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Ritter

Dienst der Treue: Der Ritter als idealer Kämpfer

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Kategorie: News/Blog Tipps

Kaum etwas prägt unsere Vorstellung vom Mittelalter so sehr wie die Gestalt des Ritters. Und nicht nur im literarischen und fi lmischen Genre Fantasy streben die Titelhelden nach den Würden und der Ehre eines Ritters, auch auf den meisten Cons ist er ein beliebter und häufig zu findender Charakter.

Schon kleine Kinder lesen wie die Weltmeister über diese Helden, basteln sich Schwerter und Rüstung, finden so vielleicht auch ihren Zugang zu den fantastischen Welten des LARP – siehe Waldritter e. V.. Für viele ist das Rittersein ein Kindheitstraum. Aber es gehört mehr dazu, ein Ritter zu sein und ritterlich zu leben, als nur mit dem Schwert gut umgehen zu können und in der Taverne nicht gleich nach dem ersten Bier umzukippen. Untrennbar verbunden mit dem Begriff des Ritters ist das Lehen, denn damit nahmen die alten Rittersleut’ ihren Anfang.

 

 

Netzwerken in der Zeit der Völkerwanderung

Die Entwicklung des Ritters begann in der Zeit der Völkerwanderung. Fränkische Stämme mit ihren Anführern fallen ins Linksrheinische ein und erobern sich und ihrem Volk Land. Der Widerstand fällt eher gering aus, denn die Strukturen der römischen Provinzherrschaft zerfallen bereits allmählich. Die Anführer, die sich so ihr kleines Reich erobern, nennen sich „künic“, worin man unschwer das Wort König wiederfinden kann. Erst einmal heißt es aber lediglich, dass der Mann von edler Herkunft ist. Die Männer, die mit dem „künic“ in den Kampf gezogen sind, bekommen ihren Anteil an der Beute, der Kriegszug endet. Doch ein Land braucht eine Regierung und Verwaltung, will man es gegen fremde Eindringlinge verteidigen. Ein „künic“ brauchte also Verwaltungsbeamte und auch Krieger, die ihm zu Diensten waren. Um diese Menschen an sich zu binden, erfanden die Könige das System der Lehensvergabe. Sie verliehen ihren Männern Teile ihres Königreichs im Gegenzug zur Leistung von Kriegsund Verwaltungsaufgaben. Von den Einkünften dieses geliehenen Landes, des Lehens, kann der Krieger oder Beamte jetzt sein Leben bestreiten, verleiht es bei entsprechender Größe an Untertanen weiter, die ihm dadurch verpflichtet sind. Auf diese Weise entsteht bis hinauf zum König ein regelrechtes System von Abhängigkeiten und zu leistender Treue. ie einzelnen Lehen werden zu einem Verbund, in dem sich die Lehnsleute gegenseitigen Schutz versprechen und einander in Krisenzeiten beistehen. Im Grunde begaben sich die Lehnsleute, zumeist Adlige des Stammes, in Knechtschaft dem König gegenüber, der ganz oben an der Spitze der Macht- oder Lehenspyramide saß. Im Englischen erkennt man noch die se Bedeutung des Rittertums in der Bezeichnung „knight“ – Knecht. Dieses System nennt man auf Mittelhochdeutsch „dienst und triuwe“, Dienst und Treue. Allerdings kam es durch diese „Vernetzung“ oftmals zu Loyalitätsproblemen, denn ein Mann konnte durchaus mehrere Lehnsherren haben. Den Weinberg hatte er vom Herzog bekommen, sein Dörfchen aber vom König. Bekamen sich aber Herzog und König in die Haare, was nicht eben selten vorkam, saß der Lehnsnehmer zwischen den Stühlen. Wem beistehen? Durch solche Unsicherheiten und Streitigkeiten wurde Deutschland zu dem Flickenteppich, den man gemeinhin aus dem Geschichtsunterricht kennt. Die Franzosen und Engländer waren da etwas erfinderischer, oder zumindest hatten es die Könige geschafft, die Herzöge etwas in ihre Schranken zu weisen. Dort war jeder zuerst der Treue zum König verpflichtet, der schließlich der oberste Lehnsherr war, dann erst folgten die anderen Lehnsgeber. Frei musste ein solcher Krieger oder Beamter übrigens erst einmal nicht sein. Durch seine Arbeit für den König war er gebunden und gleichzeitig hoch angesehen. Mehr Infos zum Lehnswesen und Ideen, wie man dieses Konzept ins Spiel einbinden kann, finden sich im Artikel „Güter gegen Treue – Lehnsrecht im LARP“ ab Seite 25.

 

Die Ausrüstung musste sich der Krieger selbst besorgen

„Es wird dir hiermit bekannt gegeben, dass wir unsere Reichsversammlung in diesem Jahr in das östliche Sachsen einberufen haben. Wir befehlen dir, dass du mit all deinen Männern an den 15. Kalenden des Juli dorthin kommst. Deine Gefolgschaft muss vollständig ausgerüstet sein mit Waffen, sonstigem Kriegsgerät, Lebensmitteln und Kleidung. Jeder Reiter muss einen Schild, eine Lanze, einen Bogen und einen Köcher, gefüllt mit Pfeilen, bei sich haben. Vom Datum der Versammlung aus gerechnet, muss der Proviant für drei Monate reichen. Waffen und Kleider sind für ein halbes Jahr mitzuführen. Auf dem Weg zum Versammlungsort darf nichts vom Volk beansprucht werden außer Futter für die Pferde, Brennholz und Wasser.“ So lautete der Befehl Karls des Großen an Abt Fulrad von Saint-Quentin, der deutlich macht, mit welchen Kosten es verbunden war, ein Lehen bekommen zu haben. Schlachtross und Ausrüstung wie Schwert und Kettenhemd hatten den Gegenwert von 45 Kühen, zuzüglich der Kosten für die Ausrüstung der Kriegsknechte. Ein Lehnsmann war zuerst nicht unbedingt ein berittener Krieger, aber Erfindungen wie Steigbügel (den man sich bei den „barbarischen“ Steppenvölkern abgeschaut hatte) und Hufeisen veränderten die Art der Kriegsführung. Ein gut ausgerüsteter Reiter mit langer Stoßlanze war vorerst jedem Fußsoldaten überlegen, wie sich zum ersten Mal auf dem Ungarnfeldzug Ottos des Großen im Jahr 955 zeigte. Im Mittelalter selbst kam der Begriff Ritter erst recht spät auf. Zuerst wurden Krieger als „miles“ (Latein) bezeichnet, dann als „ritande“ (Althochdeutsch), auch wenn kein Pferd im Spiel war. Ab dem 12. Jahrhundert werden die berittenen Kämpfer dann als „rîter“ bezeichnet, und dieser Begriff, später mit einem zweiten „t“, wird zu einer Standesbezeichnung, mit der sich auch hochadlige Familien schmücken wollten. Damit verbunden war eine Art Ehrenkodex und Standesbewusstsein, das den idealen Ritter kennzeichnen sollte.

 

 

Ritterliche Tugenden

Schon durch sein Sitzen zu Pferd erhebt sich ein Ritter über die Masse der anderen Menschen hinweg. Daher ist es nur recht und billig, wenn er diese im wahrsten Sinne herausragende Position auch mit einem gebührlichen Verhalten schmückt. Nach und nach entstand daraus das Bild des idealen Ritters, das auch heute noch unser Bild von diesen Kämpfern prägt – auch wenn es den meisten Menschen in der damaligen Zeit schwer gefallen sein dürfte, sich an die Vorgaben zu halten. Eigentlich war zum Beispiel die Frau ja dem Manne untertan – warum also vor ihr knien und schmachtend Gedichte rezitieren? (Eine Frage, die sich „moderne“ Ritter wahrscheinlich noch immer stellen …) Ritterliche Tugenden werden in unterschiedlichen Anordnungen und Quellen beschrieben. Im „Buch der Rügen“ (1270) heißt es hierzu: Man hiez iuch in den ritter segen, zuhte und ere state phlegen, witewen, weisen alle zit schermen in den land wit ez sol ein ritter eren got ernslich und niht in spot, den vürsten helfen nach dem reht, allez unreht machen sleht, boese liute machen guot die guoten haben in der huot. (Man sagte Euch im Rittersegen, Ihr sollt Zucht und Ehre pfl egen, Witwen, Weisen jederzeit beschützen im Lande weit. Es soll ein Ritter ehren Gott, ernsthaft und ganz ohne Spott, den Fürsten helfen nach dem Recht, Alles Unrecht macht er schlecht, Böse Leute macht er gut, Die Zusammenstellung des Pflichtenkatalogs variiert von Quelle zu Quelle. Zusammengefasst werden folgende Tugenden (in Klammern das mittelhochdeutsche Wort) im Ehrenkodex von einem Ritter verlangt: 1. Liebe (minne) 2. Maß halten (maze) 3. Zucht (zuht) 4. Treue (triuwe) 5. hoher Mut, nicht Hochmut! (hoher muot) 6. Beständigkeit (staete) 7. Ehre (ere) 8. Höfi schkeit (höveschkeit) 9. Demut (demuot) 10. Milde (milte) 11. Tapferkeit (manheit) 12. Würde (werdekeit) 13. Güte (güete) 14. Reinheit (schame) 15. Keuschheit (kiusche) Sich an alle peinlich genau zu halten, wird wohl auch dem tugendhaftesten Ritter schwergefallen sein – in einer Zeit, in der Kriegszüge, Hungersnöte, Krankheiten und Rivalitäten fast an der Tagesordnung waren. Dennoch eiferten vor allem die Minnesänger, allesamt feingeistige Ritter, die die höfische Dichtkunst dieser Zeit formten und zu hoher Blüte brachten, diesen Idealen nach, erschufen in ihren Werken literarisch-leuchtende Vorbilder für die Ritterschaft. Beispiele sind die Geschichten um König Artus und die Suche nach dem Gral. Die Helden Parzival und Galahad wurden zu Idealvorstellungen des Rittertums, ebenso wie die religiös gefärbten Gestalten St. Georg und St. Michael, die Drachentöter. Schließlich versicherte sich auch die Kirche der Treue dieser elitären Kämpfer und spannte sie für ihre Zwecke als „Soldaten Christi“ zum Beispiel während der Kreuzzüge ein. Bei den Minnesängern stand der Dienst an der geliebten Frau an erster Stelle – auch wenn das manchmal ganz weltliche und praktische Ursachen haben konnte. Diese Künstler mussten sich am Hof behaupten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Von einem Fürsten gefördert zu werden, war einfacher, wenn man das Herz und die Zuneigung der Hausherrin in der Hinterhand hatte … Minne bedeutet nicht unbedingt die körperliche Erfüllung der Liebe, sondern eher die Selbstaufgabe des Liebenden für seine Geliebte und den Verzicht, nur, um in ihrer Nähe sein zu können.

 

 

Karriereleiter eines Ritters

Für die Verwirklichung dieser Wertvorstellungen war eine langjährige Ausbildung nötig, die ein Ritter ab dem etwa siebten Lebensjahr durchlaufen musste. In diesem Alter wurde der Junge aus dem elterlichen Haushalt fortgegeben, um an einem anderen Hof, z. B. bei einem Verwandten oder Verbündeten, in den Künsten des Rittertums unterwiesen zu werden. In der heutigen Vorstellung noch ein zu umsorgendes Kind, war er im mittelalterlichen Sinne bereits erwachsen und konnte ausgebildet werden. Er begann seine Laufbahn als Page, diente erst einmal der Hausherrin, um höfische Manieren und ein Grundmaß an Bildung zu erhalten. Die wenigsten Ritter waren hochgebildete Gelehrte, sie konnten meist nur wenig schreiben, lesen und rechnen. Was eher zählte, war die körperliche Fitness. Verwaltungsaufgaben, die diese Tugenden verlangten, überließ ein Ritter später seiner Frau oder den Hofbeamten. Unterschreiben konnte er schließlich auch mit seinem persönlichen Siegel. Ein Page bediente bei Tisch, lernte die herrschenden Benimmregeln (Schnäuze dich nicht ins Tischtuch!) kennen, Tanzschritte und Gesellschaftsspiele wie Schach, das auch gleichzeitig die Strategie schulen konnte. Hinzu kamen später, schon vor dem Knappenalter, etwa mit vierzehn Jahren, erste Waffenübungen, das Reiten und sonstige körperliche Ertüchtigungen wie Schwimmen, Ringen, Laufen und Springen. Viele blieben zeit ihres Lebens Knappen, vielleicht wurden sie zum Edelknappen ernannt. Aber um letztlich Ritter zu werden, brauchte man jemanden, der dem Knappen die nötige Tüchtigkeit und Tapferkeit bezeugte. Erst dann konnte man mit rund 20 Jahren zum Ritter geschlagen oder in der Zeremonie der Schwertleite zum Ritter gemacht werden. Vorschlag einer Zeremonie im LARP Ein Ritter zu werden, ist ein schönes Element für Plot und Charakter, eine besondere Ehre und die Möglichkeit, neue Verpflichtungen einzugehen. Ablaufen könnte eine Zeremonie so: 1. Belehrung des Knappen, welchen Eid er leisten muss. 2. Ein Bad im Zuber, zumindest das Übergießen mit (gesegnetem) Wasser aus einem Kelch oder einer Karaffe. Gerne auch von züchtigen(!) Jungfrauen begleitet … 3. Nachtwache in der „Kirche“ entweder im Büßergewand oder bereits in neuen Gewändern. 4. Durch einen „Rittervater“ oder Bürgen werden die Insignien des Rittertums überreicht und angelegt (außer das Schwert), z. B. Waffenrock, Kettenhemd und Helm. (Es ist nicht eben ansehnlich und der feierlichen Stimmung zuträglich, bei der Zeremonie im Kettenhemd oder Waffenrock stecken zu bleiben. Besser einfach vorher anlegen.) Trug der Ritter ein Büßergewand, bekommt er an dieser Stelle seine neuen Gewänder. 5. Am Ort der Zeremonie (unter einem knorrigen alten Baum, in einer schönen Halle, vor einem prunkvollen Zelt oder Baldachin) kniet der Knappe vor seinem Rittervater nieder und erbittet den Ritterschlag bzw. die Schwertleite. Dann darf er sich erheben. Sein Rittervater legt ihm die Sporen, seinen Schild, die Lanze und den Schwertgürtel um. 6. Der Rittervater versetzt ihm einen leichten (!) (am Hals verlaufen wichtige Nervenstränge! Wer will schon einen ohnmächtigen Knappen?) Schlag in den Nacken oder berührt ihn mit dem Schwert an den Schultern und erinnert ihn mit einem Spruch an seine Pflichten. 7. Ein Priester segnet das Schwert und stellt es damit in den Dienst seiner Religion. (optional) 8. eine ausgiebige Feier (vielleicht sogar bis in die Morgenstunden des nächsten Tages)

 

Schwertleite und Ritterschlag

Vor allem vor großen Schlachten wurden Knappen massenweise zum Ritter geschlagen. Edward I. „Longshanks“ von England, bekannt als Bösewicht aus „Braveheart“, ließ seinen Sohn Edward II. vor einem Schottlandfeldzug im so genannten „Fest der Schwäne“ mit Dutzenden anderen jungen Adeligen zum Ritter schlagen. Das Fest erfährt in den Quellen mehr Erwähnung als die Zeremonie (übrigens in ganz Europa), sodass man annehmen darf, dass dieser Teil den Menschen wichtiger war als eine steife zeremonielle Form. Beim Ritterschlag bekam der junge Herr einen leichten Schlag mit der Handkante in den Nacken. In England war dies ein wesentlicher Bestandteil der Zeremonie, in anderen Ländern kam diese Form des Ritterwerdens erst ab dem 14. Jahrhundert auf. Vorher dominierte die „Schwertleite“. In einer feierlichen Zeremonie wurde dem Knappen der Schwertgurt umgelegt und das Schwert übergeben. Diese Zeremonie wird erstmals von Heinrich von Melk in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erwähnt und setzte sich nach und nach in ganz Europa durch. Der Schlag in den Nacken, im eigentlichen Sinne und später gänzlich der Ritterschlag, wurde auch gerne durch eine schallende Ohrfeige ersetzt – um dem neuen Ritter den Schwur auf die Tugenden im wahrsten Sinne des Wortes einzubläuen und hatte auch symbolische Bedeutung. Der einzig überlieferte Spruch zur Zeremonie lautet nämlich so: „Sei ein friedfertiger, tapferer und treuer Ritter! Im Namen Gottes, des heiligen Georg und des heiligen Michael mache ich dich zum Ritter. Sei tapfer, mutig und treu! Zu Gottes und Marien Ehr’, diesen Schlag und keinen mehr! Weise, kühn, tüchtig und gerecht – besser Ritter als ein Knecht!“ Der Schlag sollte wohl nicht nur die Ermahnung an den neuen Ritter unterstreichen, sich immer an sein Versprechen zu erinnern. Er war auch als frommer Wunsch gedacht, dass der Ritter nun hoffentlich den letzten Schlag seines Lebens empfangen habe, er also unbeschadet aus all seinen Schlachten hervorgehen möge. Die übrigen Elemente – wie die Nachtwache in einer Kirche, ein reinigendes Bad und Einkleidung in frische Gewänder – kamen in den meisten Ländern (offiziell) später hinzu. Sicherlich auch auf Betreiben der Kirche hin, denn auch sie wollte sich die Loyalität der Kämpfer sichern. Die Waffen des Ritters ruhten z. B. auf dem Altar, um den Segen Gottes zu empfangen. Im 16. Jahrhundert bekam der Ritter zum Abschluss eine Urkunde, aus der sich nach und nach die Adelsbriefe entwickelten.

 

 

Niedergang des Rittertums und Raubrittertum

Eine seltsame Entwicklung vollzieht sich im Spätmittelalter. Was noch im 12. Jahrhundert eine große Ehre war, wird plötzlich und offensichtlich als Belastung und als wenig erstrebenswert gesehen: sich zum Ritter schlagen zu lassen. Manche Knappen weigern sich sogar standhaft, diese Ehre zu empfangen, und bleiben lieber Edelknappen. Ein Grund mögen die hohen Kosten gewesen sein, die ein Ritter für seine Ausrüstung zu tragen hatte. Ein anderer die Veränderungen in der Kriegskunst, denn nach dem erfolgreichen Einsatz von Fernkampfwaffen wie Langbogen und später der Armbrust und Kanonen verlor die Reiterei in der Schlacht ihre glorreiche und herausragende Bedeutung für Sieg oder Niederlage. Die Zeiten der tapferen und edlen Kämpfer waren vorüber. Die Kriegsfürsten rüsteten jetzt lieber ihre Bogenschützen mit Pferden aus, um diese schnell und an verschiedenen Stellen ins Schlachtgeschehen eingreifen zu lassen. Bezahlte Söldner traten an die Stelle der lehnsgebundenen Ritter. Was aber tut ein „arbeitsloser“ und damit auch finanziell ärmerer Ritter? Er sucht nach neuen Einnahmequellen, und die findet er in den erstarkenden Städten (übrigens eine weitere Konkurrenz für seinen Ruf), oder er wird, wie im Film „Ritter aus Leidenschaft“, zum professionellen Turnierkämpfer und belustigt so das Volk mit seinen reiterlichen Künsten. Ein gewisses Maß an krimineller Energie braucht ein anderer Weg: Der Ritter wird zum Räuber. Zuerst gewährte er den Händlern Schutz auf seinen Straßen und Wasserwegen, gegen bare Münze natürlich. Später erkannten einige Ritter aber den Wert der Waren, die da auf ihren Wegen und quasi vor ihren verarmten Nasen an ihnen vorbei transportiert wurden. Und die Pfeffersäcke machten sich auch noch über den verarmenden Landadel lustig. So war es Genugtuung und Bereicherung zugleich, dem Pfeffersack eins auszuwischen und ihm seine Waren vor den sicheren Stadtmauern notfalls mit Gewalt abzuknöpfen. Ritter wurden zu Raubrittern, grausamen Raubeinen, die andere bestahlen oder gleich als Gefangene nahmen, um Lösegeld zu erpressen. Der Raubritter war geboren, und das Ideal des mittelalterlichen Elitekämpfers im Niedergang begriffen – bis es Schriftsteller der Romantik wiederentdeckten und damit unser heutiges Bild vom Ritter mit noblen Figuren wie Ivanhoe, dem „Romritter“ Arminius oder den Artuslegenden prägten.

 

 

Ritterdarstellung im LARP

Ausstattung

Ein Ritter zu sein war, wie gezeigt, schon im Mittelalter kostspielig und mit einigem (finanziellem) Aufwand verbunden. Eine gute Ausstattung könnte wie folgt aussehen:

Ein Ritter sollte sich am besten auch mit zumindest kleinem Gefolge zeigen. Ein Leibknappe kann die elementaren Dienste wie Stiefelputzen und Wassertragen erledigen, „imaginäre“ Pferde versorgen, kleine Botendienste erledigen. Auch ein standesgemäßes Zelt, vielleicht mit ein paar Fellen oder einer schönen Reisetruhe, stehen einem fahrenden Ritter gut zu Gesicht. Aber auch hier kann man natürlich mit den Konventionen brechen und einen „Jan ohne Land“ spielen – einen Ritter, dem nichts mehr geblieben ist, außer seiner Ehre. Als Zeichen der Mildtätigkeit kann am Gürtel gut ein Almosenbeutel oder eine Geldkatze baumeln. Besonders schön fallen als Wappenrock leichte Wollstoffe, für den Sommer eignen sich festere Leinenstoffe oder nicht allzu schwere Baumwolle. Das Wappen kann aufgestickt oder mit Stofffarbe aufgemalt werden. Gefolgsleute könnten das Familienwappen des Ritters als kleinere Version tragen. Auf die Heraldik einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, da dies ein Fachthema von hoher Komplexität ist, wenn man die Wappensuche oder Gestaltung nach historischen Gesichtspunkten betreibt. Im LARP ist der Spieler natürlich freier. Wer es dennoch historisch mag, ist vielleicht gut beraten, sich ein historisches Vorbild zu suchen, von dem ein Wappen erhalten geblieben ist (Wappenrollen!). Ein kleiner heraldischer Exkurs findet sich in LARPzeit #18 beim Charaktertyp Adliger. ein Ritter sein zu wollen, nicht unbedingt eine Einsteigerrolle ist. Zum Ritterdasein gehören sowohl materielle Ausstattung als auch die Bereitschaft, ein Verhalten nach einem bestimmten Ehrenkodex an den Tag zu legen. Gut beraten ist, wer als Knappe anfängt und sich einen erfahrenen Ritter- Spieler als Rittervater und Mentor sucht – denn auch die Ausbildung eines Ritters mit ihren Hochs und Tiefs zu spielen, kann einiges an Spielspaß bringen.

 

 

Ritterin oder nur Kämpferin?

Die typische Frauenrolle des Mittelalters ist für viele echte Abenteuerinnen eher weniger erstrebenswert, auch wenn es durchaus angenehm sein kann, wenn sich ein schmucker Ritter im Minnedienst ihr zu Füßen legt. Das Genre Fantasy kennt zum Glück aber wenig von den Konventionen der „alten Zeiten“, sodass es hier auch durchaus Ritterinnen geben darf. Eowyn aus Der Herr der Ringe beispielsweise zeigt viele Qualitäten, die einen idealen Ritter ausmachen sollten: Liebe, Ehre, Selbstaufopferung, die Verteidigung der Schwachen und Kranken – und nicht zuletzt Mut, von dem sich manche männlichen Ritter eine Scheibe abschneiden könnten. Doch auch wer es „historisch korrekter“ mag: Es gab durchaus „echte“ Ritterinnen. Königin Philippa von England, Ehefrau von Edward III., war sozusagen Gründungsmitglied des Hosenbandordens (Most Noble Order of the Garter), dem bedeutendsten englischen Ritterorden, der ein Abbild der Tafelrunde sein sollte. Auch wenn Philippa deshalb sicherlich nicht zum Schwert gegriffen hat – genauso wenig wie ihre moderne Nachfolgerin Queen Elizabeth II. von England (außer bei Ritterschlagszeremonien!). Doch auch das gab es, beziehungsweise den Griff zum Beil. In Spanien gab es den „Orden de la Hacha“, Orden des Beils. Frauen aus Barcelona kämpften im 12. Jahrhundert in der Stadt Tortosa und wurden dafür zu Ritterinnen ernannt. Und mit Privilegien wie Steuerfreiheit ausgestattet. Solch einen Ritterinnen-Orden ins Leben zu rufen, ist also für LARPerinnen eine schöne Alternative statt shakespearisch angehaucht als Mann verkleidet durchs Ritter-Dasein zu ziehen.

 

 

Rittertypen

 

Der Edle

Dieser Charaktertyp wäre das Musterbeispiel eines Ritters. Er hält sich strikt an die geschworenen Tugenden – auch wenn das für ihn den Tod bedeuten könnte. Dafür steht er sicherlich in der Gunst der edlen Damen recht hoch, denn die Minne pflegt er mit der gleichen Hingabe. Das heißt auch, dass er seinem Lehnsherrn gegen über loyal ist, bis zuletzt. Er würde niemals einen Gegner von hinten erstechen und fordert mit offenem Visier sein Recht ein. Verliert der Gegner im Zweikampf sein Schwert, wird dieser Ritter es ihm reichen oder den Kampf auf einer anderen ebenbürtigen Ebene fortsetzen, z. B. seinen Schild fortwerfen oder mit einem Dolch weiterkämpfen, seine schwache Hand für das Führen des Schwertes benutzen. Er verteidigt seine Ehre kompromisslos und muss dadurch wahrscheinlich auch einige Fehden bestreiten. Er achtet auf Reinheit und Selbstdisziplin, kann vielleicht ein Instrument oder gut Schach spielen. Manche (weniger Tugendhaften) sehen in ihm vielleicht einen Pfau, der leicht zu besiegen ist, aber dieser Ritter pflegt alle Anforderungen des Rittertums und trainiert auch seine Künste mit dem Schwert. Bettlern und Hilfsbedürftigen hilft er, wie es seine Mittel erlauben. Kommt er in Gefangenschaft, benötigt sein Häscher keine Zelle. Der edle Ritter wird aus Ehrgefühl auch zurückkommen, wenn er nachhause geht, um das Lösegeld selbst zu besorgen.

 

Der Gralsritter

Ein Gralsritter ist ähnlich angelegt, denn nur der wahre Ritter kann das geschworene Ziel erreichen. Bei diesem Charaktertyp kommt noch die (besessene) Suche nach etwas Mystischem hinzu. Die Suche ist sein einziger Lebensinhalt, von ihr wird er getrieben. Das kann ein Gegenstand mit Heilkräften für seinen angeschlagenen Herren sein, aber auch die verlorene Liebe oder die Möglichkeit, sein Heimatland zu retten. Auf dieser Suche wird er Prüfungen bestehen müssen, selbst auferlegte oder solche, die ihm am Wegesrand begegnen. Sie prüfen seinen Wert als Ritter, und nur, wenn er sie besteht, kann er zum Ziel gelangen. Er ist eine getriebene Seele, rastlos und vielleicht auch schon ausgelaugt von den Strapazen.

 

Der Raubritter

Hier findet sich das genaue Gegenteil des edlen Ritters, denn ein Raubritter widersetzt sich bewusst allen Idealen des Rittertums – außer vielleicht den Waffenkünsten. Er ist grob und hat keine Gewissensbisse, auch die Armen auszurauben. Er finanziert sein Leben dadurch, bedeutende Persönlichkeiten gefangen zu nehmen und sie zu verschleppen, um von den Angehörigen Lösegeld einfordern zu können. Er frönt Lastern wie dem Trinken, ist schmutzig und hat meist keinen Taler in der Tasche. Zumindest verspielt oder versäuft er alles, was er einnimmt. Im Kampf ist er brutal und hinterlistig, nutzt List und Tücke, um zu gewinnen, und seine Schläue, um seine Pläne durchzusetzen. Ihm sollte man besser nicht den Rücken zuwenden. Oft stehen diese Ritter auf der Seite des Bösen, denn hier stehen sie in Lohn und Brot und können dennoch ihre Neigungen ausleben. Was ihn dazu gemacht hat, kann unterschiedlich ausgespielt werden: erlittenes Unrecht, hereingebrochenes Unglück über die Familie und daraus entstehend Armut oder einfach angeborene Hinterlist.

 

Der Page/Knappe

Eine gewisse Demut und Dienstbereitschaft darf diesem (meist) jungen Spieler nicht fehlen. Er muss bereit sein, Befehle zu befolgen, zu dienen und nicht zu widersprechen. Andererseits sollte sein Rittervater ihm auch etwas dafür zurückgeben, dass sein Knappe ihm die Stiefel putzt oder bei Tisch bedient: nämlich das Wissen, das er als Ritter braucht. Was er lernen muss, steht oben im Text. Und bei außerordentlichem Mut wird sich sicher eine Gelegenheit finden, ihn stilvoll zum Ritter zu schlagen. Ist der Knappe noch sehr jung, wird er vielleicht noch Heimweh haben und oft vom Leben am Hof seiner Familie erzählen. Die Veranlagungen, die Tugenden leben zu können, sollte er ebenfalls mitbringen. Für seine Ausstattung reichen ein kurzes Schwert und eine Art Livree, z. B. in den Farben seines Rittervaters. Neben seinem Dienst sollten ihn auch kleine Prüfungen im Spiel erwarten, die zeigen, ob er etwas gelernt hat.

 

Der „reine Tor“ Parzival

Der Sonderfall eines Knappen, den der Minnesänger Wolfram von Eschenbach beschrieben hat. Aufgewachsen ist Parzival im Wald, ist aber von adeliger Herkunft. Er sehnt sich nach Abenteuern, ist aber unerfahren im Umgang mit der Welt außerhalb seiner Wälder, wirkt dadurch unbeholfen und etwas töricht. Er trägt aber alle Anlagen eines Ritters in sich und ist durch seine „Torheit“ rein im Herzen. Parzival lernt durch das Leben und wird dadurch zum Ritter und sogar (im Roman) zum Gralskönig. Er ist der typische Anti-Held, den das Abenteuer wach kitzelt und zum Helden macht.

 

Der Kriegsfürst

Ein besonders erfahrener Ritter, der es vermag, andere in die Schlacht zu führen und sie mit seiner Autorität als Kampfverband zusammenzuhalten, strategische Pläne zu entwickeln und auszuführen und dadurch auch im engsten Kreis des Vertrauens der Herrscher. An der Spitze seiner Männer zieht er in die Schlacht, behält aber stets den Überblick. Diese Rolle ist eher etwas für erfahrene Spieler, denn sie erfordert viel spielerisches Talent und Selbstsicherheit. Auch die Ausstattung sollte entsprechend „herausragend“ sein, ebenso die Treue zum Herrscher. Gut eignet sich ein alter Haudegen mit Erfahrungen aus vielen Schlachten für diese Position, der nebenbei auch beim gemeinsamen Tavernenbesuch einiges erzählen kann!

 

Reiter der Apokalypse

Wenn ein Ritter seinen Weg verlässt und in die Dunkelheit fällt, kann auch das aus ihm werden: ein düsterer Reiter, ein Verfluchter, ein Schatten im Dienste des Bösen … Mit viel Fantasie lassen sich unter düsteren und zerfetzten Kapuzen auch schauerliche Effekte und interessante Charaktere zaubern, die diese „Geister“ zum Leben erwecken und ihren vergangenen Glanz beweinen lassen! Vielleicht gibt es ja auch einen Weg der Erlösung für diese armen Ritter. Einen Ritter zu spielen, ist eine Herausforderung, gleichgültig, ob gut oder böse, und erfordert viel Spontanität, Wissen und spielerisches Können. Spielt man ihn aber „richtig“, kann sich der Charakter einen großen Batzen Respekt holen und auch für den Plot von großer Bedeutung sein! Er bietet jedenfalls mehr Möglichkeiten als der oft gezeigte rülpsende Rüpelritter ohne Manieren und Standesbewusstsein.

 

Anja Grevener

 

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