Eine wunderschöne, lang geplante Hochzeit, der Bürgermeister hält eine herzzerreißende Rede. Dann richtet er den Lauf seiner Waffe auf die Braut, drückt ab und richtet sich schließlich selbst. Fassungslosigkeit und Schuldgefühle hängen über der Stadt. Und das waren nur wenige der beeindruckenden Ereignisse von Forrest Town, einer Western-Larp-Convention, die epischen Erinnerungen schafft und bei der zumindest mein Alter Ego nicht gänzlich zur Ruhe kommt, wenn ich wieder im Real-Life ankomme.
Ich bin Slami, Vollblut-Larperin und mein Forrest Towner ist Amande Verboussiere, eine wahrhaftige und sehr wohlhabende Dame aus Frankreich, die nach Forrest Town kam, um ihren verschollenen Mann zu finden nur um hier widerliche Geheimnisse über diesen zu hören und auch zu erfahren, dass er das Zeitliche gesegnet hat. Sie war also nun Witwe, ohne Geld und gestrandet in dieser kleinen Western-Hölle. Seit drei Jahren nun ist Miss Amy in der Stadt und mit jedem Mal sinkt sie tiefer. Von der einst höflichen, feinen Dame ist kaum mehr etwas übrig. Hass, Angst und Gier zerfressen sie und bringen sie immer ein Stück mehr dazu, moralische und gesellschaftliche Grenzen zu überschreiten. Weit zu überschreiten. Wie lange sie, oder überhaupt ein noch so etablierter Charakter überleben wird, das weiß man in Forrest Town nie.
Wenn ihr ein Larp-Event sucht, das euch in den Wilden Westen mit all seinen Abgründen und Schönheiten entführt, dann ist das Forrest Town vermutlich eine gute Con für euch. In meinen inzwischen 7 Jahren als aktive Larperin, die sich schon in allen Genres und auf großen und kleinen Cons rumgetrieben hat, zählt das Forrest Town zu meinen festen Cons im Jahr. Keine Sekunde möchte ich mehr verpassen von dieser räudigen Western-Familie und jedes Mal wünschte ich mir, es würde nie enden.
Die Orga von Forrest Town (Grüße geh’n raus!) hat den wilden Westen studiert. Anders kann ich mir die Immersion, die jedes Mal auf diesem Event entsteht, nicht erklären. Jeder Charakter der kleinen Stadt wird von der Orga geschrieben: detailliert, mit schönen und schrecklichen Lebensereignissen, moralischen und religiösen Ansichten, persönlichen Zielen und Herausforderungen und Verknüpfungen zu anderen Spielercharakteren. So wird man direkt an die Hand genommen und kann sich voll in seiner Rolle verlieren.
Natürlich gibt es genug Spielraum, den eigenen Stil und die eigenen Vorstellungen auf den Charakter zu projizieren und alle Vorgaben und Ziele sind optional. So findet jeder seinen Weg in den Wilden Westen von Forrest Town und kann sich selbst, sein Alter Ego, die Stadt und die anderen Charaktere frei entdecken und erkunden. Und nicht nur die Vorarbeit ist nennenswert, auch die Tatsache, dass jedes Zahnrad der kleinen Orga mit auf dem Event ist und jede Sekunde im Blick hat, den Plot-Strang löst und anzieht und immer für unvergessliche Momente sorgt. Das Puppenspiel mit den Spielern und deren Charakteren ist ausgefeilt und wird beobachtet und immer weiterentwickelt. Die Leidenschaft der Orga für diese Con spürt man mit jeder Faser und lässt einen immer wiederkehren wollen.
Wenn ich nach Forrest Town komme, bin ich im Wilden Westen. In einer typischen kleinen Stadt, mit ihren kleinen liebevoll und stilecht verzierten Holzhäusern, einem Sheriffs Office mit Zelle, einer Bank, mit abgeteiltem Tresorraum und vielen Unterlagen zu den Geldbeständen der Bewohner und Besucher. Du findest einen Saloon, betrieben von Iren und so ranzig, urig und real, wie man es aus Filmen kennt. Du siehst die ewigen Bewohner ihr Leben leben: Wäsche aufhängen im Vorgarten oder Schmuck und Kinkerlitz handeln im kleinen Krämerladen. Wäre da nicht der dauernde Schatten von etwas Unbekanntem, der über der Stadt liegt oder die gierigen Blicke der lustvollen und nimmersatten Geschäftsmänner oder die deutliche Kluft zwischen Arm und Reich oder der ewige Kampf der Religionen könnte man hier in Frieden leben. Aber wer nach Forrest Town kommt, muss eben das ganze Paket nehmen.
Das nächste Spiel in der Western-Stadt findet vom 30.05-02.06.2024 bei Krefeld in der Western-Location „Forest-Ranch“ statt.
Weiter Infos unter: www.forest-town.de
Text: Sarah Lammers
Bilder: Philipp Resch