Obwohl der Begriff Journalist nicht geschützt, sein Berufsfeld breit und damit das, was einen Journalisten kennzeichnet, sehr unterschiedlich sein kann, gibt es ganz klassische Vorstellungen, wie der Charaktertyp eines Journalisten und das ihn umgebende Genre zu sein hat. Meist bewegen wir uns in einem moderneren Setting, beispielsweise 1880, Steampunk, Alternate Reality oder Science-Fiction. Der Journalist ist gebildet, hauptberuflich schreibt und recherchiert er, besitzt detektivisches Interesse und eine gewisse Sensationslust. Ist so ein Charakter neugierig und berichtet von ungezählten Reisen oder politisch motiviert und wird von der einen oder anderen Regierung als Aufwiegler gesucht?
Vermutlich wird er immer in der Öffentlichkeit stehen, schon alleine durch das, was er schreibt. Gebildet, wissensdurstig, penetrant, charismatisch, wortgewandt, idealistisch, wahrhaftig, mitunter scham- und skrupellos, verbissen – all das sind Charakteristika, die man gut mit dem Charaktertyp des Journalisten in Verbindung bringen kann. Gleich ob als Vorkämpfer für die Rechte der Mitmenschen, ehrlicher Aufklärer oder gewissenloser Sensationsreporter, die Rolle braucht Verbindungen und Kontakte, sucht Freunde, hat Feinde und ist außerordentlich reizvoll zu spielen.
Grundsätzlich kann man Journalisten bei einem höfischen Bankett ebenso vermuten wie bei einer Expedition oder in einem Kriegsgebiet. Sie können Adelstreffen und Stadtszenarien unsicher machen, sich in geheime Organisationen einschleichen, Vampiren auf der Spur sein oder die Ausgrabung der versunken Akademie zu Xyn-Xyn begleiten. Ihre Vielseitigkeit ist die große Stärke der Rolle.
In diesem Artikel sollen Spielanregungen abseits der bekannten Pfade geboten werden, indem wir die Geschichte der Nachrichten und der Zeitungen beleuchten.
Cäsar und seine Mitteilungen
Wer hat`s erfunden? Die Römer!
Wir verdanken ihnen abgesehen vom Aquädukt, den sanitären Einrichtungen und den schönen Straßen auch noch die Zeitung. Und wem genau? Julius Cäsar!
Cäsar hat nicht die erste Zeitung geschrieben, aber er hat, ganz Medienpolitiker, als Führer der Volkspartei, wie Sueton sagte, dafür gesorgt, dass die Inhalte der nicht öffentlichen Senatsverhandlungen einem großen Publikum zugänglich gemacht wurden. Und zu diesem Zweck ließ er im Jahr 59 vor Christus auf Papyrus die Acta diurna (Tagesberichte) schreiben und öffentlich anschlagen. Zwar geht man heute davon aus, dass diese Berichte tatsächlich nicht täglich erschienen, trotzdem sind sie das erste tägliche Nachrichtenblatt.
Es hat sich übrigens lange gehalten, letztmals erwähnt wird ihr Aushang im Jahr 222 nach Christus. Die Nachrichten wurden auch schnell erweitert: Wichtige Ereignisse im Jahreslauf mit Namen der Beteiligten und Informationen aus amtlichen oder privaten Briefen wurden hinzugefügt. Eben jene weichen Nachrichten, besser bekannt als Klatsch. Diese Nachrichten wurden dann privat abgeschrieben und in Umlauf gebracht. Auch wenn der Aushang in Rom selbst gemacht wurde, lassen sich seine Informationen bis in die entlegenen Provinzen nachweisen.
Im Auftrag des Geldes – Kaufmannsbriefe
Noch deutlich bevor die beweglichen Lettern von Johannes von Gutenberg erfunden wurden, hatte sich in den größeren spätmittelalterlichen Städten eine Schicht wohlhabender Kaufleute gebildet, die über weite Distanzen Fernhandel trieben. Um die Marktlage an den von ihnen belieferten Handelsorten beurteilen zu können, hatten sie Informanten, meist Familienmitglieder oder Angestellte, die ihnen Berichte schrieben. Ein gutes Beispiel ist der Hansekaufmann Hildebrand Veckinchusen (ca. 1370 bis 1426), von dem mehr als 500 Briefe erhalten sind.
Zu Beginn dieser Entwicklung wurden diese Nachrichten per Warentransport gesendet, doch für den Fernhandel des späten Mittelalters kann man schon von einer länderübergreifenden Kaufmannspost sprechen, der solche Briefe anvertraut wurden. Im 15. Jahrhundert waren die großen Bankund Handelshäuser Europas bereits vernetzt. Mit der Verbreitung des Papiers im 14. und 15. Jahrhundert, auch dank der Kaufleute, die Papiermühlen bauen ließen, stand ein preiswertes Medium zum Beschreiben zur Verfügung, das das teure Pergament verdrängte. Der Schriftverkehr wuchs. Marktschiffe und Metzger transportierten die Briefe ebenso wie städtische Botenanstalten. Bald bildeten sich eigene Verlage für Kaufmannsnachrichten. Sie hatten Korrespondenten in den verschiedenen Handelsstützpunkten, die regelmäßige Berichte schrieben. Vom Verleger wurden diese dann zusammengefasst, Abschriften angefertigt und an einen festen Kundenstamm verkauft. Man nannte sie Nachrichten, Avisi oder auch Zeydung.
Für das LARP bietet diese Art der Korrespondenz für einen Spieler einen klaren Auftrag. Wer lebt hier? Welche Güter werden benötigt? Womit treibt man in dieser Gegend Handel? Nennen wir seine Arbeit einfach Wirtschaftsspionage. In jedem Fall bietet dies eine gute Gelegenheit, um mit allen möglichen Charakteren ins Gespräch zu kommen, auf einem Söderland-Con zum Beispiel, wo man geheimen Informationen zufolge sogar Schafe befragen kann.
Bedeutende Handelshäuser hatten ihre eigenen Schreiber für die Avisen, besonders berühmt wurde die Fuggerzeitung. Zwei Brüder aus dem mächtigen Kaufmannsgeschlecht Fugger von der Lilie ließen in den Jahren zwischen 1568 und 1605 eine Sammlung geschriebener Zeitungen zusammenstellen. Sie umfasst 16.021 Stück, ist archiviert und öffentlich zugänglich. In ihnen sind die Nachrichten der damals bekannten Welt zusammenfasst.
Und diese hatten ein weites Einzugsgebiet, sie kamen aus Antwerpen, Rom, Venedig, Köln, Lyon, Wien oder Prag. Sogar Berichte aus Indien und dem Nahen Osten sind darunter zu finden.
Die Agenten (Novellanten) zeichneten sich durch Diskretion, Lebenserfahrung, gute Kontakte und hohe Loyalität aus, wie der professionelle Schreiber Branchiero. Auch standen die Agenten in Konkurrenz zueinander oder versorgten wie der Novellant Doktor Giovanni Paolo Castellino verschiedene Auftraggeber mit wöchentlichen Berichten.
Dabei ist der Inhalt vielschichtig, Naturphänomene finden sich ebenso wie Kriegsberichte. Die Zeitung aus Wien von 1592 weiß etwa über ein Scharmützel zwischen Grenztruppen und den Osmanen zu berichten, kann vermelden, dass man fünf Kanonen erbeutet hat. Daneben erwähnt sie anhaltende Erdbeben und einen blutroten Himmel über Wien oder auch einen mit einer Botschaft ins Osmanische Reich entsandten Priester, der zum Islam übergelaufen ist.
An einem anderen Tag wird neben zahlreichen Details über fürstliche Truppenaushebungen vermerkt, wie adlige Ladendiebe versuchten, einen Plattner zu bestehlen. Wieder ein anderer Bericht bestätigt die Zerstörung der spanischen Armada mit erstaunlich guten Informationen über die aktuellen Ereignisse, geschätzte Verluste und ausgesandte Boten. Der Zeitungsschreiber bewegte sich am Puls der Zeit. Ob er sich auf die Reise gemacht hat, um im Krisengebiet die Grenztruppen zu begleiten? Sein Interesse ist nicht allein wirtschaftlich, wenn auch der wirtschaftliche Nutzen des von ihm vermittelten Wissens im Vordergrund steht.
Hatte er seine Quellen überall in der Stadt, vor allem in den Häusern der Mächtigen? Woher wusste er, wer welche Boten ausgesandt und welche Nachrichten geschrieben hatte? Welche Kleider der Fürst zur Beerdigung seiner Mutter in Auftrag gegeben hatte und von woher die Stoffe dafür importiert waren? Wie konnten seine Nachrichten noch nutzbringend zeitnah seine Auftraggeber erreichen?
Auch abseits der höfischen Vergnüglichkeiten im LARP gibt es genug Potenzial, um sich mit Charakteren zu unterhalten. Braucht die Edle von Eichenstein vielleicht indische Seide für ihr neues Kleid? Nein? Aber im Nebligen Imperium soll es Stoffe geben, die derart verzaubert sind, dass sie von selbst leuchten, damit die Damen und Herren beim Tanz nicht zusammenstoßen.
Damit könnte man ein schönes Sternenscheinkleid ... Ach, der Herr war schon im Nebligen Imperium? Alles nur Gerüchte? Wird das Erspielte als Zeitungsartikel zusammengefasst, haben auch Spieler etwas davon, die in der Situation nicht zugegen oder nicht auf der Veranstaltung waren. Dabei kann der Artikel durchaus einseitig verfasst sein. Vielleicht ist man auf den einen oder anderen Charakter nicht gut zu sprechen oder möchte gemeinsam mehr Konflikt spielen, wenn man bestimmten Rollen begegnet.
Auch den vierten Überfall durch Räuber auf derselben Veranstaltung könnte man gut in einem kleinen Artikel über die Ordnung der Landesherrschaft verarbeiten. Den könnte die Spielleitung auf ihrer Homepage zur Verfügung stellen oder beim nächsten Con auslegen. Gerade für das Kampagnen-Spiel ist es interessant, auf die Nachrichten aus den Vorgänger-Veranstaltungen zurückgreifen zu können.
Es war historisch üblich, sich mit solchen Avisi kurz zu fassen. Der Durchschnitt der Berichte mit verschiedensten Themeninhalten lag bei ein bis zwei Seiten wöchentlich, von Hand geschrieben. Mehrere Spieler mit ähnlichem Rollenkonzept könnten eine gemeinsame Zeitung gründen. Sie müssen dafür nicht gemeinsam auf den gleichen Cons sein. Das Blatt kann via Internet anderen Spielern und Spielleitungen geschickt und so verbreitet werden. Auch die Aktualität ist relativ. Eine aktuelle Zeitung konnte im Mittelalter durchaus von Ereignissen berichten, die zwei Jahre zurücklagen. Das änderte sich auch nicht mit dem Ausbau des Postwesens.
Ab die Post
Weil Nachrichten für nahezu jeden mit Rang und Einfluss von hohem Interesse sind und waren, entwickelten sich im Lauf des 14. und 15. Jahrhunderts erste Nachrichten-Staffetten von Deutschland ins Reichsitalien. Im Herzogtum Mailand existierte dieses System von Reiter- und Pferdewechsel vor dem Jahr 1400, in Frankreich gegen Ende des 15. Jahrhunderts.
Das effektivste Nachrichtennetz seiner Zeit wurde von der Familie von Taxis gegründet, genauer von Janetto von Taxis aus Bergamo, der sich beim deutschen König und späterem Kaiser Maximilian I. verdingte, seine Familie mit ins Boot holte und ein weitreichendes Kuriernetz von den burgundischen Niederlanden bis nach Italien und Spanien aufbaute. Wer das namensgleiche Brettspiel kennt, hat das schon einmal gesehen.
Dies ist die Geburtsstunde der Post, deren täglicher Postweg im Jahr 1516 beachtliche 166 Kilometer bewältigen konnte.
Private Post, am Anfang heimlich mitgenommen, später mit Gebühren belegt, finanzierte bald den Ausbau der Strecken. Weil jeder Post haben will, gibt es bis heute eine gewisse offizielle Transportsicherheit. Theoretisch sogar im Krieg, denn die Post gilt als neutral. Praktisch sah es meist anders aus.
Die Postmeister an den Stationen wurden zu Zeitungern. Sie schrieben die Nachrichten nicht, sie sammelten sie, schrieben sie ab und vervielfältigen sie. In einer Woche schaffte ein geübter Schreiber zwanzig Exemplare dieser aus zwei Bögen bestehenden Nachrichtenblätter.
Die wurden dann verkauft – ganz exklusiv, an ausgewählte Abonnenten, reiche Geschäftsleute und Adlige. Nicht ohne Grund tragen viele Tageszeitungen noch heute den Begriff Post, Kurier oder Blatt im Titel, was an ihre Anfangstage erinnert.
Daneben gab es die Neuen Zeitungen, regelmäßig zu bestimmten Anlässen erscheinende Druckschriften. Sie hatten das große Zeitungsformat, Initialen und Überschriften und konnten eine bis zwanzig Seiten umfassen. Allerdings hatten sie mit den Tagesnachrichten nichts gemeinsam. Sie waren so aufwändig und teuer in der Herstellung, dass es sie zwar regelmäßig aber selten gab. Gelehrte waren die Verfasser und sie waren durchweg an ein vermögendes und gebildetes Publikum gerichtet. Das erste dieser Blätter, bei dem man den Begriff Zeitung findet, stammt aus dem Jahr 1502. Es ist ein mit Holzschnitten, Illustrationen, Initialen und Zierornamenten geschmücktes Druckwerk, in dem politische, kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse der letzten Zeit zusammengefasst wurden. Sensationen standen dabei deutlich im Vordergrund. Am ehesten ist es mit einem Jahrbuch zu vergleichen.
Für das LARP ist solch eine Zeitung als Hintergrund eine schöne Idee für den reisenden Gelehrten, der erklären muss, warum ihn sein Weg an diesen oder jenen abgelegenen Ort geführt hat. Mit einem Reporterdasein und dem Ausspielen von Journalismus hat es wenige Gemeinsamkeiten.
Geburtsstunde eines Massenmediums
Als erste gedruckte Wochenzeitung lassen sich die seit 1605 erscheinenden Nachrichtenblätter des Johann Carolus aus Straßburg ausmachen. Selbst ein erfahrener Zeitunger, hatte er sich nicht nur ein Informationsnetz entlang der Postwege aufgebaut. Seine grandiose Neuerung lag vielmehr in der Anschaffung gleich dreier Druckerpressen und dem Erwerb des Rechtes, die vorher handschriftlichen Avisi als Druckwerk wöchentlich herauszugeben und öffentlich zu verkaufen.
Damit begann eine grundlegende Veränderung. Was zuvor wegen des Preises und der geringen Auflage nur Wenigen zur Verfügung gestanden hatte, wurde durch Carolus für eine viel größere Leserzahl zugänglich.
Überträgt man dies auf das LARP, könnten Reporter Verlautbarungen aus dem Land und Teile der Hintergrundbeschreibungen als Berichtsammlung mit sich herumschleppen. Wie kostbar ein Spieler ist, der sich an den Einladungstext erinnert, können viele SLs bestätigen.
Die Spielleitung kann entsprechend Informationen bereitstellen, die dann über die Nachrichtensammler verbreitet werden können. Man kann sich ein Pflichtenheft zulegen und Aufträge abarbeiten, vorher festgelegte Informationen einholen und diese dann weitergeben.
Technisch gesehen kann man vor Ort moderne Texterkennungsprogramme verwenden, um das, was der Reporter gesammelt hat, einzuscannen, „in Druck“ zu geben und auf der gleichen Veranstaltung als Zeitung zu verteilen. Vielleicht gewährt man Reporter-Spielern dafür etwas Zeit man Rechner der Orga.
Kriegsberichterstattung
Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller.
(Heraklit)
Betrachtet man den wilden Mix von Fantasy-Reichen in der LARPwelt, die alle eigene kriegerische Konflikte und gewalttätige Krisen haben oder dieses Thema mit- einander bespielen, dann bietet sich als Beispiel aus der Geschichte das 17. Jahr- hundert geradezu an.
Mit dem Jahr 1618 beginnt für Europa, besonders für das deutsche Reichsgebiet, eine Zeit voller kriegerischer Auseinandersetzungen. Mindestens dreizehn Kriege, später zusammengefasst als Dreißigjähriger Krieg, verheerten das Land, hinterließen große Zerstörungen und hatten oftmals katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung. Und das war nur der Anfang. Es folgten weitere Kriege im Ostseeraum, den Niederlanden, Spanien, Frankreich, Italien – weit bis ins 18. Jahrhundert hinein.
Alle fanden mit großer internationaler Beteiligung statt. Die Unsicherheit war entsprechend groß und der Bedarf an Informationen über die politische Lage enorm.
Damit unterscheidet sich das historische Szenario kaum vom Science-Fiction- oder Endzeit-Genre oder einer Fantasy-Welt nach einer verheerenden Dämonenbegegnung. Man findet verödete Landschaften, geflohene und verängstigte Zivilisten, es gibt zahlreiche Bedrohungen: alte Minenfelder, Soldateska oder marodieren- de Monster. Die Umwelt ist feindlich, die Ressourcen sind knapp und Informationen unglaublich wertvoll.
1673 nennt der Drucker Felsecker seine neu herausgebrachte Zeitung Teutscher Kriegs Currier. Zwar wird das Blatt sieben Jahre später in Wochentlicher Friedens- und Kriegs-Currier umbenannt, Schwerpunkt der Zeitungsinhalte dieser Zeit blieb aber unverändert die Kriegsberichterstattung.
Die erste französische Zeitung La Gazette entsteht durch den Einfluss des bekannten Kardinals Richelieu, der sie zu Propagandazwecken nutzen wollte. Sie erschien passend zum französischen Kriegsbeitritt gegen den deutschen Kaiser. Trotzdem ist ihr Herausgeber, Théophraste Renaudot, eine herausragende Persönlichkeit. Als Arzt, Visionär und Menschenfreund gilt er mit seiner Zeitung als Begründer des modernen Journalismus, viele der von ihm verwendeten journalistischen Textformen wie Bericht und Kommentar werden bis heute verwendet. Auch die Zeitungsannonce hat Renaudot erfunden.
Wie verhält sich der Nachrichtensammler im Krieg? Versucht er eine neutrale Position einzunehmen und versorgt alle Beteiligten mit Informationen? Lässt er sich für Falschmeldungen gut bezahlen? Was ist mit den Informationen, die die Spielleitung zur Verfügung stellt, in diesem Fall? Sind sie für die Charaktere glaubwürdig? Die ganze Zeitung kann ja durchaus gekauft sein und wird schon von einer Seite kontrolliert …
Spielen mehrere Spieler Reporter, müssen sie nicht der gleichen Zeitung angehören, das bringt Würze in das Spiel. Während des Dreißigjährigen Krieges beispielsweise kam es zu zahlreichen Zeitungsgründungen, bisweilen mit konkurrierenden Blättern in derselben Stadt.
In der Mitte des 17. Jahrhunderts finden sich rund zwei Dutzend Zeitungen, am Ende des 17. Jahrhunderts sind bereits etwa 60 Blätter nachweisbar. Heutige Schätzungen gehen von 24.000 gedruckten deutschsprachigen Exemplaren aus, die 240.000 Menschen erreicht haben könnten – ein Viertel der Menschen, die damals lesen konnten. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung waren des Lesens nicht mächtig und damit keine Zeitungskunden ...
Dem LARP-Reporter steht damit eine im Verhältnis viel größere Leserschaft zur Verfügung. Denn selbst wenn die Charaktere nicht lesen können, die Spieler können es höchstwahrscheinlich.
Die Verbreitung der Nachrichten blieb in der Hand der Drucker und Postmeister, entsprechend lag es im Interesse der krieg- führenden Parteien, diese auf ihrer Seite zu wissen – Neutralität hin oder her.
Die Umsetzung in an- deren Genres
Für einen Reporter abseits des Fantasy- Bereichs gibt es einiges zu tun, betrachtet man etwa die Cons in der Jetztzeit oder im Science-Fiction-Bereich.
Man kann über die moderne Technik so- gar Spieler beteiligen, die überhaupt nicht persönlich auf der Veranstaltung sind, oder könnte verschiedene Veranstaltungen miteinander vernetzen.
Man kann ein Tablet benutzen und erhaltene Informationen mit der Hand schreiben, um sie direkt in druckbaren Text verwandeln zu lassen. Man kann einen Blog schreiben, Daten auf einen USB-Stick packen, Fotos machen oder Datenträger verstecken. Das ganze Informationspaket kann per E-Mail verschickt werden. Vorbereitete und unter Umständen verzerrte Film- und Tonsequenzen können die Spieler auf eine Fährte locken und so weiter und so fort.
Erbaulich und kurios, verboten!
Während die Zeitreise des Artikels zu Ende geht, steht das Printmedium am Ende des 17. Jahrhunderts erst an seinem Beginn. In dieser Zeit entwickelten sich die ersten Zeitschriften, zunächst oft als Beilage zu den Nachrichten. Sie werden jedoch schnell eigenständig, sind zwar nicht tagesaktuell, haben aber eine Redaktion und fassen verschiedene Themen zusammen: Wissenschaft, Kultur, Boulevard – Erbauliches eben. Auch hier stehen Merckwürdigheiten und remarquable Seltenheiten im Vordergrund. In Wien werden zum Beispiel Nachrichten vom Hof herausgegeben.
Es entwickeln sich Fachzeitschriften für Medizin, Recht, Gartenbau oder Literatur. Politische Zeitschriften werden gegründet, verboten, zensiert und neu gegründet.
Journalisten wandern in dieser Zeit für ihre Arbeit und ihre Erkenntnisse ins Gefängnis. Die Glücklicheren unter ihnen kommen, an Körper und Seele gezeichnet, erst viele Jahre später wieder frei. Der Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart etwa verschwindet für seine herrschafts- und sozialkritischen Schriften in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Teutsche Chronik ohne Gerichtsverfahren für knapp zehn Jahre in Festungshaft.
Das ist eines der Risiken dieses Berufs, das in manchen Gegenden unserer Welt bis heute besteht. Wie die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen meldet wurden allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres 19 Journalisten und neun Online-Aktivisten und Bürgerjournalisten getötet und 174 Journalisten und 162 Online-Aktivisten inhaftiert.
Für unsere Spielwelten haben wir dagegen das Glück, dass alles auf Spielfreude und Vereinbarung basiert. Gefangenschaft ist ein Spielszenario und selbst das Risiko eines verfrühten Ablebens des Charakters im Einsatz sollte den Spielern Freude und ein erinnernswertes Ereignis bereiten.
Text: Corinna Vanvlodorp
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de