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Heilung im Wellness-Tempel

Ägyptische Götter und die Medizin

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Kategorie: News/Blog Sonstiges

Im Gegensatz zum Mittelalter war die Heilkunst der Antike weit fortgeschritten. Funde von filigranem Operationsbesteck und medizinischem Gerät (etwa aus dem unter Asche begrabenen Pompeji) zeugen von einer hoch entwickelten Medizin – auch wenn diese schnell und präzise sein musste, da sie ohne Narkose auskommen musste. Erkenntnisse, die erst tausende Jahre später bewiesen werden konnten, wie etwa der Gedanke, dass kleine Wesen in den Körper eindringen und ihn durch ihre Anwesenheit krank machen, stammen aus dem antiken Ägypten oder Griechenland.

Dennoch war die Medizin noch eng mit dem Glauben an die Götterwelt und die Magie gekoppelt. Entweder wurde eine Krankheit als Strafe eines Gottes angesehen oder ihre wohlmeinenden Gegenparts zur Heilung angerufen, eine Verbindung zwischen körperlichem Leiden und auch der Psyche (dem Glauben an etwas) war also ein Hauptbestandteil der Therapie, die ihren Ausdruck in komplizierten Ritualen fand.

Vor allem im alten Ägypten fand diese Verbindung ihre erste Blüte, der mystische Zauber der Religion und der zahlreichen Geheimnisse gerade dieser Kultur faszinieren die Menschen bis heute – und können durchaus eine kleine Inspiration für die eine oder andere „Kultur“ einer LARP-Welt sein ...

 

Ärzte waren im Pharaonenreich kein eigener Berufsstand, sondern verbunden mit der Berufung als Priester, sodass die Tempel auch als „Praxen“ fungierten etwa die bekannten Isis-Tempel in Behbeit el-Hagar im Nildelta, in Heliopolis, ihr verschleiertes Abbild in Sais oder auf Philae.

Damit verbunden war ein hohes Ansehen der Ärzte und Ärztinnen (Ägyptisch sunu und sunut), die in Ägypten in den Tempeln angeschlossenen Häusern des Lebens ausgebildet wurden. In Ägypten gab es schon regelrechte Fachrichtungen bei den Ärzten, die sich durch ihren Bezug zu einem bestimmten Gott definierten. Das soll nicht heißen, dass sich die Ärzte im alten Ägypten nur auf den Glauben an die Hilfe der Götter verließen.

Sie waren nicht nur mit Magie vertraut, sondern nutzten Heilpflanzen, kannten als erste die Bedeutung des Pulsschlages (Stimme des Herzens) oder versorgten fachmännisch Brüche und Wunden, wie der Papyrus Smith, der dem legendären Imhotep zugeschrieben wird, eindrücklich schildert. Sie nutzten Honig, der auch heute wieder für seine entzündungshemmende Wirkung bekannt ist, oder legten rohes Fleisch auf offene Wunden, das die Blutung stillte.

Diese therapeutischen Verordnungen des Arztes werden auf Alt-Ägyptisch schesa genannt, pecheret bedeutet so etwas wie Heilmittel oder Medikament. Dennoch ist die ägyptische Medizin (und später auch die griechische, die von dieser beeinflusst wurde) untrennbar mit dem Glauben an das Wirken der Götter verknüpft.

 

 

 

Seuchenbringer und Augenärzte

Vor allem die Gottheiten Isis, Horus, Thot und Sachmet waren in Ägypten mit der Heilkunde verbunden. Diese Verbindung beruht auf ihrem jeweiligen Mythos.

Isis, die im Laufe der Zeit zur größten Göttin Ägyptens aufstieg, wurde häufig von den Kranken um Hilfe angerufen, da sie durch ihre eigene Geschichte das größte Mitgefühl mit ihm und einiges an magischer Heilkunst bewiesen hatte. Denn sie als „Göttin des Lebens“ war es, die sich in der Unterwelt auf die Suche nach ihrem Gemahl/Bruder Osiris machte, der von ihrem düsteren Bruder Seth in vierzehn Teile zerhackt worden war. Isis fand die Teile, bis auf eines, das ein Fisch verschluckt hatte, und setzte den Geliebten wieder zusammen.

Ihre Opferbereitschaft und Willensstärke war für die Ägypter also ein gutes Zeichen, sie bei einer Erkrankung um Hilfe zu bitten. Thot, eigentlich ein Allround-Genie im ägyptischen Pantheon, konnte Horus ein beim Kampf mit Seth verlorenes Auge wieder einsetzen, kein Wunder also, dass er zum Schutzpatron der Augenärzte erhoben wurde. Das so genannte Udjat-Auge, das Auge der Gesundheit, oder auch Horus-Auge gibt es noch heute auf Amuletten, die nicht nur bei den Touristen beliebt sind. Die alten Ägypter hatten also im wahrsten Sinne ihre Gesundheit „im Auge“.

Sachmet mit dem Löwenkopf auf ihren Schultern ist eher eine düstere Göttin, die Botin des Todes und Göttin des Kampfes. Ihr wurde nachgesagt, dass sie die Menschheit vernichten wollte. Sie brachte die Seuchen in die Welt, in der Lebenserfahrung der Ägypter gehäuft zur jährlichen Überschwemmung des Landes durch den Nil. Doch auch sie wurde beschworen, um dem Tod und seinen Boten zu entkommen. Ihre Priester waren am häufigsten auch als Ärzte tätig.

 

 

Wellness-Tempel

Zentraler Ort des ägyptischen Gesundheitssystems war für die breite Masse der Tempel der jeweiligen Gottheit. Der Pharao hatte selbstverständlich seine Hofärzte. In den Tempeln wurden die Kranken auf verschiedene Arten wie oben beschrieben behandelt. Viele Therapien, die bereits im Medicus beschrieben wurden, waren Teil der ägyptischen Medizin (etwa Einlauf oder die Pflanzenheilkunde). Für die Anrufung eines Gottes zum Zwecke der Heilung war es aber wichtig, nicht nur einfach zu ihm zu beten, sondern es musste meist ein kompliziertes Ritual kombiniert mit komplexen Anrufungsformeln fehlerfrei durchgeführt werden, damit der Gott das Flehen erhörte.

 

Bei Osiris und Apis schau mich an – Tempelschlaf

Um dem Gott nahe zu kommen, war es üblich, den Kranken in einer Kammer im Tempel übernachten zu lassen. Sicherlich eine außergewöhnliche und mystische Erfahrung, vor allem im geschwächten Zustand einer Krankheit. Zweck des Tempelschlafs war es, einen Traum vom jeweiligen Gott zu erhalten, der eine Therapie beinhaltete, also das, was der Kranke nach dem Willen des Gottes tun musste, um sein individuelles Leiden zu kurieren. Die Kranken schliefen im Stockdunkeln, vielleicht wurden Kräuter verbrannt, die eine psychotrope (also drogenähnliche) Wirkung hatten. Man kann davon ausgehen, dass der Tempelschlaf ähnlich einer Trance während der Hypnose wirken konnte. Die erhaltenen Visionen bestimmten dann der Verlauf der Therapie.

 

Ägyptisches Kneippen – Magische Wasserkur

Wasser ist in vielen Kulturen ein Träger magischer Energie, so auch in der ägyptischen, die in enormem Maße von der Lebensader Nil abhängig war. In ägyptischen Tempeln wurden Becken unter den Statuen aufgebaut, die in einem langen Gang, der mit Beschwörungsformeln ausgemalt war, angeordnet waren. Die Statuen und Wände wurden unter dem Verlesen dieser heiligen Formeln und magischen Inschriften mit Wasser übergossen.

Das Wasser wurde in den Becken aufgefangen, denn durch die Berührung mit dem Magischen war nach dem Glauben der Ägypter die Kraft der Beschwörungen und dargestellten Götter in das Wasser übergegangen. Für den Kranken wurde mit diesem „magischen“ Wasser ein Bad bereitet.

 

Beschwörungsformel gegen die „Jahresseuche“

Im Papyrus Smith finden sich neben dem Wundenbuch auch einige Rezepte und Beschwörungsformeln, die sich meist darum drehen, die Plagegeister, die Sachmet mit der jährlichen Flut schickt, abzuwehren. Es bietet sich an, aus Hieroglyphentexten schöne Schriftrollen zu fertigen, die dem Kranken dann für das Ritual überlassen werden können und aus denen sich für ihn ein persönliches Heilritual abzeichnet. Gerade für die heiligen Zeichen der ägyptischen Schrift muss man kein ausgebildeter Sprachforscher oder Archäologe sein, denn sie sind ja mittlerweile recht gut erforscht und in zahlreichen Büchern zu fi nden (etwa bei Christian Jacq: Sag’s mit Hieroglyphen. Siehe Literatur).

 

 

Literatur

Elisabeth Brooke: Die großen Heilerinnen. Von der Antike bis heute. Econ, München, 1997.

Gisela Graichen: Heilwissen versunkener Kulturen. Im Bann der grünen Götter. Econ, München, 2004.

Peter W.F. Heller: Ärzte, Magier, Pharaonen. Mythos und Realität der altägyptischen Medizin. Engelsdorfer Verlag, 2008.

Christian Jacq: Sag’s mit Hieroglyphen: Lesen und Schreiben wie die alten Ägypter. Rowohlt, Hamburg, 2003.

 

Text: Anja Grevener

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