Viele Larp-Orgas kommen heute ohne Technik und spezielle Props kaum noch aus. Das Spiel wird dadurch bereichert und viele kreative Ideen können so umgesetzt werden. Für manche dieser Bauten oder Technik-Spielereien werden aber Experten gebraucht, die nicht selten für genau den Job, den sie für das Larp einsetzen, eigentlich im Alltagsleben bezahlt werden. Wie geht eine Orga mit solchen Experten um, die im Hobby-Bereich Larp nur selten Geld für ihre Arbeit bekommen? Diese Frage hat sich auch Astrid Mosler gestellt und dazu ein paar Antworten gesammelt.
Moderne Larp-Konzepte verwenden moderne Möglichkeiten – die Menge der Larpenden, die noch erlebt hat, dass Con-Anmeldungen zwingend die Versendung eines ausgefüllten und unterschriebenen Stück Papiers mit der Post erforderten, sinkt stetig. Das ist zunächst einmal weder gut noch schlecht – jedoch ein Beispiel für das gestiegene Maß an potentiellen Werkzeugen, die einer SL zur Verfügung stehen, um ein Projekt umzusetzen.
Zum Beispiel gilt für die meisten Orgas eine Website inzwischen als Standard, auf der die Informationen zu praktischen Rahmenbedingungen und Spielinhalten strukturiert aufbereitet sind. Dazu gehört in der Regel auch ein Anmeldeformular. Wer hier nicht auf Google Forms oder sonstige freie, aber unter Umständen datenschutztechnisch fragwürdige Angebote zurückgreifen will, braucht jemanden, der sich mit Programmierung auskennt.
Das Gleiche gilt für die Umsetzung von magischen Effekten über den Einsatz von NFC-Chips. Die Einsatzmöglichkeiten von sogenannter Near-Field-Communication (übersetzt etwa Kommunikation im nahen Umfeld) lassen das Herz jeder Larp-Konzept-Person höher schlagen – man stelle sich vor: Die Spielenden setzen den magischen Kristall in die korrekte Stelle im Ritualkreis ein und automatisch beginnt er zu leuchten, das Licht im Raum färbt sich violett und passende Soundeffekte werden abgespielt. Ohne dass eine Spielleitung vor Ort sein und einen Knopf drücken muss. Und das ist zugegebenermaßen noch ein simples Szenario.
Als Letztes sei auf besondere physische Requisiten eingegangen. Hier können verhältnismäßig einfach herzustellende Requisiten gemeint sein, deren Herstellung aber einen großen Zeitaufwand bedeutet. Wie zum Beispiel: Wir brauchen für jede teilnehmende Person ein Krankenhaushemd mit dem charakter-spezifischen Patienten-Code, ein Schild mit den persönlichen medizinischen Maßnahmen und eine Patientenakte. Es kann aber auch um extrem komplexe Gegenstände gehen, wie: Wir brauchen eine dieselpunkige Maschine, in der wir die Seele eines in der Maschine befindlichen Charakters in den Äther und zurück transferieren können und von der wir drei wichtige Teile abnehmen können, die die Spielgemeinschaft erst freispielen muss.
Es ist kein Zufall, dass von diesen vier Beispielen zwei das Thema Informationstechnologie betreffen – und es ist auch sehr gut denkbar, dass physische Baukunst und in-time gemeinsam zum Einsatz kommen. Zum Beispiel, damit man ein Raumschiff oder ein U-Boot gefühlt realistisch steuern kann ohne, dass die Immersion unterbrochen werden muss.
Konzeptionell gibt es also weniger Einschränkungen als jemals zuvor – dafür wächst auch der Grad an Komplexität, den ein SL-Team zu managen hat. In manchen Orgas gibt es historisch gewachsen eine ausgewiesene Person, die schon immer den Bau von Requisiten betreut und häufig zu einem maßgeblichen Teil selbst durchgeführt hat. Das SL-Bastel-Wochenende dürfte für viele SLs ein gängiger Begriff sein. Hier kommen alle Teammitglieder plus eventuelle Helfende zusammen, und man arbeitet gemeinsam an den Dingen, die benötigt werden. Und das ist eine gute Sache.
Was aber tun, wenn es um eine Kompetenz geht, die im SL-Team so nicht vorhanden ist?
An in-time Themen kann man sich das besonders gut vor Augen führen, denn dort gibt es wenig, was Nicht-Eingeweihte beitragen können, ehe nicht eine testfähige Version vorhanden ist. Die Antwort liegt klar auf der Hand: Man sucht sich jemanden mit Expertenwissen, der die notwendigen Fähigkeiten und Zeit und Lust hat zu helfen. Was oft genug leichter gesagt, als getan ist. Nehmen wir jedoch an, dass es in unserem Fall geklappt hat – jemand mit den erforderlichen Kompetenzen hat Interesse, unser Artefakt zu bauen oder unsere simulierte Spaceshuttle-Steuerung zu programmieren.
Was kann die Orga nun tun, damit die Zusammenarbeit für alle Beteiligten Spaß macht, am Ende etwas herauskommt, das unser Larp bereichert und – vielleicht am Wichtigsten – wir uns am Ende des Cons gegenseitig feiern und immer noch gut miteinander auskommen?
Es folgt eine Sammlung, die sich jedoch auf keinen Fall als abschließend oder vollständig verstanden wissen möchte.
What’s in it for you?
Diese Frage mag konterintuitiv klingen, schließlich machen wir ja Larp und keine Geschäfte. Trotzdem lohnt es sich, sich darüber im Klaren zu sein, dass hier jemand eine Dienstleistung erbringt und ein Con-Budget in den seltensten Fällen Geld für die Arbeitsleistung hergeben wird.
Unsere helfende Person wird also in den meisten Fällen nicht materiell bezahlt, sondern zum Beispiel durch den Spaß daran, das eigene Handwerk an einer neuen Herausforderung zu erproben und weiterentwickeln zu können oder durch eine kreative Spielwiese innerhalb des Konzepts der Spielleitung (Ich wollte schon immer mal einen opulent verzierten Sarg mit doppeltem Boden bauen). Gratis-Tickets für das Spiel oder zumindest eine substanzielle Vergünstigung können eine unterstützende Maßnahme sein.
In der Regel tut es der Zusammenarbeit gut, wenn man sich als Spielleitung in auftragsgebender Position weniger als Kunde denn als servant leader (auf Deutsch etwa dienstbereite Führungsperson) sieht. Am besten fragt die Orga die helfende Person zu Beginn gerade heraus, worin deren Motivation liegt, das Projekt zu unterstützen, und wie man als Orga dazu beitragen kann, dass die Person mit Expertenwissen möglichst viel aus der Zusammenarbeit herausziehen kann.
Klare Worte, klare Taten
Kommunikation sollte freundlich, transparent und vor allem strukturiert sein. Es lohnt sich, wenn es für die Helferperson einen klaren Ansprechpartner in der Orga gibt, der alle Informationen, Fragen, Ideen und Rückmeldungen kanalisiert und geordnet weiterträgt. Dies gilt ganz besonders zu Beginn der Zusammenarbeit, wenn die Expertenperson die konzeptionelle Anforderung entgegennimmt, um eine fundierte Zusage erteilen zu können.
Dies ist ein kritischer Punkt im Prozess, denn wenn hier ein grundsätzliches Missverständnis entsteht, kann dies weitreichende Folgen für das komplette Projekt haben. (Niemand hat mir gesagt, dass ein NSC von über 1,90 m für unbestimmte Zeit unter dem doppelten Boden des Sargs auf seinen Einsatz warten muss, damit das Prop Sinn ergibt!)
Das bedeutet: Das gesamte Orga-Team muss sich einig sein, welche konzeptionelle Frage der zu beauftragende Gegenstand beantworten soll – welche Anforderungen sind zwingend erforderlich (ein Mensch muss unter dem doppelten Boden liegen können) und welche haben Spielraum (Dauer des Ausharrens und Körperbau der NSC-Person sind flexibel)?
Außerdem lohnt es sich, sich an dieser Stelle auch noch einmal an den vorigen Punkt zu erinnern und sich zu fragen, ob dieses Basis-Briefing genug attraktive Aspekte für die helfende Person enthält. Um bei unserem Beispiel-Sarg zu bleiben: Der abschließende Satz: Du bist komplett frei, was die Verzierungen im Einzelnen angeht – Hier ist die Beschreibung, welcher Stil in unserem fiktiven Land gepflegt wird, und je wilder du dich bei der Dekoration austoben möchtest, desto besser für uns. kann das Gegenüber zu kreativen Höchstleistungen beflügeln.
Das leidige Budget
Im Grunde ist dieser Punkt ein spezifischer Teilbereich des vorigen. Da an diesem Punkt jedoch die ganze Aktion zerbrechen kann, sei diesem ein eigener Abschnitt gewidmet. Ganz besondere Klarheit und Transparenz sind bei zwei Anforderungen geboten: Zeit und Geld. In den allermeisten Fällen wird das Gesamt-Budget der Veranstaltung eine knappe Angelegenheit sein, um den Teilnahme- preis möglichst niedrig zu halten.
Niemandem ist damit geholfen, an dieser Stelle vage zu bleiben – je früher herauskommt, dass die Materialkosten für unseren Sarg weit außerhalb der Finanzplanung liegen, wenn wir ihn in Vollholz herstellen lassen, desto besser für alle Beteiligten. Die SL-Person, die das erste Briefing durchführt, braucht hier eine vom Gesamtprojekt abgesegnete, verbindliche Zahl. Es ist wichtig, dass die helfende Person genau weiß, ob diese ein hartes Limit darstellt.
Ähnlich ist es mit dem Thema Lieferzeitpunkt, und das gilt noch einmal mehr, wenn es nicht um einen Sarg, sondern um Software-Lösungen geht. Letztere müssen auf jeden Fall ausführlich getestet und gegebenenfalls überarbeitet werden können, ehe die Spielerschaft darauf losgelassen werden kann. Ideal wäre hier ein Test unter Bedingungen, die dem eigentlichen Spiel möglichst ähnlich sind, was Belastung und Einbindung in die Gesamtkulisse angeht. Das vielseitigste Steuerungssystem für unser Raumschiff ist eine sinnlose Investition von Zeit und Kreativität, wenn es unter der Last der gestressten Charaktere nach einer halben Stunde zusammenbricht
Profi -Tipp:
In manchen Fällen lässt sich ein knappes Geld-Budget mit erweitertem Zeit-Budget aufpolstern. Wenn unsere fiktive Sargbau-Person zum Beispiel einen langen Vorlauf hat, um das gewünschte Material zu beschaffen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich irgendwo ein Sonderangebot nutzen lässt. Solche und ähnliche Chancen oder Risiken lassen sich aber nur identifizieren und nutzen, wenn man sich frühzeitig offen darüber austauscht.
Wir gehen den Weg gemeinsam
Wenn die Arbeit aufgenommen wurde, gilt es, in Kontakt zu bleiben. Zum einen, damit auftretende Fragen geklärt werden können. Zum anderen aber auch, weil es einfach Spaß macht, in Etappen zusehen zu können, wie das Requisit Gestalt annimmt. Dies gilt für physische Props ebenso wie für Software. Bei Letzterer sind eventuellen Einschränkungen des oder der Programmierenden zum Entwicklungsstand ernst zu nehmen. Achte nur auf die Funktion, die Oberfläche wird später im Prozess schön gemacht, ist zum Beispiel ein Klassiker, den die eine oder der andere vielleicht auch schon aus dem Berufsumfeld kennt.
In dieser Phase ist es zum einen wichtig, dass die letztlich unvermeidlichen Anpassungen am Gesamtkonzept, die der dynamische Prozess eines Larpprojekts mit sich bringt, schnellstmöglich an die Requisiten-Person weitergetragen werden. Nichts ist frustrierender, als im Nachhinein zu erfahren, dass die bisher erbrachte Arbeit umsonst war, weil sich die Anforderungen geändert haben. Hier gilt es, als Orgateam verantwortungsvoll mit der Zeit der Helfenden umzugehen. Zum anderen sollte stetig geprüft werden, ob der vereinbarte Zeitplan noch passt und eingehalten werden kann. Der schönste Sarg der Welt nützt uns nichts, wenn er am Tag nach dem Spiel fertig wird. Unter Umständen gilt es, die Dekoration zu minimieren, damit er rechtzeitig fertig wird.
Egal, wie man als Orga die Zusammenarbeit mit Helfenden organisiert – es sollte auf jeden Fall regelmäßig Austausch geben, damit beide Seiten sicher sein können, dass die jeweiligen Erwartungen realistisch sind und zusammenpassen. Der Weg zu einem Ergebnis, das die Teilnehmenden begeistert, ist letztlich ein gemeinsamer. Wer kreativ arbeitet, verrennt sich manchmal in einer Zielvorstellung, die zwar oft cool ist, aber am Ende nicht ins (Zeit-)Budget passt. Hier hilft es, wenn man in entspannter, aber regelmäßiger Form von außen (sprich von Seiten der Orga) dazu angeregt wird, den Prozess anzusehen und zu prüfen, ob man auf einem guten Weg ist.
Danke sagen
Wie eingangs erwähnt ist es bei Larpprojekten eher die Regel, dass Helfer, die Requisiten erstellen, keine monetäre Bezahlung erhalten. Ein von Herzen kommender, authentischer Dank an der richtigen Stelle ist ein wichtiger Faktor, um die Zusammenarbeit zu einem guten Abschluss zu bringen. Gehört die helfende Person zu den Teilnehmenden das Con, sollte ihr Beitrag bei der Abschlussansprache der Spielleitung gebührend gewürdigt werden.
Ist dies nicht möglich, können Fotos oder kleine Videos, die das Werk in Benutzung durch die Charaktere zeigen, einen Eindruck vermitteln, wie wichtig ihre Arbeit für das Gelingen des Spiels war. In jedem Fall sollte man als Spielleitung die helfende Person nicht einfach vergessen, sobald der Auftrag ausgeführt wurde, sondern sich aktiv im Nachgang zurückmelden. Ein Larp umzusetzen ist ein hoch dynamischer, komplexer Prozess, der viele, viele Stunden an Arbeit und viele helfende Hände erfordert. Bei all dem ist es in erster Linie die Zusammenarbeit aller, die das Hobby zu dem bunten, kreativen und sich stetig neu erfindenden Meer an Möglichkeiten macht, das es heutzutage ist. Eine Spielleitung, die sorgsam mit der Zeit und Mühe umgeht, die helfende Personen für ihr Projekt zur Verfügung stellen, leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu, dass wir immer wieder neue, spannende Überraschungen erleben.
Dream on!
Text: Astrid Mosler
Bilder: Philipp Resch, fps-Design/Tales-Inside
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de