Eigentlich hatten mehrere Gruppen Reisender der Einladung eines Chevaliers folgend geplant, gemeinsam zum Sonnenwend-Fest in dessen Heimat aufzubrechen. Doch der Winter brach schneller als gedacht über sie herein und so fanden sich die Spielenden statt in einem rauschenden Festsaal auf einem kleinen Hofgut im Gebirge wieder. Bald schon dämmerte es der kleinen Gruppe jedoch, dass der Gutsherr, welcher ihnen Unterschlupf gewährte, mehr als nur ein dunkles Geheimnis hüten musste …
Die erste Veranstaltung der neu gegründeten Legenden von Toussaint-Orga entführt die Spielenden in ein von den The Witcher-Geschichten inspiriertes Reich. Doch anstelle des märchenhaften Kernlandes, das von bunter, von der Renaissance inspirierten Architektur geprägt ist, erweckte die Orga die von zerklüfteten, unwegsamen Gebirgen gesäumte Grenzregion des kleinen Reiches zum Leben.
Schon bei der Anreise sahen sich die Reisegesellschaften mit diesen unwirtlichen Begebenheiten konfrontiert. Während eine Gruppe unheimliche Laute aus dem Wald vernahm und die Silhouette einer mysteriösen Frauengestalt in fast pechschwarzer Nacht doch deutlich erkannte, geriet die andere in einen Überfall durch Banditen, der erfolgreich zurückgeschlagen werden konnte.
Auf dem Gut war der Empfang durch den Hausherrn kühl und schroff – ganz anders, als sich die Anwesenden das Märchenherzogtum ausgemalt hatten.
Zu allem Überfluss erreichte die versammelte Gesellschaft beim Abendessen die Kunde, dass die umliegenden Pässe durch den Wintereinbruch gänzlich unpassierbar waren.
Im Netz düsterer Legenden
Ganz im Stil populärer Gruselgeschichten fanden sich die Spielenden also auf einem von der Außenwelt abgeschnittenen Anwesen wieder, von dem es kein Entrinnen zu geben schien.
Hinter vorgehaltener Hand sprach das Personal des Hofgutes davon, dass ihr Herr sich in den letzten Monaten zum Schlechten verändert hatte. Er sei grausam geworden, brutal sogar, ohne dass die Bediensteten wirklich zu sagen wussten, wie es dazu gekommen war. Sie mutmaßten, die Veränderung ihres neuen Herrn könne vielleicht im Zusammenhang mit dem frühen Tod seiner Gattin stehen.
Außerdem treibe etwas im Wald sein Unwesen, dem eine engagierte Hexerin Einhalt gebieten sollte, die bislang jedoch erfolglos sei.
Am ersten Abend zeigte sich eine ganz in schwarz gewandete weibliche Erscheinung. Nicht alle, darunter der Hausherr, konnten sie wahrnehmen. Allerdings schien die Gestalt friedlich. Stattdessen gelang es den anwesenden SCs, mit ihr in Kontakt zu treten. Sie erfuhren, dass sie Marie war, die verstorbene Frau des Gutsherrn. Nach und nach fanden sie Gegenstände, die der Toten gehört hatten, und gaben ihr mit diesen Stück für Stück ihre Fähigkeit zu sprechen sowie ihre menschliche Gestalt zurück.
Doch Marie blieb nicht die einzige Gestalt, die den Gutshof heimsuchte. Gleich mehrere monströse und aggressive Geistererscheinungen attackierten die Spielenden des Nachts, konnten allerdings erfolgreich in die Flucht geschlagen werden.
Doch selbst diese Bedrohungen schien der Hausherr nicht anerkennen zu wollen, die er als Gewäsch und Aberglaube abtat.
In finsterer Nacht erschollen Kampfeslärm und unmenschliches Kreischen aus dem Wald hinter dem Hof, wo die Hexerin im Kampf mit einer Kreatur gesichtet wurde. Hexerin und Kreatur verschwanden jedoch, bevor die Spieler sie erreichten.
Was blieb, waren zahllose Fragen und Hinweise auf dunkle Schreine im Umland, von denen die Hexerin wohl einen zerstört hatte.
Der erste Morgen
Der Morgen nach einer für einzelne SCs von Alpträumen geplagten Nacht begann der Wesensveränderung des Gutsbesitzers. Er verprügelte einen seiner Bediensteten, weil er ihm vorwarf, die Hexerin ohne sein Einverständnis engagiert zu haben. Die Gäste beschlossen, der Situation auf den Grund zu gehen und die wirren und bedrohlichen Geschehnisse dieses Landstriches zu erforschen. Dies schien umso wichtiger, da sich nicht wenige kampfunerprobte und ohne Rüstung oder Waffen reisende Personen befanden: Barden, Künstler, eine Apothekerin, feine Damen aus dem Süden und die Bediensteten.
Während ein Teil der Gruppe sich intensiv mit der Ergründung des Schicksals von Marie beschäftigte, die nur noch einmal mit ihrem Mann zu tanzen wünschte, zog eine weitere aus, um das Umland zu erkunden.
Dort gerieten sie ein weiteres Mal in Kontakt mit den Banditen, konnten einen Handel mit ihnen schließen, denn die Briganten waren keine überzeugten Gesetzlosen. Vielmehr handelte es sich bei ihnen um ehemaliges Personal des Hofgutes, dem Lohn und Essen durch den Gutsherrn vorenthalten worden war, und das sich darum entschlossen hatte, ein anderes Auskommen zu finden.
Zurück auf dem Hofgut setzte man sich gegenseitig ins Bild. Eine kleine Gruppe brach derweil in das Arbeitszimmer des Hausherrn ein, um dieses nach weiteren Erkenntnissen zu durchsuchen.
Erste Hinweise
Während die Barden ein Lied einstudierten, um die untote Marie zu erlösen, begaben sich die Kämpfer zum vereinbarten Treffpunkt mit den Briganten. Wie sich herausstellte, standen die Wegelagerer im Bann eines eigentümlichen Findlings. Von ihm beeinflusst griffen sie die SCs trotz der vorangegangenen Vereinbarung an.
Als alles Zureden scheiterte, entschieden sich die Streiter schweren Herzens dazu, die verzauberten Angreifer zu erschlagen. Anschließend versuchten sie, die an einen Altar erinnernde Steinformation mit reiner Körperkraft zu zerstören, scheiterten jedoch.
Durch ein Gebet, gerichtet an die Herrin des Sees, die im Herzogtum verehrte Göttin der Ritterlichkeit, gelang es letztlich, die Macht dieses unheiligen Artefakts aufzulösen, das zersprang. Der Bann war gebrochen.
Mit Bedauern um die Toten, aber mit Zuversicht ob der gebrochenen Macht des Schreins im Herzen kehrte die Gruppe zum Hof zurück, um darüber zu beratschlagen, wo sich ein letzter Findling befand, um auch dessen dunkle Magie zu brechen.
Die Grübeleien wurden jedoch durch einen auftauchenden Werwolf unterbrochen, der die Abenteurer attacktierte. Mit Mühe und Not gelang es ihnen, die Kreatur zu erschlagen. Zuvor wies der Werwolf ihnen noch den Weg zum letzten Schrein, der durch ein Gebet zerstört werden konnte.
Eine größere Macht
Doch das Übel war damit nicht vertrieben. Alles Erlebte schien an eine ganz konkrete Macht gebunden zu sein: die Skogsra – eine Kreatur, die Menschen in der Gestalt einer schönen Frau erschien, um sie zu verführen. Sie ging Pakte ein, die große Macht verleihen konnten, forderte als Tribut für ihre Hilfe allerdings Menschenopfer.
Aus den erbeuteten Unterlagen folgerten die Spielenden, dass der ehemalige Gutsbesitzer, Vorgänger ihres Gastgebers, der Liebhaber der Skogsra war. Er liebte sie ebenso sehr, wie er das Foltern und Morden genoß. Sein gewaltsamer Tod vor über einem Jahr hatte das mächtige Waldwesen erzürnt.
Unter Aufbieten aller Fertigkeiten gelang es, die Kreatur in ihrer wahren monströsen Gestalt zu stellen und zu überwältigen.
Dabei wurde ein seltsames Ei gefunden, welches der amtierende Gutsherr an sich nahm und es als „sein Kind“ in Sicherheit bringen wollte. Die Spielenden zerschlugen das Ei jedoch. Zurückblieb ein am Boden zerstörter Gutsherr.
Abschließende Aufklärung
Um abschließend die unheimlichen Vorkommnisse im zerklüfteten Gebirge zu ergründen, begaben sich die Spielenden zurück zum Gutshof und in die privaten Räumlichkeiten des Gutsherrn.
Im ehemaligen Tanzsaal vermuteten sie abschließende Informationen über das Schicksal des vorigen Gutsherrn und sein Verhältnis zur Skogsra. Stattdessen begegneten sie dort dem auf Rache und Blutvergießen sinnenden Geist des alten Hausherrn, begleitet von einem Gefolge mordlüsternder Gespenster. Auch diese Heimsuchung konnte letztlich gebannt werden und alle Geister Frieden finden.
Die schwer gezeichnete Gesellschaft verbrachte den Rest der Nacht gemeinsam in der Taverne und am Lagerfeuer, wo sie ihre Verletzungen versorgten und einen ruhigen Ausklang der Zusammenkunft mit Musik zu Feuerartistik und mit einem Umtrunk feierten. Eine überraschende Besucherin brachte Kunde davon, dass die ersten Pässe doch unerwartet schnell von Eis und Schnee befreit werden konnten – einer Abreise am nächsten Morgen stand nichts länger im Wege.
Der Rahmen des Spiels
Legenden von Toussaint war ein Abenteuer-Con, das seine zahlreichen Kreaturen und Kampfszenen bewusst immer dann einsetzte, wenn die Spielenden ein Puzzleteil mehr gefunden hatten, um die Geschichte des Ortes nach und nach zusammenzufügen. Somit waren Kämpfe und die Mythologie des Spielortes eng miteinander verwoben.
Marie und die Geistererscheinungen brachten die inhaltliche Richtung sowie die Auswahl übernatürlicher Bedrohungen frühzeitig ins Spiel. Ob Alptraum-Szenen für ausgewählte Spielende, die fremdgesteuerten Briganten, Werwolf, die Skogsra selbst oder auch der Rachegeist des alten Gutsherrn: Alle Monster und Gruseleffekte sind so in die Handlung integriert worden, dass sie durch ihr Auftauchen sowie Interaktion mit den Spielenden den Erzählstrang durch zusätzliche Erkenntnisse vorantrieben.
Entsprechend dicht, aber ein wenig geführt fühlte sich der Ablauf dadurch an.
Mit Marie gab es einen Plot, den nicht auf Kampf oder auf Fingerfertigkeiten ausgelegte Charakterkonzepte durchaus alleine lösen und sich mit der daran geknüpften Liebesgeschichte emotional verbinden konnten.
Allerdings waren beide Spielangebote zeitlich knapper bemessen als die Kampfsituationen.
Dabei muss man der Orga zugutehalten, dass sie sich für nicht eingeplante Spielideen friedlicher Natur offen zeigte und diese belohnte: Die Spielenden waren darauf bedacht, kooperativ zu spielen, was insbesondere für in-time Zivilisten die Möglichkeit bot, als „zu beschützende Begleitung“ die Kampfsituationen mitzuerleben sowie sich in deren Vorfeld und Nachspiel einzubringen.
Gelände und Ausstattung
Das Gelände passte wunderbar zum angestrebten Ambiente einer isolierten Umgebung. Die bewaldeten Berghänge stellten ein schönes und herausforderndes Terrain für Expeditionen und Kämpfe dar, waren allerdings für Vollgerüstete anspruchsvoll zu bewandern.
Der Hof verfügt über einen eher rustikalen Charme, was gut zum Konzept eines Gutshofes in den Bergen passte. Die Gruppenschlafräume sind beheizt, die Betten in bekannter Jugendherbergsqualität.
Hervorzuheben ist Verpflegung durch das Team von Teufelsküche, die nicht nur gut, reichlich und auf alle Ernährungsweisen angepasst gewesen ist, sondern den gesamten Tag über wurden Snacks in Form von Obst und bei Dezemberwetter willkommene Heißgetränke zur Verfügung gestellt. Liebevoll gestaltete Props und Ausstattung illustrierten den Handlungsbogen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die verfluchten Schreine einschließlich der Pyro- und Lichttechnik, die bei ihrer Zerstörung sowie dem Auftreten der Skogsra zum Einsatz kamen.
Alles in allem war es ein gelungenes Abenteuer-Con, dessen auf Dichte des Ambientes sowie Bedrohlichkeit der Lage abzielende Handlung von der eher kleinen Gruppe an Spielern profitiert hat und trotz winterlicher Temperaturen angenehm zu spielen war.
Weitere Veranstaltungen der frisch gegründeten Orga sind in Planung und werden wahrscheinlich ab 2026 stattfinden.
Text: Mircalla Tepez
Bilder: Enya, Calle Plantiko
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de