Dance me to the End of Love war ein auf Vampire: The Masquerade basierendes Nordic Larp. Bespielt wurden die letzten Tage der Charaktere vor dem unvermeidlichen Untergang, der ihre geheime Gesellschaft am Ende auslöschen sollte. Ich hatte das große Glück, als Spieler mit dabei sein zu dürfen, und hatte ein wunderbares Wochenende voller Drama, Intrigen, Herzschmerz und großartigen Begegnungen.
Fakten zum Spiel
Bei der Location handelte es sich um das nahe Berlin gelegene Schloss Trebnitz, ein ruhig gelegener Veranstaltungsort mit umliegendem Park. Dieser wurde unter anderem auch von Spaziergängern genutzt. Da das Spiel, soweit ich weiß, ausschließlich indoor stattfand, störte dies jedoch nicht. Der zeitgleich mit der Showdown-Szene eintreffende Fackelzug zum Osterfeuer gab dem Gang zur letzten Szene einen passenden apokalyptischen Vibe.
Die Unterbringung erfolgte in Einzel- und Mehrbett-Zimmern, deren Ausstattung ich als gehobenen Jugendherbergsstandard beschreiben würde. Es gab genug Platz für alles, inklusive meiner umfangreichen Schminkstation. Mit einem Nosferatu-Charakter hatte ich einiges zu tun, bis die Fratze saß. Dafür war aber immer genug Zeit.
Die Betreiber des Schlosses sorgten für die Verpflegung, die Orga stellte Snacks in verschiedenen Varianten bereit, unter anderem vegan und allergiefreundlich, und es gab Mitternachts-Toasties, die mir mit meinem intensiven Make-up das Con retteten. Abgesehen davon kümmerte sich die Orga aufmerksam um uns. Von Schmerzmitteln über Zahnbürsten bis zu Nasenspray – alles war entweder vorhanden oder konnte schnell besorgt werden.
Der Ablauf
Einen großen Teil des Larps nahmen die Workshops ein. Diese fanden vor- und teilweise nachmittags statt. Eingehend besprochen wurden einerseits Metatechniken für Consent (Absprachen über den Konsens im Spiel), Safety und das Kampfsystem, andererseits gab es Einführungen in das Setting. Ich hatte kein tiefgehendes Hintergrundwissen, darum waren diese Workshops ungemein wertvoll, um mich später im Spiel sicher in der stark reglementierten Welt der Dunkelheit bewegen zu können. Alle Inhalte der Workshops waren vorab online verfügbar, nicht nur als Text, sondern auch als Podcast, was ich besonders zu schätzen wusste.
Insgesamt hätten die Workshops für meinen Geschmack an einigen Stellen etwas gestrafft werden können. Das war zum Teil meinem Eindruck geschuldet, dass es sich bei einem Großteil der Teilnehmer um Larper handelte, die sich bereits von anderen internationalen Events kannten und Vorerfahrung mit ähnlichen Safety-Mechanismen hatten. Die Safety-Mechanismen funktionierten meist über Code-Sätze, mit denen innerhalb der Szene ohne Unterbrechung des Spiels Consent gegeben oder ein Spielangebot abgelehnt werden konnte. Beim Kampfsystem handelte es sich um ein elementares Punktesystem, in dem der Kräftevergleich über einen Austausch von Aktionen stattfand: Je höher meine Fähigkeit, desto häufiger kann ich mich wehren. Dadurch entstand ein System, bei dem bei gleicher Kraft der Angreifer im Vorteil war – ein Detail, das mir mit Blick auf das Setting besonders gut gefiel.
Allerdings bin ich ein Fan von klaren out-time Absprachen. Im Spiel fiel es mir oft schwer, mich im richtigen Augenblick an den passenden Code-Satz zu erinnern. Im Endeffekt einigte ich mich mit meinen Haupt-Kontakten auf kurze out-time Kalibrierungen, da wir feststellten, dass es uns allen ähnlich ging. Statt also in character die entsprechende Formel aufzusagen, gab es eine kurze, per Handzeichen gekennzeichnete Absprache im Flüsterton. Damit fühlten wir uns insgesamt wohler.
Da meine Gruppe die Versorgung der Gesellschaft mit dem für Vampire unabdingbaren menschlichen Blut sicherstellen sollte, und da dieses Blut meistens in einer Verpackung in menschlicher Form geliefert wird, wurden in unserer Gruppe oft Szenen mit extremen Machtgefällen gespielt, die für uns eine gute Absprache unabdingbar machten. Die Aufmerksamkeit, die die Workshops auf Sicherheit und Consent legten, und die Zeit, die wir als Gruppe hatten, um uns einzuspielen und abzusprechen, waren hierfür ungemein wertvoll. Trotz des düsteren Hintergrunds konnten wir am Ende das gemeinsame Fazit ziehen, uns jederzeit sicher und gesehen gefühlt zu haben.
Die Charaktere
Die Charaktere wurden anhand ausführlicher Fragebögen zugeteilt. War keine genau auf die Vorlieben passende Zuteilung möglich, nahm die Orga Kontakt auf und besprach die Möglichkeiten mit den Spielern direkt. Ich habe diesen Prozess als transparent und die Orga als sehr bemüht erlebt, uns allen den am besten passenden Charakter und das bestmögliche Larp in die Hände zu legen.
Die Charaktere waren ausführlich geschrieben. Mein Charakter hatte eine volle Biografie, Wünsche, Ängste und Geheimnisse, Freunde und Feinde, Verknüpfungen – alles, was man sich nur wünschen kann, und noch eine ganze Ecke mehr. Tatsächlich war es mir im Rahmen des Spiels nicht annähernd möglich, alle Aspekte zu bespielen, die die Autorinnen und Autoren mir mitgegeben hatten. Langweilig war mir nie, auch dank der großartigen Verknüpfungen mit anderen: Freunde, Feinde, zweckmäßige Verbündete der eigenen Coterie (den selbstgewählten Gruppen, in denen die Vampire die meiste Zeit funktionierten), mein Clan oder meine familienähnlichen Verstrickung mit dem Sire, meinem Ghoul (ein durch Blut an einen Vampir gebundener Mensch) und dem psychotischen Adoptivbruder meines Charakters. Es gab immer jemanden, den ich anspielen konnte oder der mich anspielte.
Das Spiel
Sehr gut gelöst war aus meiner Sicht der Einstieg in das Spiel mit einer Versammlung der verschiedenen Clans. Im Vorfeld bekamen die Oberhäupter der Clans Informationen, die sie in dem von ihnen einberufenen Treffen weitergeben konnten. Dadurch startete man direkt in eine Szene, wie sie in dieser Welt vollkommen Sinn machte, in der man aber Zeit hatte, zunächst im Charakter anzukommen, ohne sofort reagieren zu müssen. Ich landete mit meinem Charakter im Clan Nosferatu, dem vermutlich familienähnlichsten und verhältnismäßig harmonischsten der Clans. Der Spieler, der die Rolle unseres Oberhauptes übernahm, war ein begnadeter Sprecher und gab uns mit einem minutenlangen Monolog eine wunderbare Einführung, in die wir dann nach und nach im eigenen Tempo einsteigen konnten.
In der anschließenden Szene in unseren Coteries hatten alle Spieler bereits Aufträge von ihren Clans, die sie neben ihren persönlichen Zielen verfolgen konnten, oder geheime Informationen, die sie natürlich niemals aus Versehen ausgeplaudert hätten. An den folgenden Abenden wurde in mehreren Etappen zunächst der Alltag einer befriedeten Zusammenkunft der Vampire unter dem Gesetz der stark reglementierenden Camarilla bespielt, dann deren allmählicher Verfall mit Durchsickern der Informationen über das bevorstehende Ende und am letzten Abend der Zerfall der gesellschaftlichen Strukturen in Anarchie, Chaos, Blut und Tod sowie einem sehr persönlichen letzten Gericht, dem keiner der Charaktere entgehen konnte.
Nachmittags gab es die Möglichkeit, sogenannte Memoriam-Szenen zu spielen. Dabei konnte es sich um Flashbacks handeln, zum Beispiel um Dinge, die die Charaktere früher erlebt hatten, oder völlig anderes. Teil des Hintergrundes war das äußerst schlechte Gedächtnis der Vampire. So waren alle Charakter-Hintergründe aus Sicht eines unzuverlässigen Erzählers geschrieben. An was sich der Charakter erinnerte, konnte, musste jedoch nicht mit den Versionen übereinstimmen, an die sich andere erinnerten. Das war eine interessante Idee, die mich persönlich zwar wiederholt verunsicherte, aber teilweise zu interessanten Interaktionen beitrug. In Memoriam-Szenen wurde spielerisch die Version eines Ereignisses erzählt, an das sich die Charaktere aktuell erinnerten. Dadurch war es möglich, ein und dieselbe Szene mehrfach zu spielen.
Entspanntes und emotionales Spiel
Durch die vergleichsweise kurzen Etappen im Charakter sowie die, verglichen mit den Workshop-Zeiten, recht kurzen Spiel-Phasen empfand ich das Larp als entspannt und nicht so emotional aufreibend, wie ich es ursprünglich bei der Ankündigung erwartet hatte. Ich hätte gerne länger gespielt, was für das Larp spricht. Langeweile oder Leerlaufzeiten gab es im Spiel nicht.
Der Fokus auf Sicherheit und Consent ermöglichte mir einige äußerst intensive Szenen. Ich konnte eine Konfrontation zwischen meinem Charakter, dessen Sire und dem eigenen Ghoul bespielen, die eines meiner Highlights darstellt. In einer anderen Memoriam-Szene bekamen meine Coterie und ich dank einer anderen Spielerin die Gelegenheit, den düsteren Alltag des Handels mit Blut zu bespielen. Mein persönliches Highlight war jedoch die allerletzte Szene meines Charakters, in der ihr ihre Taten durch ihre große Liebe vergeben wurden. Vom tiefergehenden Hintergrund-Plot haben sowohl mein Charakter als auch ich nichts mitbekommen.
Was für mich im Vordergrund stand, war, wie sich für meinen Charakter im Angesicht des Unvermeidlichen Prioritäten herauskristallisierten, für die sie keine Kompromisse mehr einzugehen bereit war. Ich war in das Spiel gestartet in der Erwartung, ein brutales Monster zu spielen. Zu beobachten, wie mein Charakter wiederholt mit ihren eigenen Fehlern und Grenzen in eine tiefe Verzweiflung geriet, und wie sie am Ende doch Frieden mit sich und der Welt schließen konnte, hat mich sehr berührt. Ich bin zutiefst dankbar für meine Mitspieler, die mir die Erfahrung dieser wunderbar traurigen Geschichte ermöglicht haben.
Mir bleibt an dieser Stelle nur, mich beim gesamten Team für diese berührende Erfahrung zu bedanken. Ich hoffe auf mehr.
Text: Merle Lotz
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de