frage „Sind Vampire oder Reaver (die grauenvollsten Wesen im Firefly-Universum) auf der Station?“ prompt die sachliche Antwort: „Bitte wenden Sie sich an die Personalabteilung.“

Beeindruckend waren auch die Operationen, bei denen wir mit realen Skalpellen winzige Drähte aus täuschend echten Fleischwunden entfernen mussten, um die Detonation des Sprengstoffs der uns injizierten Chips zu verhindern – wobei tatsächlich eine rote Lampe aufleuchtete, sobald wir einen tödlichen Fehler machten.

Charaktertiefe als Spielkonzept

Nur von „dem Plot“ zu sprechen, wird der Arbeit der Orga eigentlich nicht gerecht. Halloween-Larp arbeitet mit aufwendigen vorgefertigten Charakteren, deren ausführliche Hintergrundgeschichten allesamt sorgsam miteinander verknüpft sind, und allen SCs ihre eigene Geschichte und ihren persönlichen Horror bieten. So intrigierten bei Aim to misbehave diverse Verbrecherorganisationen gegeneinander, während Widerstandsbewegungen Verbündete suchten, ethisch fragwürdige wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt wurden und Menschenhändler und andere zweifelhafte Geschäftsleute unlautere Verträge schlossen.

Das Spielkonzept beruht dabei auf Prinzipien, die wir heute als „Play to lift“ oder „Play to lose“ kennen, nur dass es falsch wäre, hier von Nordic-Larp-Einflüssen zu sprechen, da die Halloween-Orga bereits 1999 – und damit lange vor der Entstehung dieses Genres – gegründet wurde. Anders als die meisten Nordic Larps setzt Halloween außerdem auf wenige klare Regeln statt auf Workshops und verzichtet zugunsten von Überraschungsmomenten auf Pausen für out-time Absprachen während des Cons oder für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorab einsehbare Charaktere.

Schrecken mit Überraschungseffekt

Gerade bei Aim to misbehave und der schwierigen Frage „Wie erzeugt man Horror in einer belebten Raumstation mit über 50 abgebrühten Outlaws?“ spielen diese Überraschungsmomente eine große Rolle: (Achtung, Spoiler! Wer bei einem der nächsten Runs dabei sein und auf keine der erwähnten Überraschungen verzichten will, bitte nicht weiterlesen!)

Zum einen, indem das Con den Charakteren unerwartet vor Augen führte, welches Schicksal ihnen bevorstand, falls sie versagten. Und die Halloween-Orga wäre nicht die Halloween-Orga, wenn dabei nicht unverhofft auftauchende blutige menschliche Überreste und zersplitterte Schädelknochen eine entscheidende Rolle gespielt hätten.

Dazu kamen gleich mehrere größere Plot-Twists, von denen der erste gleich wortwörtlich mit einem großen Knall begann: Mitten in der Geschichte explodierte die gesamte Raumstation.

Danach erschien vieles in völlig neuem Licht und es wurde nach und nach deutlich, dass es alles andere als der Zufall war, der alle am selben Ort versammelt hatte. Dann gab es ungewöhnlich realistische Träume von Reavern, den im ganzen Universum gefürchteten menschenfressenden Mutanten …

Die zweite große Überraschung war, dass uns die endgültige Antwort auf die Frage, was tatsächlich passierte, zu einer völlig neuen Location führte. So fanden wir uns nach einem Time-out plötzlich in einem eigens gemieteten Bus und, bald darauf wieder in-time, in einem weitläufigen Labyrinth in verlassenen, graffiti-überzogenen Hallen wieder. Ein Ort, der selbst dem großartigen Raumschiff an Ambiente in nichts nachstand und die ideale Szenerie für den blutrünstigen Showdown des Larps bildete. Denn während wir nach einem Ausweg suchten, hörten wir aus den düsteren Gängen die rasselnden Geräusche von Reavern näherkommen – und uns wurde endgültig klar, dass dieses Con nur wenige Überlebende haben würde …

Text: Daniela Beck
Bilder: Halloween-Larp

Weiter Informationen
Wer jetzt Lust bekommen hat, Aim to misbehave einmal selbst zu erleben: Es finden zwei weitere Runs im nächsten Jahr statt: vom 1.3. bis 4.3.2025 und vom 6.3. bis 9.3.2025. Infos dazu auf der Website www.halloween-larp.de.