Verzweifelt, fast schon verbittert suchten in den letzten Larp-Saisons einige Veranstalter nach NSCs. Immer wieder ging es darum, dass sich das Hobby so verändert habe und niemand mehr bereit sei, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Ich habe darüber viel nachgedacht. Der NSC-Mangel betrifft hauptsächlich Plot- und Schlachtencons. Während Larps im Sandbox-Szenario aufgrund des anders gelagerten Spielkonzepts kaum Probleme haben, NSCs zu finden, haben es Orgas der klassischen Plot-Larps oft schwer. Wird es tatsächlich immer schwieriger, NSCs zu finden? Wenn es so ist, woran kann das liegen?
Ist der NSC-Mangel wirklich Neu?
NSC-Mangel gab es auch früher schon – aber vielleicht nicht so stark? Schon immer galt im Larp: Das Spielerlebnis für NSCs ist völlig anders als das für SCs. Der Hauptunterschied liegt in der Immersion. Als Spielerin kann ich rund um die Uhr in die Welt eintauchen und in meinem Charakter bleiben. Auf NSC-Seite sind es meist nur kurze Einsätze, unterbrochen mit langen out-time Zeiten. Selbst GSCs (Geführte Spielercharaktere), die fast die ganze Zeit im Charakter bleiben, können nicht so tief ins Spiel eintauchen. Sie müssen immer das Plotbuch, den Zeitplan und die Ziele im Hinterkopf behalten und sich außerdem mit anderen NSCs und der Spielleitung besprechen. Das muss nicht schlecht sein, aber das Erleben der Veranstaltung ist doch anders.
Ein weiterer großer Unterschied ist die Aufteilung in Sieger und Verlierer. Zum Grundaufbau von Rollenspielabenteuern gehört es, dass die Spielerinnen und Spieler die Heldentaten vollbringen, Bedrohungen besiegen und in kleinerem oder größerem Maß die Welt retten oder ihre eigenen Ziele erreichen. Am Ende läuft es fast immer wenigstens auf einen Teilsieg für die Spielerschaft hinaus. Das gehört dazu, wenn die Spielerinnen und Spieler nicht völlig frustriert nach Hause gehen sollen. Umgekehrt bedeutet das aber, dass man als NSC automatisch auf der Verliererseite steht. Man arbeitet der Spielerschaft zu, damit diese am Ende siegreich sein kann, was nicht für alle attraktiv ist. Natürlich gibt es Menschen, die seit vielen Jahren begnadete und begeisterte NSCs spielen und damit das Ganze am Laufen halten. Meine tiefste Hochachtung und Dankbarkeit dafür! Aber ich habe auch viel Verständnis dafür, dass das nicht für jeden etwas ist.
NSC-Mangel gab es jedenfalls schon immer. Schon zu meiner Anfangszeit vor über 20 Jahren waren die Spielerplätze immer schneller vergeben als die NSC-Plätze. Jeder kennt die zweifelhaften Bedrohungen, bei der sich 50 Spielerinnen und Spieler den Wellen aus den immer gleichen sieben Orks entgegenstellen müssen. Ein neues Problem ist der NSC-Mangel also wirklich nicht, und trotzdem habe ich den Eindruck, dass sich das Problem zuspitzt.
War früher alles besser?
Larp hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Das ist einfach so, ob man es gut findet oder nicht. Es ist nicht mehr diese kleine eingeschworene Gemeinschaft, in der sich angeblich alle kannten und sich gegenseitig geholfen haben. Das Hobby ist größer, bunter, anspruchsvoller, offener, vielseitiger und massentauglicher geworden. Ich persönlich liebe das. Aber es gibt natürlich Aspekte dieser Veränderung, die sich auf das NSC-Problem auswirken können. Spoiler: Dass früher alles besser war und alle viel netter zueinander waren, gehört nicht dazu. Ich sehe eher diese Faktoren:
Leichterer Einstieg für Larp-Neulinge
NSC zu sein ist ein klassischer Einstieg ins Hobby. Man wird stärker geführt, muss nicht die komplette Ausrüstung anschaffen und sich nicht gleich für einen eigenen Charakter entscheiden, und man kann sich zwischendurch immer wieder aus der Spielsituation zurückziehen. Kein Wunder also, dass Neulinge gerne als NSC beginnen. Nun sind in den letzten Jahren aber auch die Hürden für andere Einstiege kleiner geworden. Viele Larp-Gruppen beziehen gerne neue Spielerinnen und Spieler mit ein und unterstützen sie nach Kräften. Das gab es auch früher schon. Aber im Gegensatz zu den frühen 2000ern findet man über die sozialen Medien viel leichter Anschluss an solche Gruppen, auch wenn man nicht zufällig Larper im Freundeskreis hat.
Höhere Ansprüche, auch an NSCs
Umgekehrt sind die Ansprüche an das Spiel deutlich gestiegen, auch was die NSCs angeht. In meiner Larp-Anfangszeit ging eine grün angemalte Person noch problemlos als Ork durch, und man schrie beim Kampf die Waffenwerte durch die Gegend. Zum Glück haben sich die Ansprüche an Gewandung, Ambiente und gutes Spiel seitdem stark weiterentwickelt. Das bedeutet aber auch, dass dieser höhere Anspruch genauso für NSCs gilt. Das macht die Hemmschwelle gerade für Neulinge größer und erhöht außerdem den Aufwand vor der Veranstaltung, um Ausrüstung anzuschaffen und sich in die Rollen einzudenken.
Andere Lebenssituationen vieler Larper
Als ich mit Larp angefangen habe, tummelten sich dort vor allem junge Leute, die noch in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium steckten. In Lebensphasen also, in denen man vergleichsweise viel Zeit und wenige Verpflichtungen hat und außerdem körperlich belastbar ist. Heute ist die Spielerschaft diverser. Viele Larper sind älter geworden, haben Familien gegründet, pflegen vielleicht Familienmitglieder und/oder stecken in anspruchsvollen Berufen. Das hat mehrere Konsequenzen: Zum einen können viele ihrem Hobby deutlich seltener nachgehen, als sie es sich wünschen, und wollen dann die wenigen Veranstaltungen in ihrer Spielergruppe und in tiefer Immersion verbringen. Zum anderen sinkt mit zunehmendem Alter (und damit einhergehenden Wehwehchen) die Bereitschaft, sich als NSC verprügeln zu lassen oder ähnliche körperlich anstrengende Rollen zu spielen.
Was können Orgas unternehmen?
Die gestiegenen Ansprüche und veränderten Rahmenbedingungen auf allen Seiten bedeuten auch, dass Veranstalter an vielen Stellen umdenken müssen. Wenn sich keine NSCs finden lassen, bedeutet das nicht, dass alle Larper doof und egoistisch sind. Es bedeutet, dass das Angebot für NSCs im Vergleich zu einem Spielerplatz nicht attraktiv genug ist. Das kann unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel unzureichende Kommunikation im Vorfeld, zu hohe Kosten für NSCs, uninteressante NSC-Rollen, respektloser Umgang durch Orga und/oder Spielerschaft und so weiter. Es gilt also herauszufinden, auf welche Weise es attraktiver wird, sich als NSC anzumelden.
Frühzeitig kommunizieren
Ein Punkt, an dem es häufig hakt, ist die Kommunikation bei der Suche nach NSCs. Bevor ich mich entscheide, als NSC auf eine Veranstaltung zu gehen, muss ich eine Menge wissen: Was wird von mir erwartet? Welche Art von Rollen werde ich spielen? Welche Ausrüstung brauche ich dafür, was wird gestellt? Werde ich nur zwischendurch kurz eingesetzt oder bin ich viel im Spiel? Soll ich bis spät in die Nacht oder schon sehr früh am Tag verfügbar sein? Gibt es für mich eine Verpflegung oder muss ich mich selbst versorgen?
Wenn ich selbst koche, sind dann Pausenzeiten eingeplant? Je besser die Rahmenbedingungen und Anforderungen kommuniziert werden, umso eher können potenzielle NSCs beurteilen, ob das Angebot für sie passt oder nicht. Deshalb sollten diese Informationen schon bei der Ausschreibung zu finden sein. Es reicht nicht, „Wir suchen NSCs“ zu schreiben und zu hoffen, dass begeisterte Horden der Orga die Türen einrennen.
Übrigens: Keine Sorge, dass zu viel zur Spielerschaft durchsickert. Es genügt sehr häufig, Dinge zu umschreiben oder Kategorien zu nennen. Wichtig ist, dass Interessierte sich ein gutes Bild machen können. Für Details genügt es, eine Ansprechperson für genauere Infos zu nennen. Am Ende ist es wichtiger, dass genügend motivierte NSCs vor Ort sind, als dass die Spieler schon irgendeine kleine Info haben.
Funktionierende Rahmenbedingungen
Essen, Trinken, Pausen, Unterkunft, Preis … Die Rahmenbedingungen sind enorm wichtig, damit NSCs motiviert sind, Spaß haben und ihre Rollen gut spielen können. Und: NSCs, die einmal frustriert waren, kommen wahrscheinlich kein zweites Mal. Deshalb sind gut funktionierende Rahmenbedingungen entscheidend. Dazu gehören zum Beispiel diese Faktoren:
- eine gute Verpflegung oder klare Pausenzeiten, in denen die NSCs in Ruhe kochen und essen können
- möglichst geringe Kosten für NSCs (im Zweifel auf die Spielerschaft umlegen, deren Spiel ja auf genügend gute NSCs angewiesen ist)
- Orte, an denen sich die NSCs aufwärmen, umziehen, schminken und ausruhen können
- Bereitstellen der notwendigen Ausrüstung und/oder Unterstützung im Vorfeld, wenn sich NSCs selbst um Gewandung und so weiter kümmern sollen
- genügend erfahrene und gut gebriefte SLs als Koordinatoren und Ansprechpartner der NSCs im Vorfeld und vor Ort
- klare Kommunikation und Planung, damit die NSCs sich nicht ständig unnötig verfügbar halten müssen
- respektvoller, wertschätzender und entspannter Umgang miteinander
Spieloptionen zwischen den Einsätzen
Auf den meisten Veranstaltungen gibt es Phasen, in denen die NSCs über längere Zeit nichts zu tun haben. Ob das abends nach Plotende ist oder zwischendurch: Es ist super, wenn NSCs in diesen Zeiten trotzdem ins Spiel gehen und damit viel stärker Teil des Ganzen werden können. Die pure „Erlaubnis zum Dorfspiel“, wie die verbreitete Lösung dafür lautet, ist nicht immer gut geeignet. Sie funktioniert nur dann, wenn es einen dichten Hintergrund gibt, den die NSCs frühzeitig kennen und mit dem sie wirklich ins Spiel gehen können. Gibt es diesen nicht, ist es fast unmöglich, einen überzeugenden Einheimischen zu spielen, weil man auf die einfachsten Fragen nicht antworten kann.
Es bleiben dann also fast nur dümmliche Rollen, die von nichts eine Ahnung haben, aber auch kein schönes Spiel für sich und andere generieren können. Ein gut ausgearbeiteter und frühzeitig kommunizierter Hintergrund ist also eine Möglichkeit, um während der Einsätze echte Spieloptionen zu schaffen. Eventuell können die einzelnen NSCs sogar feste GSC-Rollen bekommen, die sie außerhalb ihrer konkreten Einsätze einnehmen können. Eine weitere Alternative ist, dass NSCs eigene Charaktere mitbringen und in diesen Zeiten spielen können, sofern sie ins Setting passen. So oder so sollten die NSCs schon im Vorfeld Informationen bekommen, ob und wie sie in Leerlaufzeiten spielen können.
Attraktive NSC-Rollen
Einfach nur als schlecht geschminkter, namenloser Ork von den Spielern verprügelt zu werden, klingt nicht besonders reizvoll. Je spannender die geplanten Rollen sind, umso schneller finden sich Leute, die Lust darauf haben, sie zu spielen. Es lohnt sich also, Zeit und Mühe in die Erstellung interessanter NSC- oder GSC-Rollen zu investieren, eventuell gleich zusammen mit den geplanten Personen.
Wichtig: Das sollte mit möglichst viel Vorlauf geschehen. Sonst haben die NSCs kaum eine Chance, sich in die liebevoll ausgearbeiteten Rollen einzudenken und vielleicht passende Ausrüstung herzustellen.
Den Spielspaß ernst nehmen
NSCs sind keine Dienstleister, sondern Teilnehmer, die an der Veranstaltung genauso viel Spaß haben sollten wie die Spieler. Eine gute Orga sollte deshalb unbedingt im Blick behalten, wie es ihren NSCs gerade geht. Sind sie motiviert oder hängen sie lustlos herum? Gibt es vielleicht Konflikte mit Spielern, SLs oder anderen NSCs, die geklärt werden sollten? Wie sieht es mit der Wertschätzung ihres Einsatzes aus?
Ein wichtiger Aspekt dabei: Die SL oder Orga sollte unbedingt eingreifen, falls die NSCs von den Spielern respektlos behandelt werden. Leider kommt es nicht so selten vor, dass SCs sich unpassend verhalten, indem sie zum Beispiel zu hart kämpfen und eigene Treffer nicht ausspielen oder gegenüber NSC-Adeligen viel unverschämter werden als zu ähnlichen SC-Rollen. Hier sehe ich die Orga in der Pflicht gegenzusteuern.
Anpassung des Spielkonzepts
Der Plot sah eigentlich Horden von Untoten vor, aber es gibt nur neun passende NSCs? Dann funktioniert dieser Plan nicht und das Spielkonzept sollte rechtzeitig angepasst werden. Wenn es nur wenige Gegner gibt, müssen diese umso mächtiger sein, um eine Bedrohung darzustellen. Sie sollten also Fähigkeiten haben, die die SCs unter Zugzwang setzen und nicht mit ein paar zusätzlichen Schwerthieben gelöst werden können. Die schon am Anfang erwähnten immer wiederkehrenden kleinen Wellen sind für die Spieler keine echte Bedrohung, dafür aber extrem anstrengend und frustrierend für die NSCs. Sucht deshalb nach alternativen Lösungen, auch wenn dafür der ursprünglich geplante Plot umgeschrieben werden muss. Noch mehr konkrete Tipps für Orgas im Umgang mit NSCs findet ihr in LARP-zeit #75. Es lohnt sich, dort noch einmal nachzulesen.
Text: Birgit Oppermann
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de