In der Larpszene tummeln sich viele kreative Menschen. Ob Kleidung, Accessoires oder Kulisse, viele verwirklichen in ihrer Freizeit darin ihre Träume. Auch Mia Shinda erfüllt sich und anderen mit ihrem Können so manchen Traum. Ihre Ästhetik ist dabei schon jetzt legendär. Unsere Redakteurin Laura Richter sprach mit ihr über Larp, ihre Filmprojekte und unersetzliche Alltagshelfer.
LARPzeit: Zombiemädchen, orientalische Katze, Überlebende der Apokaylpse – Du bist in Deiner äußeren Erscheinungsform sehr wandelbar. Bitte stelle Dich als Mensch hinter diesen Masken kurz vor.
Mia Shinda: Ich bin begeisterte Darkart-Künstlerin, Alternativmodel und Larper. Ich liebe und lebe Kreativität und Ästhetik; beide Aspekte begleiten mich schon ein Leben lang. Nach und nach bildete ich meine eigene, morbide und düstere, aber ausdrucksstarke Form der Kunst – fernab von allen gesellschaftlichen Normen und Richtwerten.
LZ: Verkleiden kann sich jeder – Du kombinierst Deine ausgeprägte Fantasie mit Deinem Wissen als gelernte Visagistin. Mit welchen Techniken machst Du Dein Wissen in dem Bereich larptauglich?
Mia: Durch meine Ausbildung zur Visagistin habe ich zahlreiche Produkte und ihre Anwendung kennengelernt. Gerade beim Film und Theater muss es meist schnell mit dem jeweiligen Make-up gehen und es muss nur für einen kurzen Auftritt halten. Im Larp stellen sich ganz andere Herausforderungen an ein Tages-Make-up: Wetterbedingungen wie Wind, Regen, starke Sonne oder Schweiß, zum anderen hat man häufig nur ab und zu die Möglichkeit, sich nachzuschminken. Fixierpuder oder Haarspray zum Fixieren, Prothesenkleber statt Mastix zum Ankleben von Latexapplikationen oder Teilmasken sind Techniken, die ich mir über die Jahre erarbeitet habe oder als Tipps von anderen Larpern bekommen habe, um ein solches Make-up aufrechtzuerhalten.
LZ: Wenn man Dich das erste Mal zu Gesicht bekommt, kann man oftmals kaum glauben, dass Du kein Kind mehr bist. Einfach, weil Du mit 1,43 Metern Körpergröße verhältnismäßig klein bist. Welchen Einfluss hat Deine Körpergröße auf Dein Leben und wie machst Du sie Dir im Larp zunutze?
Mia: Es ist für die meisten Menschen, die mir zum ersten Mal begegnen, etwas seltsam und sie starren mich meist erst mal eine ganze Weile an, bis sie mich einordnen können – oder auch nicht. Die meisten sind fasziniert, wollen mich hochheben oder tragen. Manche haben Mitleid, sagen, dass es ihnen leid tut, weil sie denken, dass ich es sehr schwer im Leben haben muss. Mein ständiger Begleiter in meiner Werkstatt ist tatsächlich meine kleine Klappleiter, aber ich habe mich daran gewöhnt, es gibt Schlimmeres. Den normalen Alltag bewältige ich ganz problemlos.
Ich kann normal Auto fahren, kaufe auch Kleidung von der Stange – hier aber meist in der Kinder-/Jugendabteilung – und erreiche alle Regale im Supermarkt, auch wenn ich dafür manchmal ein bisschen klettern muss. Im Larp nutze ich meine Körpergröße, um Rollen darzustellen, die sonst meist unbesetzt bleiben würden. Ich stelle Kinder oder sehr junge Jugendliche dar. Egal, ob als untotes Zombiemädchen, mutiertes Kind oder als ganz normales Mädchen aus einem vornehmen Herrenhaus. Viele Settings, gerade im Postapokalypseoder Horrorlarp, sind FSK 18, hier finden echte Kinder keinen Platz, und ich kann in anspruchsvolle Rollen schlüpfen, die ein Kind so nicht darstellen könnte.
LZ: Du hast in der Vorbereitung auf dieses Interview angedeutet, dass Du wegen Deiner Größe nicht immer zu beneiden warst.
Mia: Ja, es war natürlich nicht immer leicht, die Kleinste zu sein, gerade in der späteren Schulzeit war ich immer einen oder zwei Köpfe kleiner als meine gleichaltrigen Kameraden. Das führte beinahe täglich zu Sticheleien und Gemeinheiten.
Aber zum Glück bleibt man nicht für immer in der Schule. In meiner Ausbildung hörte das Mobbing schlagartig auf. Als ich mit Larp angefangen habe, betrachtete ich meine Größe aus einem ganz anderen Blickwinkel und machte sie zu meinem Erkennungszeichen.
LZ: Du hast einmal über Dich gesagt, dass man immer das Beste aus dem machen soll, was man hat – kam die Weisheit von außen in Dein Leben oder ergab sie sich aus Deinem Leben?
Mia: Sie ergab sich aus meinem Leben. Besonders viel Geld hatte und habe ich nicht, also musste ich schon immer kreativ werden, um meine Ideen zu verwirklichen. Das Beste aus nichts zu machen, spiegelt sich in beinahe allen meinen Werken wieder. Ich verwende Dinge, die keiner mehr gebrauchen kann, wie Dosenlaschen, Kronkorken, rostiges Kleinmetall, alte Puppenteile und so weiter, und fertige daraus neue, skurrile Werke. Das nennt sich Upcycling. Auch aus meiner Körpergröße, die mich als Kind und Jugendliche immer geärgert hat, mache ich nun das Beste und habe sie, wie oben bereits erwähnt, zu meinem Erkennungszeichen gemacht.
LZ: Viele junge Frauen in Deutschland träumen von einer Modelkarriere, wenn man dem Fernsehen Glauben schenken darf. Welchen Tipp hast Du für all jene, die sich nicht von einem Team aus selbsternannten Experten hübsch machen lassen, sondern wie Du Ihre eigene Ästhetik leben wollen?
Mia: Mit dem Modeln ist das so eine Sache. Ich finde es schade, dass gerade junge Mädchen sich in so eine Form pressen lassen, denn wer entscheidet, was schön ist? Eine Jury? Die breite Masse, die sich von den Medien und solchen Jurys prägen lässt? Ich finde, individuell zu sein und sich nicht verbiegen oder in eine Form pressen zu lassen, ist wahre Schönheit! Mein Tipp ist, tragt vielleicht etwas Selbstgemachtes. Traut Euch, ein T-Shirt, das schon ein paar Jahre alt ist, zu tragen. Gestaltet Eure Wohnung, wie sie Euch gefällt, nicht wie es gerade Trend ist. Fühlt Euch wohl in Eurer Haut, egal ob groß oder klein, dick oder dünn, alt oder jung, Mann oder Frau. Versucht dabei aber nicht zwanghaft anders zu sein oder bindet es jedem auf die Nase. Überzeugt durch Eure Ausstrahlung, Einstellung und Meinung. Nicht nur Optik, sondern auch ein authentisches Auftreten formen den Charakter, machen individuell und sorgen dafür, dass Ihr Eure Form der Ästhetik entwickeln und leben könnt.
LZ: Kann man sagen, dass Du heute Kraft aus Deinen vermeintlichen Nachteilen ziehst?
Mia: Auf jeden Fall! Ich habe meine Nachteile zu meinen Vorteilen gemacht, die mich schon weit gebracht haben.
LZ: Womit verdienst Du heute Dein Geld?
Mia: Ich bin derzeit in Teilzeit als Kunstpädagogin eingestellt und unterstütze Kinder in Ihrer Entwicklung. Mein Schwerpunkt ist Kreativität und ästhetische Bildung, zum Beispiel in der Atelierarbeit oder im normalen Alltag. Ich bereite die Kinder mit pädagogischen Spielmaterialen und auch gewöhnlichen Alltagsgegenständen auf die kommenden Lebensabschnitte vor. Ansonsten arbeite ich als Model oder fertige Auftragsarbeiten für Theater, Film und Privatpersonen wie Larpgewandungen und Accessoires an.
LZ: Wie bringst Du das alles in Deinem Leben unter?
Mia: Alles eine Sache des Timings. Ich erhalte zum Glück viel Unterstützung von meinem besten Kumpel und von meinem Freund. Die beiden unterstützen mich, wo sie nur können. Egal, ob sie einfach ein bisschen Orga-Kram von mir übernehmen, an meiner Website rumschrauben oder mich einfach mental aufbauen. Ansonsten ist es ein Spagat zwischen normalem Arbeitsalltag und meinem außergewöhnlichen Hobby.
LZ: Du stammst gebürtig aus Bayern, erwähntest aber, dass es Dich häufig nach Ostdeutschland zieht. Warum?
Mia: Generell bin ich überall in Deutschland und manchmal darüber hinaus unterwegs. Es zieht mich häufig zu sogenannten Lost Places. Diese findet man häufiger in Ostdeutschland als etwa in Bayern. Das sind Orte wie aus einem Postapokalypse-Film oder -Videospiel. Es können verlassene Häuser, Fabrikhallen oder Bahnhöfe sein, die seit vielen Jahren kaum ein Mensch betreten hat. Sie verfallen langsam und die Natur holt sich die Orte zurück.
Ich genieße die Stille an diesen Orten, die Farbenpracht und Strukturen, die in rissigen Mauern und Böden entstanden sind. Es gibt dort wild wuchernde Pflanzen und ab und an auch Wildtiere, die kurz durch ein ehemaliges Wohnzimmer huschen. Diese Orte sind für mich reine Energie, vollkommene Inspiration, Erholung, aber auch etwas Adrenalin – zum Beispiel bei großen Löchern im Boden – in einem.
LZ: Das Faible für diese Orte sieht man in Deinen Fotos. Ist die Postapokalypse Dein Lieblingsgenre im Larp oder hast Du so etwas nicht?
Mia: Doch, ich würde schon sagen, dass Postapokalypse gekoppelt mit Horrorelementen mein Lieblingsgenre ist.
LZ: Du nimmst nicht nur an Live-Rollenspielen teil, sondern veranstaltest dann und wann eigene. Ist schon wieder etwas geplant?
Mia: Bisher habe ich zusammen mit Freunden erst ein Live-Rollenspiel gemacht, ein Postapo-Horror-Einladungscon an meinem letzten Geburtstag. Ich muss aber noch viel lernen und erst noch einige weitere kleine Einladungscons veranstalten, bis ich vielleicht etwas Öffentliches wagen kann.
LZ: Zurzeit kann man Dich auf Youtube in der Postapocalypse-Serie Green Sanctuary bewundern. Um was geht es und wer hatte die Idee dazu? Wie ist der aktuelle Stand?
Mia: Es handelt sich um eine PostapoWebserie bestehend aus zehn Folgen zu je fünf bis sieben Minuten. In der Geschichte geht es um eine Siedlung, deren Wasserpumpe ausgefallen ist. Sie muss unbedingt repariert werden. Das einzige baugleiche Teil befindet sich aber in einer anderen Wasserpumpe, die in einem verschütteten Bunker steht. Man kommt nur noch durch sehr enge Luftschächte hinein, durch die höchstens ein Kind passt – oder ein kleiner Erwachsener. Da kommt der Hauptcharakter, genannt Nano (von mir dargestellt), ins Spiel.
Die Idee dazu haben mein bester Kumpel Hendrik und ich entwickelt. Unterstützt werden wir von einem tollen Team: Kameramann Valentin Walther, Cutter und Postproduction Supervisor Tilman Schulz, die Band Victorja und Arvid Mahler, der uns mit der Audio, dem Mastering und unseren Darstellern unterstützt. Im Moment sind wir bei Folge 4 angekommen. Folge 5 steht in den Startlöchern. Jeden Monat erscheint eine weitere Episode.
LZ: Ist in der Richtung aktuell noch mehr geplant?
Mia: Ja, wir planen noch weitere Projekte, das nächste wird ein Horror-Kurzfilm, mehr möchte ich an dieser Stelle aber noch nicht verraten.
LZ: Welche Pläne stehen bei Dir ansonsten noch auf der To-Do-Liste?
Mia: In erster Linie die komplette Selbstständigkeit. Ich möchte in den nächsten Jahren versuchen, den Absprung zu schaffen und von meiner Kunst, Auftragsarbeiten, Filmprojekten und so weiter leben zu können. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen, die mich hierbei schon so kräftig unterstützen und denen, die das zukünftig noch machen werden!
LZ: Kannst Du unseren Lesern als Profi ein paar coole Schmink-Tipps für das nächste Con geben?
Mia: Achte auf ausreichend Licht im Zelt oder Deinem Lager, nimm Dir zur Not eine große Taschenlampe oder einen Akkuscheinwerfer mit, denn nichts ist nerviger, als ungenügend Licht zu haben. Achte auch auf einen ausreichend großen Spiegel, in dem Du Dein Gesicht vollständig sehen kannst. Hochwertige Schminkfarben machen Dir das Leben leichter. Gib lieber ein paar Euros mehr aus, Du wirst den Unterschied deutlich merken.
Hochwertige Farben enthalten mehr Pigmente, werden kräftiger, Du brauchst weniger davon und es wird ein gleichmäßiges Farbergebnis. Selbiges gilt auch für Pinsel und Schwämmchen. Das Wichtigste: Übe Dein Make-up zuvor zu Hause einige Male in einem ruhigen Umfeld, damit Du ein Gespür für den richtigen Farbauftrag bekommst. Teste unterschiedliche Schminkutensilien wie Schwämme, Pinsel, Wattestäbchen oder Applikatoren. Achte auf die Zeit, damit Du in etwa abschätzen kannst, wie lange Du auf einem Con für Dein Make-up benötigst, um zum Beispiel als NSC rechtzeitig zu Deiner Spielszene zu erscheinen.
Text: Laura Richter
Bilder: Frank Mühlbauer, Thomas Kilian
und Mike Brandenburg (Highpassion Photography)
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de