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ConQuest 2022

Rückkehr nach Mythodea

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Kategorie: Veranstaltungen

Die Winde der Magie, sie tosen um Ankor. Kraft aus dem Nabel der Welt wurde mit sphärischer Gewalt vor die Mauern des gewaltigsten Untoten Bollwerks gezerrt. Die Luft um diesen Ankerpunkt knistert nahezu, begehrt auf und ebbt wieder ab. Terra, ganz und gar verblendet durch Hass gegen den Untod, strömt drumherum grünes, giftiges Gas aus, im verzweifelten Versuch, alles und jeden an diesem verfluchten Ort zurück in den Kreislauf zu zerren! Besatzergeister kreischen im Äther, gieren nach den reinen, lebendigen Seelen, die schon bald hier aufschlagen werden, um sich für ein alles entscheidendes Gefecht zu rüsten. Drumherum strömen die letzten Kräfte der Hexenmeisterin Cerenna in die Mauern, um ihren geliebten Barnabas zu tarnen und sein Herz zu schützen. Sein auf wundersame Weise noch schlagendes Untotes Herz, welches wahrscheinlich den Schlüssel birgt, die Stadt der Untoten in den Boden zu versenken.

Mehr als 15 Jahre lang zog es jeden Sommer Tausende Larper in den kleinen Ort Brokeloh in Niedersachsen zum ConQuest … bis dann erst 2020 und später 2021 die Veranstaltung aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste. Dabei hatte das vermutlich größte Con der Welt gerade erst eine andere Krise überwunden, nachdem die ausrichtende Firma vor der Pleite stand und vom Larp-Ausstatter Burgschneider übernommen worden war. In diesem Sinne gab es im August 2022 einen doppelten Neustart: Zum einen erlebten die SCs endlich eine Rückkehr auf den geheimnisvollen Kontinent Mythodea. Zum anderen konnte das Live Adventure-Team unter neuer Leitung zum ersten Mal zeigen, ob es in der Lage ist, dieses Großevent nicht nur zu stemmen, sondern auch neuzugestalten. So viel kann schon jetzt verraten werden: Trotz vieler Stolpersteine, die auf dem Weg auftauchten (darunter eine galoppierende Inflation und ein unglaublich heißer Sommer), ist es gut gelungen – sicher auch dank der knapp 600 ehrenamtlichen Helfer, die eine Veranstaltung dieser Dimension erst möglich machen.

Es gab vor Ort zunächst einmal eine gewohnt gute Logistik mit flüssigem Check-in, ausreichend sanitären Anlagen und einem umfangreichen Tross voller Tavernen, Händler und interessanter in-time Institutionen. Inhaltlich richtete sich der diesjährige Feldzug der SCs gegen die Stadt Terra Ankor, eine Festung, die von einer der NSC-Fraktionen der Kampagne gehalten wurde: den Heerscharen des Untoten Fleisches. Diverse Schlachten mussten geschlagen und Questen erfüllt werden, bevor die verfluchte Stadt mit ihren Bewohnern für immer im Sumpf versank … und dabei Platz machte für einen neuen, vielleicht noch schrecklicheren untoten Feind, der die SCs in den nächsten Jahren beschäftigen dürfte: den wiedererweckten König Garvan, der ein Heer der lebenden Toten um sich sammelt.

Endlich wieder Mythoda – da gab es durchaus die eine oder andere Befürchtung, dass ausgehungerte Teilnehmer untertrainiert, aber dafür überenthusiastisch aufeinanderprallen würden. Doch ob die Hitze die Teilnehmer träge gemacht hat oder NSCs und SCs nach zwei Jahren Zwangspause einfach etwas vorsichtiger (oder unsicherer?) in die Schlachten gingen – die Kämpfe wirkten weniger verbissen als in früheren Jahren, und es scheint weniger Unterbrechungen aufgrund von out-time Verletzungen gegeben zu haben. Das soll nicht ausschließen, dass es sicherlich viele Fälle gab, in denen Menschen rücksichtslos und zu hart mit ihren Mitspielern umgesprungen sind (oder sich selbst leichtsinnig in Gefahr gebracht haben), aber insgesamt war die Entwicklung positiv. Die Johanniter, die das Event als Sanitätsdienst begleiten, meldeten in ihrem abschließenden Bericht deutlich weniger Einsätze als in früheren Jahren.

 

 

Neuerungen

Neue Ansätze gab es reichlich. Die am stärksten ins Auge fallende Neuerung dürfte das neue Regelwerk gewesen sein, das in diesem Jahr galt. Es enthielt nur noch sehr überschaubare Regeln zu Spielmechaniken und setzte in vielen Aspekten auf DKWDDK und einen Opferregel-Ansatz. Zudem gab es viele Hinweise zum erwünschten Spielstil. In der Spielerschaft wurde es etwas zwiespältig aufgenommen, da es erst kurz vor dem Spiel veröffentlicht wurde. Wer wollte, durfte sich weiterhin am alten Regelwerk orientieren. Dennoch hat es offenbar gut funktioniert und gezeigt, dass auch Großveranstaltungen auf komplexe Regelwerke mit (sowieso nicht kontrollierbaren) Fertigkeitssystemen und Erfahrungspunkten verzichten können.

Zudem probierte die Orga in diesem Jahr ein Konzept aus, bei dem die SL nicht mehr in deutlich als out-time erkennbaren T-Shirts, sondern in Gewandung auftrat. Damit sie trotzdem bei Bedarf weithin in ihrer Funktion erkennbar blieben, führten sie als auffälliges (aber nicht direkt als out-time herausstechendes) Merkmal gelbe Taschen und/oder Tücher mit. Dieses System hat überraschend gut funktioniert. Die SLs verschmolzen einerseits optisch stärker mit dem Spielhintergrund und waren trotzdem inmitten von Menschengruppen gut erkennbar.

Um auf dem Schlachtfeld koordinierend in Kämpfe eingreifen zu können, wurde eine Nebel-Mechanik eingeführt. Mit Hilfe von Nebel erzeugender Pyro wurden sichtbare und großflächige Nebelwände erzeugt, die in-time als giftiges Gas galten, vor dem die SCs zurückweichen mussten. So konnten beispielsweise festgefahrene Situationen aufgebrochen werden, ohne auf out-time SL-Anweisungen oder angesagte, nicht dargestellte Effekte wie Erdstoß oder Druckwelle zurückgreifen zu müssen. Generell galt das Schlachtfeld vor den Toren der Untotenstadt als von giftigem Nebel gefährdet, der nur ab und an aufstieg. Die belagernden Armeen mussten sich daher zwischen den Schlachten immer wieder zurückziehen und konnten keine dauerhaften, gut befestigten Positionen errichten. Auch das dürfte der Spieldynamik eher gutgetan haben.

 

 

Plots waren auf diesem ConQuest sicher weniger komplex als bei früheren Veranstaltungen. Dafür waren sie leichter verständlich für Larper, die nicht seit Jahren tief in den Mythodea-Plot involviert sind, sondern einfach mal mitspielen wollten. Um das zusätzlich zu fördern, gab es, neben den verschiedenen NSC-Fraktionen als Informationsquellen und Questgeber, eine neue Mechanik zur Informationsstreuung: die Krähenmeisterei. Dabei handelte es sich um Anlaufpunkte in allen Lagern, über die sich in-time Botschaften per Krähen zwischen den verschiedenen Heerbannern der SCs hin- und herschicken ließen. Out-time waren sie eine weitere Anlaufstelle für Spielangebote und Wissensvermittlung. An manchen Stellen hakte das Angebot in diesem Jahr sicherlich noch etwas und war für manche Spieler vermutlich sehr ungewohnt. Das wird in kommenden Jahren vermutlich etwas runder laufen, und es dürfte bald mehr Spieler geben, die mit dem Potenzial dieser Mechanik herumexperimentieren werden.

Es gab eine Reihe Mitspieler, die den alten Verhältnissen nachtrauerten, und ebenso solche, die irgendwelche Schwächen im neuen Konzept überproportional für sich zu nutzen wussten. Für die meisten dürfte das neue System aber einfach nur gut und flüssig funktioniert haben.

Alles in allem war das ConQuest 2022 ein gelungener Neustart, der gespannt auf mehr macht. Ein kleiner Wermutstropfen für das kommende Jahr ist ein deutlicher Preisanstieg gegenüber den Vorjahren. Dieser geht laut Aussagen von Live Adventure insbesondere auf die aktuelle Inflation und die damit zusammenhängenden massiv gestiegenen Preise vieler Zulieferbetriebe zurück. Schon in diesem Jahr habe die Veranstaltung deshalb knapp 250.000 Euro Verlust gemacht. Trotz dieser Preissteigerung ist der Vorverkauf gut angelaufen. Die Geschichte Mythodeas ist also definitiv nicht auserzählt und wird 2023 weiterlaufen.

 

Text: Karsten Dombrowski

Bilder: Marc Wehrmann/Live Adenture

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