Das Setting des Larps Krieg um Rawald auf dem Gelände des Freilichtmuseums Höllberghof war in den Ostlanden angesiedelt, einer eigenen Kampagne, die schwerpunktmäßig in Mitteldeutschland bespielt wird.
Der Heerzug der Markgrafschaft Hallgau rückte in die bisher aufrührerische und früher einmal zur Freien Silbermark gehörende Baronie Rawald ein und wurde dort von den Einheimischen nicht gerade mit Blumen und Konfettiparaden willkommen geheißen.
Nach der Ermordung des regierenden Barons war ein Bürgerkrieg ausgebrochen und zum Zeitpunkt des Cons herrschte Anarchie, bis einige Ritter aus Rawald Markgraf Christopherus, den Herrscher des Landes Hallgau, um Hilfe baten. Wichtigste Gegenspieler des Heerzuges waren die Ottern: eine Bande von Meuchlern und Giftmördern. Die Bewohner des Landes hingegen wollten ihre Ruhe und in einer Art Feudalsozialismus in den Tag hineinleben.
Erster Spieltag
Das Con begann mit einer gespielten Anreise. Die Teilnehmer bewegten sich als Heerzug samt Tross durch ein ihnen feindlich gesinntes Land. Einheimische unter Führung der Ottern griffen die Truppen aus dem Hinterhalt an und es gab die ersten Scharmützel.
Abgekämpft erreichte der Heerzug ein Gehöft, wo das Nachtlager aufgeschlagen wurde. Am Abend bat Markgraf Christopherus zum Kriegsrat, um die Lage zu erörtern. Ein Bote überraschte den Kriegsrat mit schlechten Nachrichten über hohe Verluste bei den verbündeten Truppen in anderen Gegenden Rawalds. Nachdem die Echtheit der Nachricht bestätigt wurde, fasste man den Beschluss, einige Tage auf dem Gehöft zu lagern und Kräfte zu sammeln, Späher auszusenden, Kontakt mit den anderen Teilen des Heerzuges herzustellen und mehr über die Lage in Siebenwinde – so etwas wie die Hauptstadt von Rawald – herauszufinden.
Der Abend klang in den jeweiligen Lagern beziehungsweise in der Wandertaverne Unter aus. Die Taverne wird mit Hingabe vom Behringer LARP e.V. bespielt.
Zweiter Spieltag
Der Tag begann mit dem morgendlichen Kriegsrat. Es sollten Kundschafter in die Wälder entsandt werden, um mehr über die Lage herauszufinden. Die Erkundungstrupps wurden dann allerdings von Partisanen ordentlich aufgemischt und schleppten sich zurück ins Lager. Auf dem Gehöft, welches mehr einem Heerlager als einem friedlichen Bauernhof glich, ergaben sich zaghafte Kontakte mit Einheimischen, die den Teilnehmern des Heerzuges einen Einblick in die Gedankenwelt der Bewohner verschafften: „Ich will hier nur angeln, auf dem Heimweg ein paar Schekel schnitzen und abends in der Kneipe ein Bier trinken.“
Durch den Kontakt zu den Einwohnern tauchten Hinweise auf eine gemäßigte Fraktion auf. Der Kriegsrat beschloss, einen Brief an diese zu verfassen. Keine leichte Aufgabe, schließlich waren wir die Invasoren. Aufgrund der akuten Bedrohung durch Partisanen wurde im Feldlazarett ein Schutzritual vorbereitet. Im Anschluss gab es Kunde aus den umliegenden Wäldern. Ein uralter Baumgeist hatte, so zumindest die Berichte der Späher, genug von all dem Morden und wollte das alles beenden – ohne Rücksicht auf die verschiedenen Fraktionen. Er wollte einfach Frieden. Ihn zu besänftigen, war Teil des Planes, um weitere Tote zu verhindern und schlussendlich den Feldzug erfolgreich abzuschließen.
Dritter Spieltag
Um die Feinde aus der Reserve zu locken, täuschte ein Teil der angereisten Kämpfergruppen einen Abzug vor, während ein anderer Trupp in die Wälder zog, um den Baumgeist zu besänftigen. Die Finte ging auf. Das schutzlose Feldlager wurde von feindlichen Kämpfern angegriffen. Als sie sich jedoch ins Lazarett verirrten und auf das Personal losgehen wollten, wirkte die am Vortag durchgeführte Schutzliturgie und besänftigte ihre aufgewühlten Geister.
Sie wirkten verwirrt und zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Am Mittag des dritten Tages vermischte sich Feind und Freund. So wurden bei den Heilern gleich zwei feindliche Ottern liebevoll versorgt, von denen einer einen geläuterten Neuanfang schaffen wollte. Am Nachmittag des dritten Tages stellte sich der Feind zur Entscheidungsschlacht im Wald. Die Schlacht war ein mühsames Durchkämpfen in unwegsamem Gelände, vorbei an Fallen, Schanzen und Verhauen.
Einige Kämpfe, zahlreiche Verletzungen und einen selbstversteinerten Magier später war der Sieg errungen und die Feinde lagen am Boden. Der Abend ging in die Siegesfeier über und Markgraf Christopherus stattete dem Lazarett einen Besuch ab. Gemeinsam mit den Gesandten der Freien Silbermark, die nun endgültig die volle Souveränität der Freien Baronie Rawald anerkannten, wurde auf die Befreiung und Souveränität derselben angestoßen.
Im späteren Verlauf des Abends wurden an treue Unterstützer des Feldzuges Lehen und Geschenke verteilt, der Sieg bis in die Morgenstunden gefeiert und mehrfach auf ein erfolgreiches Unternehmen angestoßen.
Teilnehmer und Zusammenspiel
Die meisten Teilnehmer kannten sich bereits von anderen Cons im Raum Mitteldeutschland und natürlich auch von den bekannten Großveranstaltungen. Ich habe mit Freunden das Feldlazarett der Silbermärkischen Roten Waage bespielt. Das ist ein frommer Orden der Kirche des Mammon, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Verletzten auf dem Schlachtfeld zu helfen und sie gesund zu pflegen.
Dabei macht der Orden keinen Unterschied zwischen den Kampfparteien. Jeder Verletzte, der Hilfe benötigt, bekommt sie auch – ungeachtet seiner Fraktionszugehörigkeit, aber niemals gegen seinen Willen. Unter dem Leitspruch Debet ad vitam – Dem Leben geschuldet begeben sie sich unbewaffnet in Gefahr, um Verletzte zu bergen, darauf hoffend, dass das Zeichen der Roten Waage von allen Kämpfern erkannt und anerkannt wird.
Die zweite Hälfte des Lazaretts wurde von den Mitgliedern der „Praktischen Akademie der interdisziplinären Heilkunde“ (kurz PAINH) bespielt. Mit insgesamt acht Leuten konnten wir so ein ansehnliches Lazarett mit Chirurgen, Alchemisten und Helfern bespielen.
Aus praktischen Gründen sind Heiler gegen das Verletzen von Personen. Das öffnet Möglichkeiten für kleine Konflikte und Situationen auf einem Con. Kommentar des Feldchirurgen zu einer Folterszene: „Jaja, haut den nur kaputt, damit wir den hinterher wieder zusammenflicken dürfen. Toll.“ – Vielen Dank an den Haderlumpen e.V. für das schöne Konfliktspiel.
Während ich sonst eher Handels- und Diplomatiespiel betreibe, habe ich diesen Feldzug aus der Sicht der Heiler erlebt. Das war spannend und intensiv. Eine neue Perspektive für mich aufs Larp.
Spielleitung und Veranstalter
Ausrichter des Cons war die in Taucha bei Leipzig beheimatete Hallgau-Orga. Das Team existiert seit 2019 und zeichnet sich vor allem durch die Tavernenreihe Zum rostigen Krug auf dem Rittergutsschloss Taucha aus. Auch wenn der Plot detailliert vorbereitet und geplant war, wurde seitens der Orga kein Railroading betrieben, und wenn doch sehr unauffällig. Unter Railroading versteht man das Drängen der Spieler in eine bestimmte Richtung. Man hatte eher das Gefühl, in einer Feldzugsandbox zu spielen, als beispielsweise die übliche 16-Uhr-Schlacht geradeso knapp zu gewinnen, damit der Metaplot funktioniert.
Die Spielleitung war bei Bedarf erreichbar, aber definitiv hätten mehr SLs nicht geschadet. Die anwesenden SLs haben ordentlich Kilometer gemacht und hatten garantiert Blasen an den Füßen.
Versorgung und Infrastruktur
Der Krieg um Rawald war ein reines Selbstversorger-Con. Für Essen, Getränke und Snacks mussten die Teilnehmer selbst sorgen. Frisches Trinkwasser war durchgehend verfügbar. Die Duschen und WCs waren in einem guten Zustand und erfüllten ihren Zweck. Die Orga war bemüht, dass dieser Zustand erhalten blieb.
Immersion und Spielgebiet
Das Freilichtmuseum Höllberghof in der Niederlausitz ist sicher vielen Larpern bekannt und stellt mit seinem Gebäudeensemble ein wundervolles Ambiente für dörfliche Larps bereit. Im Zentrum der Anlage steht ein 1991 errichteter Dreiseitenhof, der nach einem etwa 200 Jahre alten Vorbild gebaut wurde. Eine Scheune, ein Kossätenhaus und ein Backhaus sind darum gruppiert. Kossäten waren Dorfbewohner im ehemaligen Preußen, die kein eigenes Ackerland besaßen.
Zum Spielgebiet gehört auch das Waldgebiet um den Höllberghof, was von der Orga reichhaltig ausgenutzt wurde. Die NSCs bauten Fallen, Barrikaden und legten Hinterhalte, um den Eindringlingen das Leben schwer zu machen.
Auf GoogleMaps sieht das bewaldete Areal zwar nicht besonders groß aus, aber wenn einem wütende Waldbewohner ans Leder wollen, kann es sehr groß wirken, und darauf kommt es an. Vor allem in der Dämmerung ist die Atmosphäre noch bedrohlicher. Durch die aufgebauten künstlichen Engstellen bekam man eine Ahnung, wie sich so ein Partisanenkampf anfühlen kann.
Das Feldlager erinnerte an bekannte Aufstellungen von anderen Cons. Bedingt durch die Verschiedenheit der einzelnen Fraktionen entstand der Eindruck eines wohlsortierten Heerestrosses.
Persönliche Highlights
Zu meinen persönlichen Highlights gehörte unsere Schutzliturgie, die mit ihrer Andacht und spirituellen Natur einen wunderbaren Kontrast zum militärischen Getöse der Ohler darstellte. Vielen Dank für diesen Moment.
Ein weiteres Highlight war die Begegnung mit einem Geweihten des himmlischen Leuin RONdra, der von Berufs wegen Stammgast im Lazarett war und dem wir mit einem Augenzwinkern ein Wunder des Herrn Mammon verkauft haben, damit nicht noch mehr Blut aus ihm herauslief. Der Blick, als ich ihm ins Ohr geflüstert habe, dass er nach Gelingen des Wunders das dringende Bedürfnis haben würde, Geld im Wirtshaus auszugeben, hat mir einen besonderen Moment beschert.
Dann gab es da noch das hocheffiziente Verfassen des Briefes an die Falken und die zielgerichtete und produktive Zusammenarbeit. Für Larp-Verhältnisse war das außerordentlich.
Fazit
Das Con war eine runde Sache. Der Plot war gründlich vorbereitet und geplant. Es ist immer eine Freude, viele bekannte Gesichter wiederzusehen und aufgrund der räumlichen Nähe – zwei Stunden Fahrt auf der B87 ab Leipzig – war es für mich ein perfektes Wochenende.
Text und Bilder: Erik Schülke
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de