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Tulderon

Wiederkehrende Stadtsimulation

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Kategorie: News/Blog Sonstiges

20 Jahre Stadtspiel - Abenteuer für LARP-Enthusiasten

Im deutschsprachigen Raum gibt es ein wiederkehrendes Larp-Ereignis, das seit mehr als zwei Jahrzehnten die Herzen von Rollenspiel-Begeisterten höher schlagen lässt: das Stadtspiel Tulderon. Zum 20. Mal fand diese Form des Live-Rollenspiels nun statt und feierte damit sein großes Jubiläum. Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Geschichte und das Wesen von Tulderon, das innerhalb der Larp-Szene mehr Beachtung verdient.

 

 

Die Anfänge

Die Ursprünge von Tulderon reichen zurück ins Jahr 2000, als die Erfinder der Phönix-Kampagne unter dem Namen In Realitas das erste Stadtspiel mit dem Titel Tulderon – Stadt der Gesetzlosen ins Leben riefen. Von Anfang an hatten die Er­finder etwas Großes im Kopf. Im Laufe der Zeit übergaben die Gründer das Steuer vertrauensvoll in die Hände von Tara Moritzen, der seither das Stadtspiel in immer wieder wechselnder Orga-Besetzung veranstaltet.

Seitdem die Stadt zum ersten Mal bespielt wurde, hat sie eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen, nicht zuletzt dank ihrer beeindruckenden Kulisse: der Wasserburg Heldrungen. Diese historische Location bietet die perfekte Umgebung für die immersive Welt der Larp-Stadt Tulderon. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Verbesserungen vorgenommen, um den Spielern ein noch aufregenderes Erlebnis zu bieten. Seit Beginn be­findet sich in der Wasserburg eine Jugendherberge, die in den vergangenen Jahrzehnten mit Fördermitteln umfangreich restauriert und modernisiert wurde.

Insbesondere im Inneren wich der Charme alter Burgen in weiten Teilen modernen Unterkünften mit bester sanitärer Infrastruktur, was insbesondere von den Teilnehmenden begrüßt wird, die ungern zelten. Das Äußere der Wasserburg und die umliegenden Begleitbauten, die Wallanlagen und Grünflächen sind auch heute noch malerische Kulisse für die Tulderon-Erlebnisse der Spieler und verleihen dem Con eine einzigartige Atmosphäre. Die Teilnehmerzahl schwankte seit Beginn zwischen 80 und 260 begeisterten Abenteurern. In den letzten Jahren hat Tulderon jedoch einen bemerkenswerten Anstieg an Teilnehmer erlebt und erfreut sich einer immer größer werdenden Beliebtheit. Es bleibt spannend zu beobachten, wie Tulderon sich in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Was ist Tulderon?

Tulderon ist weit mehr als nur ein Larp-Stadtspiel. Es ist eine lebendige Stadt-Simulation, die von den Teilnehmern getragen wird und die Idee Von Spielern für Spieler in jeder Faser ihres Konzepts verwirklicht. In Tulderon werden die Teilnehmer in eine mittelalterliche Stadt versetzt, in der das Setting zwar vorgegeben ist, aber die Ausgestaltung nahezu vollständig den Spielern überlassen bleibt. Fast alle Institutionen und Einrichtungen der Stadt werden von den Teilnehmern bespielt und ausgestattet.

Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt und die Spieler haben im Laufe der Jahre bewiesen, dass sie in der Lage sind, beeindruckende Spieler-Konzepte umzusetzen. Vom Friedhofswärter, Rattenfänger und Beamten bis hin zum Zuckerbäcker: Ob man sich als Händler, Handwerker, Adliger, Gauner oder Gelehrter sieht, spielt keine Rolle. Jeder Charakter hat seinen Platz im Stadtleben von Tulderon und die Vielfalt der spielbaren Rollen sorgt für eine faszinierende Dynamik.

Das Herzstück von Tulderon ist die aktive Beteiligung aller Teilnehmer. Jeder wird ermutigt, einen Beitrag zum Konzept beizusteuern. Das kann bedeuten, eine Institution zu bespielen, ein Amt zu übernehmen oder auf kreative Weise das Stadtbild mit dem eigenen Charakter zu bereichern. Das Ergebnis ist ein lebendiges und vielfältiges Spiel, das von der Gemeinschaft getragen wird. Wenn jeder Teilnehmer ein Konzept mitbringt, das auch anderen Spaß macht und an dem sie teilhaben können, entsteht eine reiche und immersive Spielerfahrung. Die Stadt Tulderon erwacht zum Leben, weil jeder Spieler seinen Teil dazu beiträgt. In der Stadt spiegelt sich das reale Leben in einer mittelalterlichen Stadt wider. Die Bürokratie kann manchmal erdrückend sein und der Filz durchzieht die politischen Strukturen. Dennoch wird gefeiert und gelacht, denn Tulderon ist auch ein Ort des Vergnügens und der Unterhaltung.

 

 

Politik im Fantasy-Larp

In Tulderon sind die Spieler nicht nur passive Beobachter des Geschehens, sondern haben die Gelegenheit, die Politik der Stadt aktiv zu gestalten. Ein Bürger der Stadt hat deutlich mehr verfassungsrechtlich verbriefte Rechte als die einfachen Besucher der Freistadt, die vor allem Geld in die Stadt bringen. Die meisten Bürger sind in einer der Gilden organisiert. Deren gewählte Vorstände, die Logen, entsenden jeweils Mitglieder in den Magistrat der Stadt: das entscheidende politische Gremium. Alle zwei Jahre wird vom Volk ein Bürgermeister gewählt, der die Stadt nach innen und außen repräsentiert. Nach innen ernennt er Hohe Richter und Staatsanwälte und nach außen tritt er in Verhandlungen mit der Administration von Herzogtümern, dem Königreich oder Gesandten aus der gesamten Welt. Diese Möglichkeit, in die politischen Machenschaften und Entscheidungsprozesse von Tulderon und der größeren Phönix-Kampagne involviert zu sein, verleiht dem Spiel eine besondere Tiefe und Dynamik.

Institutionen der Stadt

Ein Stadtspiel per se und Tulderon im Speziellen bietet so viele Facetten für Charakter- und Institutionsspiel, dass man eigentlich nicht weiß, wo man anfangen oder aufhören soll. Den Ideen der Teilnehmer sind kaum Grenzen gesetzt, und je innovativer, desto lukrativer kann ein Spielangebot ausfallen. Vom Ambath (Das Amt) über die Bibliothek und das Casino; vom Dienstleister, Ermittler, Friedhofsaufseher, Gaukler, Herold, Investor, Jugger, Katakombenhüter, Lehrmeister, Magistrat, über die Nachtwache, Ordnungshüter, Postbank, Religionszentren, Spelunke, Taverne, Universität, den Veranstalter, das Waisenhaus bis hin zum Zeitungskind ist das ABC der Spielkonzepte in Tulderon noch lange nicht ausgeschöpft … Es gibt nichts, was es nicht geben kann und soll.

Plot und Plötchen

In den 20 Spieljahren ist viel passiert … zu viel, um auch nur zu versuchen, es hier irgendwie chronologisch aufzulisten. Für Tulderon gilt allerdings das Gleiche wie für jeden anderen Ort, der in der Kampagne der Phönix-Welt spielt: Das Weltgeschehen macht vor den Stadtmauern keinen Halt. Gibt es Bürgerkrieg im umliegenden Königreich, steckt Tulderon mittendrin. Treten Dürren auf und die Lebensmittel werden knapp, wird es Tulderon treffen. Hält die Stadt sich nicht an die Wünsche und Auflagen des Königreichs, wird der Freistadt-Status aberkannt. Schwindet die Magie in der gesamten Welt, haben es auch die Gelehrten in Tulderon nicht leicht.

Diese Probleme umfassend zu diskutieren, Lösungswege zu erörtern und auszuprobieren und dabei immer wieder auch unkonventionelle Wege zu gehen, liegt den Teilnehmer wohl im Blut. Anders ist es nicht zu erklären, dass es als durchaus normal angesehen das Waisenhaus, diverse Dämonen im Keller zu beherbergen, bis deren Wünsche ausreichend erfüllt wurden, damit sie den sehnlichst erwünschten Riss in die mundane Sphäre schlagen und so eine Verbindung zur Prima Materia (In der Magie wird die Prima Materia als die Grundlage aller magischen Kräfte angesehen. Sie ist das Potenzial für alles, was existiert) herstellen … Vertragsverhandlungen mit Administrationen über Steuerzahlungen, kriegswichtige Güter, Währungsreformen und Prohibitionsjahre erträgt die Freistadt genauso gut wie Belagerungen durch ganze Bataillone, den Besuch von nervigen Seelie (= Feen) und Unseelie (= dunkle Feen), Rattenkönigen und derlei Bedrohungen.

Die Bürger und Besucher werden in allen Lebenslagen mit Festen aller Art bei Laune gehalten. Viele Plotstränge gehen über Jahre, entwickeln sich weiter, werden auf die Reaktionen der Spielenden angepasst und verschwinden auch manchmal ungelöst von der Bildfläche, nur um ein paar Jahre später zu eskalieren. Nicht immer konnte man einem geplanten Plot ausweichen, aber die Bemühungen gehen dahin, beiden Fraktionen, den Plotliebhabern und denen, die gern Abstand davon haben, genau das richtige Maß an Herausforderung zu bieten.

Insgesamt ist Tulderon mehr als nur ein Larp-Stadtspiel. Es ist eine lebendige, von Spielern gestaltete Welt, die die Leidenschaft und Kreativität der Larp-Community feiert. Durch die Umsetzung des Konzepts Von Spielern für Spieler hat Tulderon sich zu einem schönen Beispiel für interaktives und partizipatives Rollenspiel entwickelt, das die Teilnehmer immer wieder aufs Neue begeistert.

 

 

Larp für Familien

Das Hobby Larp und auch unsere SCs sind älter geworden und damit ist auch der Anteil von kleinen und großen Minderjährigen stetig gestiegen. Kinder und Jugendliche fügen sich natürlich in das Stadtbild ein und stärken die Immersion. Da die Tore der Wasserburg während des Cons geschlossen sind, ist das Spielgebiet relativ gut von außen abgeschottet und auch die Stadtwache hat ein Auge auf Besuch von außerhalb der Mauern. Für Kinder im Grundschulalter wurde von einigen SCs für ein paar Stunden täglich eine Kinderbetreuung aufgebaut, an der auch jüngere Kinder in Begleitung von Erwachsenen teilnehmen können. Auch Eltern erhalten auf diese Weise etwas freie Zeit für intensives Rollenspiel, und die Familien mit kleinen Kindern nehmen das Angebot in der Burg meist wahr.

Angebot für Jugendliche

Das Angebot von Kiddi-Cons (14- bis 17-Jährige) ist deutschlandweit durchaus ausbaufähig. Der Tulderon e.V. organisiert seit vielen Jahren Kinder- und Jugend-Cons im Landkreis Gießen und hat die Con-Reihe der Schwertmeister Akademie jetzt erstmals im Stadtspiel integriert. Für die Heranwachsenden und Jugendlichen bietet Tulderon als mehrtägige Veranstaltung eine Mischung aus Abenteuer und der ernsthaften Möglichkeit, Rollenspiel zu erfahren und zu erlernen. Eigene Kinderregeln organisieren dabei das Miteinander mit den Großen. Tulderon ist über die Jahre als Familien-Ambiente-Spiel recht attraktiv geworden, und in Kooperation mit Jugendleitern der Waldritter arbeiten wir an ausgedehnten Programmen für den Nachwuchs. Dank des Zuschusses Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit konnten in diesem Jahr 18 Jugendliche mit zwei Teamern des Waldritter Gießen e.V. nach Tulderon kommen und die Schwertmeister Akademie der gleichnamigen Gilde bespielen. Die Jugendlichen wurden von der Spielerschaft herzlich aufgenommen und die Fortsetzung der Institution wurde begrüßt.

Tulderon wird digital

Während die Organisatoren von Tulderon die bittere Enttäuschung über die verordnete Zwangspause des Stadtspiels im Pandemie-Jahr 2020 verarbeiteten, hatte Jendrik Bulk eine grandiose Idee. Zusammen mit einigen Orga-Enthusiasten machte er es möglich, das Tulderon-Erlebnis in die digitale Welt zu übertragen. So glühten die Computer Tag und Nacht, um TulderOnline zu erschaffen – eine maßstabsgetreue digitale Replik der ­fiktiven Stadt Tulderon in der Location der Wasserburg Heldrungen. Mit Hilfe von Satellitenbildern, Fotos, 3D-Modellen, Grundrissen und einer akribischen Detailversessenheit des Teams und – ehrlicherweise – Unmengen an Zeit entstand ein digitales Spiel, in dem jeder, der einmal in Tulderon gewesen ist, das Stadtspiel wiedererkannte.

TulderOnline erwies sich schnell als Zeitvertreib, der die Spieler in seinen Bann zog. Die Teilnehmer konnten sich online anmelden und erhielten die Möglichkeit, eine Figur zu steuern und sich somit durch die digital nachgebildeten Straßen und Gassen von Tulderon zu bewegen. Dabei konnten sie mit anderen Charakteren interagieren, Handel treiben, die Katakomben als Dungeon besuchen oder einfach nur die Atmosphäre der Stadt genießen. Obwohl die Pandemie das traditionelle Tulderon vorübergehend ausbremste, hat TulderOnline bewiesen, dass die LarpCommunity kreativ und widerstandsfähig ist. Die digitale Variante des Stadtspiels bot nicht nur eine unterhaltsame Ablenkung während der Isolation, sondern auch die Möglichkeit, neue Formen des Rollenspiels zu erkunden. Aber wenn wir ehrlich sind: Um den ganzen Spaß mitzunehmen, muss man Tulderon in Action erleben.

 

Mach mit und werde Bewohner der wundervollsten Freistadt der Welt!

Wenn auch Du Teil dieses einzigartigen Larp-Erlebnisses sein möchtest, gibt es zahlreiche Möglichkeiten Dich einzubringen. Du kannst Deine eigenen Ideen entwickeln oder nach offenen Stellen und unbespielten Konzepten suchen. Tulderon bietet Raum für Kreativität und Gemeinschaftssinn. Die Spieler sind es, die dieses fantastische Abenteuer zum Leben erwecken. Die 20-jährige Geschichte von Tulderon ist ein Beweis für die Leidenschaft und Hingabe der Larp-Community.

Text: Sebastian Hempel, Simon Klenge, Tara Moritzen

 

 

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