Startseite
Archiv Books/Bücher DIY Im Gespräch Konzepte Magazine News/Blog Pressemitteilungen Sonstiges Tipps Veranstaltungen

Fallen II

On the Road again

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Konzepte Veranstaltungen

Endlich wieder Endzeit-Larp in Mahlwinkel. Die Fallen-Conreihe, früher F.A.T.E., existiert schon seit 15 Jahren. Zeit für einen kleinen Rückblick auf die Anfänge und eine Bestandsaufnahme, wo das größte Endzeitlarp Deutschlands heute steht.

Von den Anfängen zur Stagnation

Angefangen hat alles klein, aber knackig. Auf den ersten beiden Spielen gab es jeweils knapp 100 Spieler, und es wurde ein Treck verschiedenster Endzeitcharaktere nach Lost Hope bespielt – einem sagenumwobenen Ort, an dem es fließendes Wasser und genug Nahrung geben sollte. Für den Larp-Bereich war es damals neu, dass echte Autos im Spiel vorkamen und Airsoft-Markierer zur Waffendarstellung genutzt wurden. Außerdem gab es die klare Ansage, dass Charaktertode zum Spiel gehören. Das F.A.T.E. II war mein erstes Con der Reihe, und wenn ich mich richtig erinnere, haben in zwei Tagen Spielzeit etwa 80 von 100 Startcharakteren ins verstrahlte Gras gebissen. Die Klamotte für einen Zweit- oder Drittcharakter gehörte damals mit zur Packliste.

Beim F.A.T.E. III in Paradise City fand der Treck auf einem ehemaligen russischen Militärgelände in Mahlwinkel seinen ersten längeren Zwischenhalt. Die Waffendarstellung wurde auf Nerfblaster umgestellt, und es etablierte sich ein Stadtspiel. Da die Gebäude zu marode waren und abgerissen werden mussten, war es zwei Jahre später schon wieder aus mit dieser Location.

Nur ein paar Hundert Meter weiter auf einem anderen, weniger baufälligen Teil des riesigen Areals fand die Conreihe eine neue Heimat, wo Angel Falls bespielt wurde. In einem dreistöckigen, sehr großen Kasernengebäude entstand eine Endzeitstadt. Unter anderem gab es eine Poststation, ein Kino, einen Rotlichtbereich, ein Casino, eine Burgerbude, ein Spital, ein Badehaus, verschiedene Waffenhändler, Krämerläden, ein Radio, ein Hotel, einen Endzeit Pub und und und. Darüber hinaus bot das neue Gelände wesentlich mehr Außenfläche, und in die umliegenden Häuser und Hallen zogen neue und alte Spielergruppen ein.

Hier setzte, zumindest aus meiner Sicht, große Stagnation ein. Charaktere und Gruppen etablierten sich, die Stücke vom Kuchen der Macht waren verteilt und der Status quo wurde wenig oder gar nicht mehr angetastet. Ich denke, die Gründe hierfür sind verständlich: Menschen gewöhnten sich an ihre Rollen, Gruppen, die sich einen gewissen Status erspielt hatten, wollten diesen nur ungern wieder verlieren. Aber die Folgen waren gravierend: Einzelne Charaktere oder gar Anführer einer etablierten Gruppe anzugreifen, wurde so gut wie unmöglich, da dies fast unweigerlich in-time zur sofortigen Vergeltung und out-time zu Streit und Zerwürfnissen geführt hätte. Dadurch fühlten sich die Jahre in Angel Falls zunehmend nach einer Wiederholung des immer gleichen Musters an. Ich hatte zwar immer noch Spaß und freute mich wie Bolle, meine Endzeitfreunde wiederzusehen, allerdings waren der Thrill und die Spannung der ersten Jahre in diesem Genre immer weniger geworden. Zudem kam es immer öfter zu Situationen, in denen klar wurde, dass viele Charaktere und Gruppen zu viele Ressourcen und Geld besaßen, so dass der für das Genre charakteristische Eindruck des Mangels immer weniger wurde.

 

 

Neustart mit Hindernissen

2019 steuerte Lost Ideas dagegen. Die Orga führte eine neue Währung ein und fing an, die Geldmenge stark zu begrenzen. Man ging sogar so weit, sich von einer Volkswirtschaftlerin beraten zu lassen, wie Geld in einer Mangelwirtschaft verteilt sein sollte.

Die Auswirkungen dieser Neuerungen spürten wir in unserer Gruppe sofort. Wo früher die Ödländer nur wenig oder gar nicht um die Preise unserer Waren gefeilscht hatten, wurde das Bargeld sichtlich knapp. Das war für mich eine Verbesserung der nun Fallen heißenden Spielwelt. Ich freute mich schon zu sehen, welche Auswirkungen diese neue Geldknappheit auf das Endzeitspiel im nächsten Jahr haben würde.

Stattdessen kam Corona ...

Zwei Jahre musste die Spielreihe pausieren, und obendrein wurde festgestellt, dass das große Stadtgebäude künftig nicht mehr bespielt werden konnte. Auf dem Gelände musste ein anderes Gebäude gefunden werden, dessen Dach mit großem Aufwand und viel Hilfe aus der Community instand gesetzt werden konnte.

Nach zwei Jahren Pause und mit einer neuen Hauptlocation fand das Fallen II in diesem Jahr statt.

Die Dixi- und Duschsituation war wie immer vollkommen in Ordnung, Check-in und Parken liefen tiefenentspannt. Ich glaube, so schnell wurde ich tatsächlich noch nie bei einem großen Con eingecheckt, inklusive Spielgeldausgabe und Aktualisieren des jedem Charakter individuell zugeordneten RFID-Chips.

Die RFID-Technologie (Radio-frequency Identification, Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen) dürfte den meisten Lesern als Diebstahlsicherung aus Kaufhäusern bekannt sein. Derartige Chips können mit bestimmten Daten beschrieben werden, die sich auslesen oder verändern lassen. Auf dem Fallen wird darüber das Verstrahlungsspiel abgehandelt. Jeder Charakter erhält einen Strahlungswert, der sich täglich erhöht und der über die gespielte Einnahme von bestimmten Medikamenten reduziert werden muss. Ein zu hoher Wert kann zu Mutationen oder zum Charaktertod führen.

Als Neuerung waren diese Medikamente mit einem RFID-Chip ausgestattet, so dass die Medikamenteneinnahme nebst Erfassung des neuen Verstrahlungswertes an einem Automaten hätte möglich sein sollen, statt wie bisher nur beim Apotheker mit entsprechendem RFID-Equipment. Aufgrund eines Softwarefehlers streikte der Automat jedoch, so dass diese Neuerung in diesem Jahr noch nicht zum Tragen kam. Mich störte dies wenig, denn es passt durchaus ins Spiel, dass Maschinen nicht funktionieren, und man konnte die Medikamente weiterhin beim Ödlandarzt seines Vertrauens einnehmen.

 

 

Weitere Neuerungen

Neu war in diesem Jahr auch, dass Lost Ideas wieder auf den Einsatz von GSCs und NSCs setzte. Die zu diesem Zweck eingeführte Banditengruppe der Marauders war für mich eine starke Ergänzung des Spiels, da sie als Gang um die Stadt herum immer präsent waren und man je nach Situation schnell ein paar Geldscheine an sie verlieren oder ein paar Backpfeifen von ihnen kassieren konnte. In meinen Augen hat die Gruppe eine sehr gute Balance gefunden, bedrohlich zu sein, ohne gleich die ganze Spielerschaft gegen sich aufzuhetzen.

Eine weitere Neuerung war das Spielsystem der Inkrasso, eine Art Mix aus Inkassounternehmen und Krankenkasse. Konnte ein armer Spieler die notwendigen Bullets (die Spielwährung auf dem Fallen) für Antiverstrahlungsmittel oder eine teure Operation nicht aufbringen, hatte er die Möglichkeit, sich beim Inkrasso das benötigte Geld zu leihen. Zahlte er die Kohle nicht innerhalb eines Tages zurück, zeigte sich das Inkasso-Gesicht dieser Organisation. Der Säumige wurde aufgesucht und durfte seine Schulden abarbeiten. Die Arbeitsdienste wurden vom Inkrasso so gewählt, dass dabei möglichst viel Spiel entstand. Charaktere mussten zum Beispiel Dienste bei Gruppen ableisten, mit denen sie sonst nicht viel zu tun hatten oder mit denen sie sogar verfeindet waren.

 

Corona und weitere Verkleinerung

Leider ist Corona ist an vielen Spielergruppen nicht spurlos vorbeigegangen. Einige Gruppen haben sich aufgelöst, andere waren mit weniger Leuten auf dem Con. So traurig ich persönlich war, einige bekannte Gesichter nicht zu sehen, so erfreulich fand ich diese Entwicklung allerdings für das Spiel. Ich empfand das Spiel als diverser und stärker unter vielen kleinen Gruppen aufgeteilt. Dadurch hatten es Neueinsteiger, denke ich, leichter, in Lost Vegas (so der Name der neuen Stadt) Fuß zu fassen.

Apropos Lost Vegas: Die neue Stadt ist zwar kleiner als die alte, aber auch hier empfand ich die Reduzierung als Gewinn. Das Stadtspiel ist dichter, und die Stadt wirkte auf mich voller Leben und Spannung. Die neu dazu gekommenen Slums der Vorstand waren für mich eine atmosphärische Bereicherung, da sie zum Gefühl des Verfalls beitrugen und eine Mahnung an alle Ödländer darstellten, dass das Leben schnell in der Gosse enden kann.

Langsam mache ich meinen Frieden damit, dass das Wasteland des Fallen-Universums nicht mehr so tödlich ist wie in seinen Anfängen. Dafür freue ich mich immer mehr über das, was es ist: eine grandiose Endzeit-Sandbox, deren Community mit Herzblut und viel Engagement eines der immersivsten Larp-Erlebnisse zaubert – mit einer Orga die top organisiert ist, die Kreativität der Community supportet und dafür sorgt, dass in-time Ökonomie und Verstrahlungsspiel spannend bleiben.

Normalerweise schneide ich das obligatorische Con-Bändchen schon auf der Heimfahrt ab, aber das Fallen-2022-Bändchen blieb dieses Mal länger und mit mehr Wehmut am Arm.

Bis zum nächsten Jahr, du dreckiges Ödland!

Text: Simon Stülcken
Bilder: Leo Bond
(Unicorn Creations)/Lost Ideas

Weitere Artikel:

Wir verwenden Cookies, um eine optimale Lesererfahrung zu ermöglichen.