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Die Kraft der Stimme

Sprache als Mittel der Charakterdarstellung

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Kategorie: Konzepte News/Blog

Entwirft man einen neuen Charakter, macht man sich zuerst Gedanken über dessen Aussehen und Verhalten. Selten denkt man aber darüber nach, wie er eigentlich spricht. Dabei ist die Art zu sprechen etwas, was einen prägenden Eindruck hinterlässt.

Sie kann den Charakter und dessen Außenwirkung ebenso formen wie die Gewandung. Dieser Artikel soll einen Eindruck vermitteln, wie Ihr die eigene Stimme effektiv einsetzen könnt und die bestmögliche Wirkung erzielt.

 

Die eigene Stimme kennen

Um einem Charakter eine eigene Stimme geben zu können, sollte ich meine eigene Stimme kennen. Wo liegen meine Stärken und Schwächen? Wie höre ich mich eigentlich an? Habe ich einen starken Dialekt? Ist meine Stimme eher sanft oder rau? Die eigene Wahrnehmung ist oft anders als die von Freunden oder Fremden. Fragt also Freunde danach, wie sie Eure Stimme wahrnehmen oder nehmt Euch auf und hört Euch selbst sprechen. Dabei werden Euch Details auffallen, die Euch zuvor vielleicht nicht bewusst waren.

Viele Leute behaupten von sich Hochdeutsch zu sprechen, obwohl ihr Dialekt bereits nach wenigen Worten auffällt. Kaum jemand spricht dialektfrei – auch nicht in seiner Rolle. Durch gezieltes Üben ist es jedoch möglich, den eigenen Dialekt zu minimieren.

Auch das Sprechtempo ist entscheidend. Spreche ich eher schnell oder brauche ich Zeit für meine Sätze? Wie ist mein eigenes Sprechtempo und passt es zu meiner

Rolle? Sollte ich es vielleicht anpassen? Nehmt Euch auf, wie Ihr einen Abschnitt erst schnell und dann langsam lest, und Ihr werdet merken, dass die Wirkung eine andere ist.

An der eigenen Stimme kann man nur dann arbeiten, wenn man um die eigenen Stärken und Schwächen weiß. Seid ehrlich zu Euch. Achtet auf Sprachfehler oder undeutliche Worte. Nur wenn Ihr diese wahrnehmt, lassen sie sich vermeiden.


Stellt Euch vor, Ihr kommt in eine Taverne und am Tisch neben Euch sitzen ein Ork, ein Elf und ein Zwerg. Die Erwartungshaltung ordnet dem Zwerg eine tiefe Stimme und eine grobe Wortwahl zu, dem Elfen eine klare Aussprache in perfektem Hochdeutsch und eine sanfte Stimme, dem Ork ein eingeschränktes Sprachvermögen, das von grunzenden Lauten durchsetzt ist. Nun lauscht Ihr dem Gespräch und stellt fest, dass der elegante Elf einen sächsischen Dialekt hat. Der Zwerg wählt so noble Worte, dass man meinen könnte, er sei von Adel, und der Ork … kommt mit seiner Zahnprothese noch nicht zurecht und lässt ein niedliches Nuscheln hören ...

 

 

Welche Stimme passt?

In vielen Fällen kann man dem gespielten Charakter die eigene Stimme leihen. Es gibt jedoch Rollen, wo das störend wirkt. Mitspieler haben Erwartungen an gewisse Charaktertypen, was die Stimme angeht.

Gerade bei exotischen NSCs ist es wichtig, ihnen eine eigene Stimme zu geben, zum Beispiel einen orientalischen Dialekt, das Zischen einer Echse oder das raue Grunzen eines Orks. Eigenarten der Stimme lassen den Charakter realer erscheinen. Hierbei lässt sich hervorragend mit Klischees arbeiten. Macht Euch Gedanken, welche Erwartungshaltung an einen Charaktertypen gestellt wird und wie man dieser entsprechen kann.

Seid Ihr Euch nicht ganz sicher, wie Euer Charakter klingen soll, probiert verschiedene Stimmen aus. Sprecht einige Sätze im angestrebten Tonfall in ein Diktiergerät, zum Beispiel im Smartphone, und hört selbst, ob Ihr sie für den Charakter als passend empfindet. Ihr könnt Euch aufnehmen oder die Meinung von Freunden und Familie einholen. Achtet darauf, ob Dialekt und Wortwahl so klingen, wie sie sollen.

Falls Ihr Zahnprothesen nutzen wollt, übt vorher unbedingt das Sprechen! Hauer und spitze Zähne mögen schön aussehen, verfälschen aber die Stimme. Ein gefährlicher Charakter wirkt dadurch schnell lachhaft.

Bedenkt bei der Wahl eines Stimmbildes auch die Statur des Charakters. Sollte Euer Charakter durch Felle und Schulterplatten sehr massiv wirken, sollte seine Stimme nicht wie die eines zierlichen Mädchens klingen.

Richtig gewählte Kleidung kann aber auch den gegenteiligen Effekt erzielen: ein beleibterer Mensch wirkt dann zierlicher und kann als Elf durchgehen. Eine tiefe, raue Stimme arbeitet diesem Eindruck jedoch entgegen, denn ein Gegenüber erwartet unbewusst einen sanften, möglichst dialektfreien Klang.

Zu manchen Charaktertype passt Dialekt, etwa wenn ein Bauern-Charakter einen norddeutschen Einschlag hat oder ein orientalischer Charakter eine typisch südländische Sprachfärbung hat. Ein solcher Dialekt kann hilfreich sein, um den dargestellten Charakter einzuordnen, sollte jedoch geübt werden, um nicht übertrieben oder albern zu klingen. YoutubeVideos sind eine gute Hilfestellung, um sich den angestrebten Dialekt anzuhören und nachzusprechen.

 

 

Lautstärke und Tempo

Wichtige Werkzeuge für die Stimme sind die Lautstärke und das Sprechtempo. Beide können die eigene Stimme verändern und einen ganz besonderen Effekt in Situationen bringen. Spiele ich einen Heerführer, der Hunderte Soldaten befehligen muss, ist es naheliegend, dass er ein möglichst lautes Organ hat, um von allen verstanden zu werden. Niemand wird ihn ernst nehmen, wenn seine überzeugende Ansprache nur in der ersten Reihe verstanden wird. Seine Stimme muss über das Feld hallen und von seinen Leuten erkannt werden.

Für den geheimnisvollen NSC ist es sinnvoller, wenn seine Worte nur von Einzelnen gehört werden. Er sollte also nicht zu laut, dafür aber sehr klar und deutlich sprechen, da sonst der Inhalt des Gesagten nicht ankommen könnte.

Emotionen der Charaktere können durch Lautstärke ausgedrückt werden. Wut und andere negative Emotionen zeigen sich am besten durch einen lauten, kräftigen Ton, während Angst für eine leise Stimme sorgt. Hier macht sich auch das Tempo bemerkbar. Freudige Emotionen lassen die Worte schneller sprudeln, während Angst und Skepsis sie bis zum Stottern verlangsamen.

 

Das Tempo hat zudem großen Einfluss darauf, wie der Charakter wahrgenommen wird. Schnell sprechende Charaktere werden oft als nervig und unwichtig wahrgenommen, was damit zusammenhängt, dass man dem Inhalt ihrer Worte nicht folgen kann. Der Mensch kann nur eine gewisse Anzahl an Worten verarbeiten. Schnelle Sprecher schießen Informationen auf das Gegenüber ab, das aber Ruhepausen benötigt, um das Gesagte zu verarbeiten und sich einzuprägen. Das funktioniert nur, wenn der Sprecher ruhig spricht und gezielt Sprechpausen setzt.

Gerade bei diplomatischen Verhandlungen oder ernsten Diskussionen wird jenen Charakteren Gewicht beigemessen, die sich darauf verstehen.

Wichtige Worte sollten gut betont und dadurch hervorgehoben werden. Einem monoton heruntergeleierten Gespräch lässt sich schwer folgen. Es ist hilfreich, sich die Sätze gedanklich in wichtigere und unwichtigere Informationen einzuteilen und darauf zu achten, die wichtigen Informationen langsam und gut betont zu sprechen, während unwichtigere Satzteile kurz und eilig gesprochen werden können.

 

 

Hochdeutsch

Zu bestimmten Charaktertypen passt am besten eine möglichst dialektfreie Sprache. Sich das Hochdeutsche anzutrainieren, ist allerdings gar nicht so leicht, denn das ist Teil einer umfangreichen Berufsausbildung. Eine solche Perfektion kann man vom Durchschnitts-Larper nicht erwarten. Es hilft jedoch, professionellen Sprechern zuzuhören, um das eigene Sprachverhalten ans Hochdeutsche anzupassen. Hörbücher und Hörspiele können Hilfestellung leisten. Im Internet finden sich zahlreiche Übungen zum Erlernen einer klaren Aussprache, die bekannteste ist wahrscheinlich das auch als Partyspiel bekannte Sprechen mit einem Korken im Mund. Das wirkt zwar albern, zeigt jedoch bei regelmäßigem Üben einen maximalen Effekt. Eine weitere Übung ist es, die Vokale bewusst übertrieben zu betonen, denn sie werden in vielen Dialekten schlicht verschluckt. Wer ernsthaftes Interesse am Erlernen einer möglichst dialektfreien hochdeutschen Aussprache hat, kann sich gängiger Literatur bedienen. Sinnvolle Quellen sind Sprecherzieherisches Übungsbuch von Egon Aderhold (Henschel Verlag) und Der kleine Hey: Die Kunst des Sprechens (Schott Verlag).

 

Fremde Völker

Oft erlebt man, dass Völker wie Elfen oder Orks eigene Vokabeln benutzen. In einem gewissen Rahmen ist das sinnvoll, denn sie sind nicht in der Welt der Menschen aufgewachsen und kennen nicht jede Vokabel. Der Einsatz spezieller Vokabeln sorgt für ein stimmiges Gesamtbild, aber man sollte einiges beachten, vor allem, dass weniger oft mehr ist. Es mag Spaß bereiten, wochenlang Vokabeln zu lernen, aber ihr übermäßiger Einsatz sorgt schnell dafür, dass ein Gesprächspartner das Interesse verliert. Was für den einen ein großer Spaß ist, kann das Gegenüber überfordern oder langweilen. Dadurch schränkt Ihr das eigene Spiel ein. Beschränkt Euch auf einzelne, festgelegte Worte wie zum Beispiel Rassenbezeichnungen. Ein Eigenname für Zwerg oder Ork ist sinnvoll. Wenn aber jeder Baum und jede Pflanze einen fremdartigen Namen erhält, verliert ein Mitspieler schnell den Überblick.

Im Gegenzug darf ein Charakter mit einem nicht-menschlichen oder zumindest sehr fremdländischen Hintergrund, für den die normale Sprache eine Fremdsprache ist, im gewöhnlichen Sprachgebrauch zögern und länger überlegen.

Ein interessantes Spielangebot bietet sich, wenn in größeren Gruppen viele Worte einer fremden Sprache genutzt werden und ein Gruppenmitglied für Außenstehende übersetzt. Hierzu sollten aber alle Mitglieder der Gruppe die Vokabeln beherrschen und auch gleich aussprechen.

Du bist, was Du sprichst

Die Sprache offenbart den gesellschaftlichen Stand eines Charakters. Bedenkt das bei der Charaktergestaltung! Ein Bauer wird sich in einem gewöhnlichen Gespräch vermutlich keines Ihrs oder Euchs bedienen und spricht jeden mit Du an. Bei komplizierten Fachbegriffen wird er fragend dreinsehen und nicht mit anderen fachsimpeln. Ein Gelehrter hingegen sollte über ein gewisses Maß an Fachbegriffen verfügen, um sich mit Kollegen austauschen zu können, ansonsten könnte er bei häufigem Nachfragen unfähig wirken.

Informiert Euch daher out-time über Euren in-time Beruf. Ein Adeliger wird höchsten Wert auf Einhaltung der Etikette legen. Es ist daher sinnvoll, sich zu informieren, mit welchem Titel hochrangige Personen angesprochen werden. Dazu gibt es Übersichten im Internet, die man sich einprägen kann. Zum angemessenen sprachlichen Verhalten eines Adeligen zählt auch, dass nicht rüde geflucht wird und generell die Grammatik beherrscht wird. Ein Graf, der spricht wie ein Bauer, wird nur als Bauer wahrgenommen werden.

 

 

An dieser Stelle möchte ich ein Erlebnis erwähnen, dass ich vor längerer Zeit auf einem Con hatte. Es gab viele Spieler, die wenig Interesse am Plot zeigten und ihre Zeit in der Taverne verbrachten. Um sie bei Laune zu halten, wurden zwei NSC-Bauern zu ihnen geschickt, die rein zur Unterhaltung eine Frau der Hexerei bezichtigten. Dabei erwies sich die Sprache der Bauern allerdings als Problem, denn sie war so elegant und gut ausformuliert, dass sich das Tavernenvolk einig war: Das sind nie im Leben Bauern! Die Theorie wurde laut, es wären Attentäter, die sich eingeschlichen hätten, um den Burgherren zu töten. Schnell wurde der eigentliche Plot gänzlich außer Acht gelassen und die vermeintlichen Attentäter wurden zum Hauptproblem – eine Situation, die nur durch eine unpassend wirkende Wortwahl entstand.

 

Der Körper als Hilfsmittel

Stimme und Körperhaltung sind untrennbar miteinander verbunden. Es ist nahezu unmöglich, in einer zusammengekauerten, ängstlichen Position laut und kräftig zu sprechen. Hängende Schultern und ein gesenkter Kopf sorgen dafür, dass die Kraft in der Stimme fehlt. Darum ist mit dem gezielten Einsatz der Stimme immer eine bestimmte Körperhaltung verbunden. Stellt Ihr Euch aufrecht vor eine Menschenmenge, verschafft Ihr Euch automatisch Gehör, Euer Körper sorgt für eine verständlichere Stimme. Ein geduckt gehender Charakter wird es hingegen leichter haben, einen unsicheren, zittrigen Ton zu treffen. Der Körper verbindet Haltungen automatisch mit Gemütslagen. Nehmt Ihr beim Üben eines Sprachverhaltens eine bestimmte Position ein, wird es Euch leichter fallen, schnell in den Charakter zu schlüpfen und die einstudierte Stimme anzuschlagen. Für einen grimmigen Ork stellt Ihr Euch zum Beispiel breitbeinig und mit erhobenen Schultern vor den Spiegel und übt, in dessen Rolle zu sprechen. Euer Körper wird nach einiger Zeit automatisch in den angestrebten Ton verfallen, wenn Ihr diese Haltung auf einem Con einnehmt. Ebenso funktioniert es, wenn Ihr Euch eine bestimmte Geste für Euren Charakter aneignet. Legt zum Beispiel immer die Fingerspitzen aneinander, wenn Ihr den sanften Ton eines Elfen anschlagt. Fallt Ihr kurz aus der Rolle, kann eine antrainierte einfache Geste Euch helfen, schnell wieder in diese zurückzufinden.

 

 

Zu guter Letzt

Sprache und Stimme verleihen dem Charakter genau wie Kostüm, Maske und das Spiel selbst Persönlichkeit. Die Stimme zeigt eine immense Wirkung nach außen, die nicht unterschätzt werden sollte. Die eigene Sprache gezielt steuern zu können, gibt neue Möglichkeiten bei der Charakterdarstellung.

Gezielt eingesetzt werden können diese Elemente aber nur, wenn Ihr bewusst darauf achtet und bereit seid, Euch mit Eurem Sprechverhalten auseinanderzusetzen. Das benötigt Zeit, Übung und Selbstreflektion, hilft aber, ein deutlich überzeugenderes Spiel zu generieren. Probiert Euch aus und versucht einfach mal etwas ganz Neues mit Eurer Stimme. Ihr werdet schnell merken, dass dies Euer Spiel bereichern wird.

 

Text und Bilder: Jaal Leine

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