Im Jahr 1967 Mitte Juli geschahen im Bundesstaat Michigan in der Nähe des Feriencamps Camp Paradise mehrere Morde. Die Täter wurden bis zum heutigen Tag nicht gefasst. Bei den Opfern handelt es sich um drei Jugendliche aus dem zum Camp nahe gelegenen Dorf Peak Rock. Ein Pärchen, beide 17 Jahre alt und die ältere Schwester des Mädchens, 19 Jahre. Auf der nahe gelegenen Zufahrtsstraße 34, die zum Camp Paradise führt, wurde zusätzlich die Leiche des Rangers Bob Miller gefunden. Mehrere Stichverletzungen eines großen Küchenmessers im Brustbereich führten jeweils zum Tod.
Genau 20 Jahre nach dieser Tragödie ist der Vorfall längst in Vergessenheit geraten und das Camp Paradise hat seit vielen Jahren seine Pforten wieder geöffnet, um Jugendliche aus dem ganzen Land willkommen zu heißen, damit sie gemeinsam den Sommer ihres Lebens verbringen!
Das Liverollenspiel Camp Paradise entführte die Spielerinnen und Spieler auf eine Zeitreise ins Jahr 1987, mitten in ein US-amerikanisches Sommercamp, wo Teenager-Dramen und die Herausforderungen der Jugend im Mittelpunkt standen. Die Veranstaltung fand vom 4. bis 7. Juli im Waldritter-Bildungszentrum-Saar statt, das den Teilnehmenden eine perfekte Kulisse für ein intensives und nostalgisches Erlebnis bot.
Die Atmosphäre
Bereits bei der Ankunft fühlte man sich in einen Film der 1980er versetzt. Das Organisationsteam hatte keinerlei Probleme, das Gelände in ein authentisches Sommercamp inklusive Baseballfeld zu verwandeln. Das Gelände wurde schon in den 80ern unter der Leitung der Falken (Der SJD-Jugendorganisation) und auch schon davor für reale Sommercamps genutzt. Übernachtet wurde in eigenen oder gestellten Zelten oder in einfachen Hütten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen trugen mit ihren teils neonfarbenen, teils punkig-schwarzen 80er-Jahre-Outfits ihren Teil dazu bei, die Illusion perfekt zu machen. Auch ältere Spieler und Spielerinnen, die die 80er Jahre selbst als reale Jugendliche erlebten, hatten trotz eventueller Bedenken im Vorfeld des Spiels keine Schwierigkeiten, sich wieder in die Rollen der Jugendlichen zurückzuversetzen.
Das Spielgeschehen
Das Spiel drehte sich um die typischen Dramen und Herausforderungen, denen 14- bis 17-jährige Teenager in einem Sommercamp der 80er begegnen könnten. Freundschaften wurden geschlossen, erste Liebeleien entflammten und Konflikte brachen aus. Die Spielerinnen und Spieler nahmen dabei sowohl die Rollen von Camp-Betreuenden als auch von jugendlichen Teilnehmenden ein. Dabei wurde von den Betreuenden für ein breites Programm gesorgt: Neben einer Aufführung von Top Gun als Theaterstück, Steckenpferd basteln, batiken, Musik am Lagerfeuer machen, Sexualkunde, Selbstverteidigungstraining und vielem mehr, galt es jederzeit auf die soziale Hierarchie und den Coolness-Faktor bedacht zu sein, nicht beim Rauchen und Trinken erwischt zu werden und natürlich rechtzeitig ein Date für den Tanzabend zu finden!
Dabei stießen mit den Charakteren viele verschiedene Subgruppen aufeinander. Neben Rockern, Poppern, Goths und den im Geheimen rollenspielenden Nerds, konnte man auf die verschiedensten Personen treffen, die von den Spielenden mit viel Aufwand mit Accessoires, Spleens und fantastischen Outfits in Szene gesetzt wurden.
Doch es blieb nicht bei harmlosen Teenager-Dramen. Im Laufe des Spiels begannen merkwürdige Gerüchte um das verbotene Dorf die Runde zu machen. Die wildesten Geschichten wurden sich über ein heimlich getrunkenes Bier hinweg zugeraunt und am späten Abend trauten sich die einen oder anderen, die verlassenen und teilweise verfallenen Hütten am Rande des Spielgeländes zu erkunden – oder als Kulisse für ein abenteuerliches Date zu nutzen.
Das Finale: Slasher-Horror
Während kurz vorher noch fleißig getanzt und gefeiert wurde, und man seinen Schwarm am Ende doch erobern konnte, brach dann plötzlich das Slasher-Horror-Ende über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer herein und die Charaktere wurden nach und nach in bester Where the Hills have Eyes-Manier dahingemetzelt.
Teilnehmerstimmen
Einige Teilnehmende berichteten, dass sie das 80er Jahre Setting an sich besonders positiv herausragend fanden. Die Kombination aus dem lebhaften Camp-Leben, dem teils absurden Setting von Teenagern in einer Film-Version der 80er und dem gruseligen Horror-Plot wurde von vielen als großartig empfunden. Die Spieler lobten die kreativen Angebote und Workshops wie Batiken, Selbstverteidigung und Theaterkurse. Die Kostüme trugen ebenfalls erheblich zur Immersion bei, genauso wie die Aufteilung in verschiedene Camp-Gruppen für Aktivitäten wie zum Beispiel dem Küchendienst, die zusätzlich das Gemeinschaftsgefühl stärkten.
Die Charaktere wurden frühzeitig an die Spieler verteilt und ließen viel Raum für eigene Ideen. Während ein Teil der Teilnehmenden über den eigenen Ausgestaltungsspielraum sowie die freien Verknüpfungsmöglichkeiten sehr erfreut war, hätten für den einen oder die andere die Charaktere etwas mehr Tiefgang haben können.
Die Länge des Larps von Donnerstag bis Sonntag war ideal, um realistisches Summercamp-Feeling aufkommen zu lassen und die Charaktere auszuspielen. Das Organisationsteam hatte vorab Videocalls angeboten, um Fragen und Anregungen zu besprechen, was von vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern dankbar angenommen worden war.
Die Workshops, die von den die Betreuer spielenden angeboten wurden und das Erforschen des verlassenen Dorfes im Wald sowie das Herumstromern mit Freunden wurden ebenfalls sehr geschätzt.
Für Teilnehmer, die sich alleine zu dem Spiel angemeldet hatten, gab es die Möglichkeit über Media-Kanäle, die von der Orga über Discord angeboten wurden, schnell und unkompliziert Anschluss zu finden. Auch die Einteilung in Camp-Gruppen, die sich angeleitet durch die Betreuer eigene Identitäten gaben, förderten den guten Einstieg für die Spieler.
Insgesamt wurden die 80er Jahre Atmosphäre und das Konzept des Camp-Lebens hervorragend umgesetzt. Besonders die Interaktion zwischen den Jugendlichen und Betreuenden führte zu wunderbaren Szenen.
Kritikpunkte
Trotz des insgesamt äußerst positiven Feedbacks gab es auch einige Kritikpunkte. Besonders häufig wurde angemerkt, dass das plötzliche und abrupte Ende des Spiels für viele Teilnehmende nicht passte. Der Horror-Plot wurde als zu plötzlich und ohne vorherige Spannungskurve eingeführt empfunden. Mehr subtile Hinweise und eine schrittweise Einleitung des Horrors hätten das Gruselerlebnis deutlich verbessert.
Einige Teilnehmer gaben auch an, dass sie von der realistischen Simulation des Jugendcamps so begeistert waren, dass sie den Horror nicht gebraucht hätten. Die Orga bot dankenswerterweise für Spieler eine optionale Exit-Möglichkeit vor dem Ende an, um dem Horror aus dem Weg gehen zu können. Leider kam für die, die viel Lust auf Grusel hatten, die Spannung in den ersten Tagen etwas zu kurz. Dennoch hat allein das Wissen, dass Horrorelemente vorhanden sein würden, die offiziellen und inoffiziellen Nachtwanderungen der Charaktere mit Spannung gefüllt.
Fazit
Camp Paradise war ein herausragendes LARP-Erlebnis, das die Teilnehmer und Teilnehmerinnen tief in die 80er Jahre eintauchen ließ und neben einer Menge Teenage-Drama auch Horrorelemente anbot. Das Organisationsteam hat mit viel Liebe zum Detail und einer beeindruckenden Inszenierung ein Event geschaffen, das den Teilnehmernnoch lange in Erinnerung bleiben wird. Es gab jedoch auch Raum für Verbesserungen, insbesondere in Bezug auf die Einleitung des Horror-Plots. Wer eine Vorliebe für die 80er und die Darstellung von emotional mehr oder weniger reifen Jugendlichen hat, sollte sich das nächste Camp Paradise keinesfalls entgehen lassen. Das Spiel ist durch sein Konzept auch sehr gut geeignet für Personen, die die Camp-Simulation schätzen, aber dem Horror aus dem Weg gehen möchten.
Text: Lena Marie Schmitz, Dirk Springenberg
Bilder: Jana Thiessen, Waldritter e.V.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de