Island, nicht nur die Heimat der Wale und der Papageientaucher. Zwischen 872 und 930 n.Chr. kamen über 10.000 Nordmänner aus Skandinavien auf die Vulkaninsel in unmittelbarer Nähe von Grönland. Eisstürme, karge Lavalandschaften und dauernde Erdbeben machten die Besiedlung schwer, selbst für die hartgesottenen Wikinger. Von Island aus startete Leif Eriksson, der mit einem einzigen Drachenboot nach Vinland in Amerika aufbrach und es viele Jahrhunderte vor Columbus für den Handelsweg entdeckte.
In Islands Fjorden und Bergen liegt die Wiege der Edda verborgen. Die Sagen um Odin, Thor und Loki wollen nie verstummen, und Totengöttin Hel lockt noch immer Krieger an ihre mit Schädeln gedeckte Tafel. Die Insel mit der nördlichst gelegenen Hauptstadt der Welt ist stark beeinflusst von den Legenden der Skandinavier. Fast in jedem Souvenirladen und in jeder Boutique sind Andenken mit Runen, Wikingern oder Booten zu finden.
Gleiches gilt für hochwertige Läden mit Fellen und Waffenreplika. Einige LARPer und Reenacter kennen Nordic LARP bereits in Verbindung mit dem Knutepunkt an dem sich fast alle nordischen Länder beteiligen. Da es auch in Skandinavien viele unterschiedliche Sprachen gibt, gilt Englisch meist als offizielle LARP-Sprache. Das Regel- und Punktesystem ist oft untergeordnet, es gilt vornehmlich Du kannst, was Du kannst. Oft sind die Grenzen zwischen Reenactment und LARP fließend. Schwerpunkt der Plots sind meist Nordmänner, Trolle und Feenwesen.
Seit Mitte der 90er Jahre findet jährlich in Hafnafjördur in der Nähe von Reykjavik eines der großen Viking Feasts des Nordens statt, dessen Mittelpunkt aus Wettkämpfen und dem Fjörukain, dem Nordic Haus, besteht. Dass so hoch im Norden im Sommer die Sonne niemals untergeht, verleiht dem Viking Feast ein ganz besonderes Flair.
In Viking Village befindet sich das Viking Hotel, ein originalgetreuer Nachbau alter isländischer Stabhäuser, in dem auch das Nordic Culture Haus untergebracht ist. Neben einer Schmiede und einer sehr aufwändig gestalteten Feierhalle und Taverne befindet sich auch eine von Zeichnungen und Fellen geschmückte Grotte. Die Speisen und Getränke werden von gewandetem Personal gereicht. Die Nahrung ist etwas gewöhnungsbedürftig, da es in Island nicht ungewöhnlich ist, Schafshirn zu essen.
In diesem Jahr(2006) waren Spieler und Besucher sehr gemischt, die zwei Wochen rund um die Mittsommernacht feierten und spielten. Zum Programm gehörten neben den zahlreichen Handwerkern und Händlern aus Schweden, Grönland und England mit Fellen, Waffen und Gewandungen auch Barden und Handleser, sowie Wollkämmerer und Krämer. Beeindruckend waren vor allem die Showkämpfe, die mehrmals am Tag stattfanden, und das traditionelle Bogenschießen. Die deutsche Sippe Bernsteinring bot nicht nur Holzschnitzereien und Schilde feil, sondern war an allen drei Wochenenden auch aktiv am harten Kampf und am anschließenden Plot in der Taverne beteiligt.
Suart, Rollo, Rafnar, Eric der Rote, Sigurd, Seta, Grisolf, Ute und zahlreiche Freunde trafen auf Kämpfer aus Grönland, Schweden, Finnland und vor allem auf die film- und kampferprobte Truppe der Jomsborg Elag aus London. „Unser bunter Haufen besteht schon über 13 Jahre, wir fahren zu Cons, zu Festen und zu Märkten, sind jedoch zum ersten Mal in Island dabei. Wenn auch erst die Umgebung gewöhnungsbedürftig ist, so sind alle Kämpfer außerordentlich fair, und wir verstehen uns mit allen Gruppen absolut gut“, erzählt Pawel aus Magdeburg. „Sehr interessant ist außerdem, dass die eigentlichen Isländer auf Gewandungen und Waffen immer noch sehr erstaunt reagieren und uns hier für eine Art Sekte halten“, lacht der erfahrene Krieger.
Benny Braten aus Oslo ist mit einer Truppe von Freunden zum Fest gereist und spielt einen Skalden, der unheimliche Lieder der Götter und Heldenepen an der Tafel des Jarls singt. Auch er ist das erste Mal in Fjörukain, „aber bestimmt nicht das letzte Mal“, wie er grinsend betont. Dean Hobbs dagegen, der den Styrsman verkörpert, ist schon schlachtenerprobt und hat als Stuntman unter anderem im Film Gladiator mitgewirkt.
„Mein Interesse galt schon immer der nordischen Geschichte, und seit ich meine erste Kampfshow gesehen habe, wusste ich, dass ich auch dazugehören muss“. Das Besondere daran: „In dieser Mischung aus LARP und Reenactment gilt als üblicher Plot, dass du überlebst und anschließend in der Halle ordentlich feiern gehst.“ Das Viking Feast ist nicht nur aufgrund der Verwendung echter Waffen eine ganz besondere Art Live-Rollenspiel. Die Teilnehmer agierten tagsüber als Darsteller vor Publikum, und abends und nachts spielten sie ihren Plot. Über die Vorführungen erspielen sie sich freie Kost und Logie.
Elly Kloppe,
Marja Kettner
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de