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Syrills Hoffnung

Ein spiel um Religiösen Wahn in Zeiten des Unabhängigkeitskrieges

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Kategorie: News/Blog Veranstaltungen

Das Carillon-Setting gibt es nun schon seit einigen Jahren. Es spielt in einem fiktiven Land namens Glockenspielküste, in einem Setting, welches an das Nordamerika des 18. Jahrhunderts angelehnt ist. Hier tobt, ähnlich zu der historischen Vorlage, ein Bürgerkrieg. Reenactor mögen hier widersprechen, aber Linieninfanterie und schmucke Uniformen allein machen im Larp noch kein gutes Con. Deshalb entschloss sich die Orga, diesmal ein sehr spezielles Setting zu bespielen und es bis zum Spielbeginn geheim zu halten.

Den Spielenden stellte sich die Situation zunächst wie folgt dar: Abgekämpft und müde kamen ihre Charaktere aus den Wirren des Bürgerkrieges – die meisten von ihnen auf dem Weg nach Trödheim, um diese Hochburg der Rebellion im Kampf gegen die Rotröcke zu unterstützen – und stießen auf eine kleine Siedlung am Rande der Zivilisation. Hier angekommen wurden sie von sehr freundlichen Mitgliedern einer Gemeinde begrüßt, die allen weltlichen Besitz abgelegt hatten und ihnen Obdach und eine warme Mahlzeit anboten, solange sich die Reisenden von Gewalt fernhielten und die Gesetze des Eynen achteten.

Nach und nach stellten sie jedoch fest, dass etwas mit dieser Gemeinde nicht stimmen konnte. Hinter der freundlichen Fassade des Gemeindevorstehers, Präsus Cassius, lauerte etwas Manipulatives und Herrisches. Auch waren nicht alle in der Gemeinde heimischen Menschen so begeistert über das Leben hier, wie sie es zunächst vorgaben. Die Sekte entpuppte sich als so weltfern, dass selbst im Angesicht des Bürgerkrieges das Tragen von Waffen nicht gestattet wurde. Dies erschien vielen neu Ankömmlingen als geradezu selbstmörderisch. Auch die autoritäre Führung der Sekte war den Charakteren schnell ein Dorn im Auge. Daher bemühten sie sich, die Gemeindemitglieder davon zu überzeugen, den Ort mit ihrer Hilfe zu verlassen.

 

 

Dass am Ende auf alle nicht geflohenen Gemeindemitglieder der Schierlingsbecher beim letzten Abendmahl wartete, wusste indes nur der Präsus. Auch out-time war einigen Sektenmitgliedern (allen GSCs) nicht klar, was Cassius im Schilde führte. Tatsächlich schafften es die Spielenden, zwei der acht Gemeindemitglieder zur Flucht zu bewegen. Die SCs handelten hier vor allem aus zwei Motivationen: Die einen sahen den herannahenden Bürgerkrieg und vermuteten, dass der Krieg die unbewaffnete Gemeinde sowieso hinwegfegen würde. Die Mehrzahl der SCs hatte allerdings Mitleid mit den recht naiven Jüngern der Sekte, die unter der zwar freundlichen, aber dennoch autoritären Art des Präsus litten. Bei anderen Mitgliedern der Sekte führte allerdings die Interaktion mit den SC dazu, dass die Sektenmitglieder wieder in der Gunst des Präsus stiegen und so als Belohnung auch vom vergifteten Becher trinken durften. Eigentlich hätte nämlich ein Mitglied, das sich besonders schusselig angestellt hatte, nicht mit ins Jenseits genommen werden sollen. Nach dem tragischen Abendmahl, bei dem der Präsus Cassius schließlich seine Ansichten über das Nahen der Endzeit und den Verfall des Glaubens ausbreitete, das Gift getrunken und die Toten aufgebahrt worden waren, blieb kaum Zeit zum Trauern.

Denn nun brach die äußere Welt in Form eines Stoßtrupps von Rotröcken und Greens Rangern über diesen zurückgezogenen Flecken Erde herein ...

 

 

Für mich hatte das nun einsetzende Kampfgetümmel zwei positive Auswirkungen: Zum einen konnte ich nun mit dem Spiel eines Kampf-NSC die Rolle des nach außen freundlichen, aber grausamen Sektenanführers verlassen, die ich bis dahin innehatte. Bis jetzt hatte ich selten die Antagonistenrolle auf Larps eingenommen. Am Samstag hatte es immer wieder Zeiten gegeben, zu denen ich eine Pause von mir selbst brauchte und einfach mal allein im out-time Bereich sitzen musste, um danach wieder als Cassius das Spiel zu betreten. Nun bot sich mir die Gelegenheit, Säbel und Pistole schwingend das Charakterkorsett der Frömmigkeit und Überheblichkeit abzustreifen. Dazu sei noch gesagt, dass ich positiv überrascht von der Darstellung der Feuergefechte war. Es wurden Musketen und Pistolen mit Knallplättchen benutzt, und alle Leute, denen ich begegnet bin, haben sowohl das Nachladen, das in Deckung Gehen als auch die Treffer toll und cineastisch ausgespielt. Einen besonderen Dank an dieser Stelle an die Crew der Lightning, die nach dem Kampf auch noch ein beeindruckendes Verwundungsspiel bis in den Abend hinein durchgezogen hat.

Die zweite Sache, die ich positiv hervorheben möchte, war, dass der Angriff sich dramaturgisch gut in das gesamte Spiel einfügte. Normalerweise finde ich Endschlachten eher ermüdend und aufgezwungen. Hier passte es meiner Meinung nach aber wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Es wurde der Schatten des Krieges schon während des Spiels immer mal wieder thematisiert, entweder durch die Hintergrundgeschichten der Spielenden oder durch Nachrichten von außen in Gestalt von Boten oder einer gefangenen Soldatin. So wurde nach einem psychologischen und emotionalen Tiefpunkt des (Selbst-)Mordes der Gemeinde ein actionreicher Gegenakzent gesetzt. Mit den kontinentalen Truppen der Lady Liberty, den Rebellierenden und anderen Abenteuren gab es viele Charaktere, denen eine Konfrontation mit dem in-time Feind gerade recht kam.

Dem Angriff voraus ging ein geflüchteter Trödheimer, der die Kunde verbreitete, dass Trödheim gefallen sei. Der Moment, in dem dieser auf den Hof geeilt kam, war ein Dreh- und Angelpunkt für viele Charaktere im Carillon-Setting. Daher denke ich, dass dieses Con, nach einem engen Fokus auf diese kleine Gemeinde und einer Reflektion über religiösen Fanatismus, das Fenster weit aufgestoßen hat, um auf nachfolgenden Cons wieder politische und militärische Ereignisse in den Fokus zu stellen. Auch wenn es gerade diese kleinen und unerwarteten Geschichten sind, die einem historisch aufgeladenen Setting die nötige Würze verleihen.

Einen großen Dank noch einmal an die Orga. Wie bereits erwähnt, habe ich noch nicht oft Bösewichte im Larp gespielt. Mit 25 Seiten Hintergrundmaterial zum ceridischen Glauben, den Hintergründen zum eigenen Charakter und den Mitgliedern der Gemeinde fühlte ich mich aber sehr gut vorbereitet. Die Gewandungen für die Sekte empfand ich als sehr gelungen. Auch möchte ich hervorheben, wie gut es die Spielleitung schaffte, neben den OrgaAufgaben immer wieder in diverse NSC-/ GSC-Rollen zu schlüpfen, um damit das Spiel zu bereichern. Danke für eine tolle Larp-Erfahrung. Es war mein erstes Mal in diesem Setting, wird aber bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein.

 

Text: Simon Frerk Stülcken
Bilder: André Freitag

 

Ceridisches Glauben

Der Glauben der Ceriden kommt eigentlich aus dem Fantasy-Larp und orientiert sich stark am Christentum. In entscheidenden Punkten weicht der Glaube aber vom historischen Christentum ab. So glauben Ceriden normalerweise an die Wiedergeburt. Im Spiel Syrills Hoffnung wurde aber eine Sekte bespielt, die daran glaubt, dass jeder Mensch nur genau ein Leben hat, um eine religiöse Basis für die Mordgedanken des Vorstehers zu schaffen.

 

Infos

Die Carillon-Kampagne wird seit 2016 von mehreren Orgas in einem losen Verbund bespielt und die Handlung immer weitergesponnen. Neben den sich jährlich abwechselnden Veranstaltungen der Newport-Orga und Trödheim-Orga finden mehrere Cons im Jahr statt, die ganz unterschiedliche Aspekte des Settings behandeln.

 

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