Warum ein Wandercon?
Jeder kennt diese typische Zeltplatzatmosphäre. Viele Spieler sitzen vor ihrem Zelt und warten, dass der Plot zu ihnen kommt. Nur nicht zu viel machen müssen … Was, wenn die Spieler nun gar keine andere Wahl haben, als zum Plot zu laufen bzw. durch den Plot zu wandern?
Mit dem Gefühl, dauerhaft beobachtet zu sein, unterwegs mit sämtlicher Ausrüstung, die man eventuell gebrauchen könnte, immer und immer wieder mit neuen Orten, Landschaften und der entsprechenden Ungewissheit konfrontiert, was wohl hinter der nächsten Ecke erscheinen mag … eine dauerhaft hohe Anforderung insbesondere an die Späher!
Wenn der Veranstalter einen guten Intime-Grund bietet, einer gewissen Fährte zu folgen, können Ereignisse sehr gezielt an festgelegten „Stationen“ geplant werden. Und durch die zusammengehaltene Spieler-Gemeinschaft behält die Spielleitung einen gesunden Überblick über die Verfassung der „Gefährten“. Leider gibt es nicht viele Länder oder Regionen, die noch mit einer weitgehend unberührten Natur aufwarten können. Wenn man also die Spieler tatsächlich auf eine Mission schicken will, ohne dass sie permanent irgendwo mit den Zeugnissen der Jetzt-Zeit konfrontiert werden, muss man schon etwas weiter weg nach einer passenden Gegend suchen. Schottland ist so eine Gegend.
Wandercon in Schottland
Ich habe Schottland in meiner Kindheit kennen und gleich lieben gelernt. Als ich vor drei Jahren beschloss, den West Highland Way (WHW) einmal komplett und alleine zu laufen, wurde damit der Grundstein für ein fantastisches Abenteuer gelegt. Auf meiner damaligen Wanderung wachte ich morgens immer mit den Vögeln auf und lief entsprechend früh los. So hatte ich das Glück, kaum auf Wanderer zu treffen. Die unberührte Natur und Wildheit dieses Landes hat mich schon immer fasziniert.
Weit und breit keine Motorengeräusche. Kein Lärm, kein Stress, keine Hektik. Nur pure Natur in ihrer abwechslungsreichsten und wildesten Form. Während der gesamten 150 Kilometer war ich quasi die meiste Zeit allein unterwegs. Wenn in dieser Zeit plötzlich jemand schwertschwingend hinter einem Stein hervorgesprungen wäre – tja, wen hätt’s gewundert?! Und so wurde der Gedanke geboren, aus Fantasie Realität werden zu lassen.
Neun Monate im Voraus begannen wir mit der eigentlichen Planung (empfehlenswert wäre ein ganzes Jahr). Wir organisierten Transporte in Deutschland sowie einen Gepäcktransport vor Ort. Die Spieler sollten sich nicht mit unnötigem Ballast abschleppen. Schnell waren 30 Plätze vergeben, und wir begannen, einen Plot um die SCs zu stricken. Wir wollten die unglaubliche Landschaft mit Rätseln und Kämpfen zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Und wenn ich so zurückblicke, ist uns dies auch gelungen.
Wir wählten den schönsten Teil des Weges aus und teilten ihn in fünf Etappen von je circa 20 Kilometern ein. Untergebracht waren wir in meist ambientigen Herbergen (mit Kochmöglichkeit) in Rowardennan, Inverarnan, Tyndrum, Kinlochleven und Fort William. Für die Fußlahmen gab es Transporte. Wir bestiegen den höchsten Berg Schottlands, besichtigten historische Höhlen und Orte sowie Drehorte von Highlander und Braveheart.
Und wenn man mal vom ersten Tag mit (teilweise) Sturm und Hagel absieht, hatten wir die ganzen zehn Tage sonniges Wetter. Die Spieler waren hellauf begeistert, und noch während der letzten Tage stand fest: Alle wollen wieder mitkommen! Und das nicht nur wegen der traumhaften Landschaft.
Doch nicht nur für die SCs war dies ein wahres Abenteuer. Trotz aller Mühen und Tücken war es unglaublich schön und wird unvergesslich bleiben. Auf dem langen Weg hat die Gruppe recht schnell zusammengefunden, und jeder Einzelne ist uns ans Herz gewachsen. Wir hatten einen Traum, und jeder Einzelne, der mit uns gekommen ist, hat diesen Traum Wirklichkeit werden lassen.
Worauf sollte man achten?
Unterkunft und Verpflegung: Bei zehn Tagen und mehreren Orten kann die Organisation schnell heikel werden. Nicht jede Herberge hat den gleichen Standard, z. B. Decken und Laken. Und nicht an jedem Ort kann man wie gewohnt einkaufen, um den Hunger zu stillen. Dies alles muss vorab in Erfahrung gebracht und berücksichtigt werden: auch, dass es nicht überall einen Bankautomaten gibt, an den man mal eben kann, wenn unvorhergesehene Kosten auftreten, z. B. Bus oder Taxi, wenn jemand nicht mehr laufen kann. Man sollte bereits vorher wissen, ob und wo es Transportmöglichkeiten für den Notfall gibt.
Wegkunde: Man sollte keine Tour planen, die man nicht vorher schon einmal abgelaufen ist. Und dabei reicht es nicht, wenn einer allein die Strecke kennt. Da es bei einer solchen Wanderung ja mindestens zwei Gruppen gibt (NSCs/SCs), sollte in jeder Gruppe mindestens eine Person mitlaufen, die die Tücken vereinzelter Wegabschnitte kennt – Entfernung, Wegbeschaffenheit und geeignete Plätzchen für Pausen.
Kommunikation: Die Gruppen untereinander sollten für Notfälle erreichbar sein. Dabei ist es wichtig, vorher zu wissen, ob während der gesamten Strecke ein Funknetz für Handys besteht oder ob Funkgeräte ausreichen. Ich für meinen Teil empfehle Handys. Prepaid-Karten hat zwar jedes Land, aber in unserem Fall hatten wir mit unseren deutschen Karten besseren Empfang als mit den englischen (die gar keinen Empfang hatten).
Andere Länder, andere Sitten: Nicht jedes Land hält es mit Organisation so, wie wir es vielleicht gewohnt sind. Man sollte sich auf jeden Fall zu allen Buchungen schriftliche Bestätigungen schicken lassen. Und lieber alles zweimal bestätigen lassen und hinterfragen. Manche Bezeichnung bedeutet außerdem nicht das, was wir darunter verstehen. Beispiel Zimmerreservierung: Zwei TENS sind nicht zwei Zehnerzimmer – es sind Jugendsuiten, in die nur zwei Leute passen! Das kann schnell zu unerwarteten Überraschungen führen.
Gruppenbuchungen: Überraschungen können aber auch bereits im Inland während der Planung auftauchen. So ist bei der Anreise zu beachten, dass Staffelpreise von Reiseunternehmen geändert werden und höher ausfallen können als geplant. Das kann eine Con-Planung schnell an die Grenzen des Machbaren führen, zumindest das Budget der Planer.
Unterhaltung: Bei all dieser theoretischen Planung gilt es jedoch, einen ganz wichtigen Aspekt nicht zu vergessen: Wir hatten das große Glück, einen hervorragenden Barden dabei zu haben. Nicht nur abends, ob in Pubs oder in den Herbergen, auch unterwegs, wenn der Marsch hart und anstrengend war, hatte er immer ein fröhliches Lied auf den Lippen und war sich niemals zu schade oder zu müde, uns aufzumuntern. Hier unserem Barden nochmals unseren tiefsten Dank – und nicht nur wegen der schönen Lieder (die er sogar im Flugzeug noch anstimmte)!
Text und Fotos: René Höpfner
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de