Seit dem New Order 2003 sind die Thalhofer durch ihre außergewöhnliche Spielweise bekannt wie ein bunter Hund. Sie legen viel Wert auf ihr Erscheinungsbild bezüglich Kleidung, Ambiente und durchgehendem Spiel. Doch sind sie nicht wirklich bei allen beliebt:
- Von vielen – insbesondere ihren Auftraggebern – werden sie geschätzt und bewundert, weil sie mit ihrer gut strukturierten Streitmacht ganze Horden von Gegnern sprichwörtlich nieder walzen. Dafür lohnt sich die Geldausgabe!
- Von anderen – insbesondere Söldnern – werden sie mit Missgunst betrachtet, weil sie mit einer gewissen Überheblichkeit das viele Geld von Auftraggebern bekommen, das sie selbst gern hätten.
- Viele ihrer befeindeten Spieler fürchten sie, weil sie nicht allzu große Hemmungen haben, Todesstöße zu setzen.
- Und dann gibt es noch diejenigen, die sie In-Time wie auch Out-Time für arrogante Spieler halten, weil sie sich auch zielstrebig und mit Durchhaltevermögen so verhalten – InTime!
Was hat es nun auf sich mit diesem Tross? Sind sie wirklich arrogant oder spielen sie das nur so gut? LARPzeit hat sich insbesondere deshalb damit beschäftigt, weil sie beim „Conquest of Mythodea 2004“ selbst das Vergnügen (und den Stress) hatten, einmal mitten drin zu sein und mitzubekommen, warum diese – Out-Time wirklich gar nicht arroganten – Thalhofer diesen zwiespältigen Ruf genießen.
Geschichte des Trosses
Der Thalhofers Tross ist eher zufällig aus einer Laune heraus entstanden. Anno 1999 beschlossen die 6 Gründungsmitglieder, ein Spiel einer anderen Hamburger Organisatorengruppe zu besuchen. Da sie deren Welt nicht kannten und auch nicht tiefer einsteigen wollten, hielten sie es für schlau, sich Söldnercharaktere zu „bauen“, die mit der Politik und den Interna dieser Spielwelt nicht viel am Hut hatten.
Aus Interesse für die frühe Renaissance und aus Liebe zu den schönen bunten Kostümen haben sie diese kleine Gruppe dann weiter als Landsknechte spezifiziert. In Anlehnung an das bekannte „Talhoffers Fechtbuch“ von 1443 ist der Name „Thalhofers Troß“ entstanden. Auf dem ersten Spiel hatte der Ur-Tross viel Spaß, trat jeder Obrigkeit und jedem Adeligen gehörig auf die Füße und rekrutierte vor Ort einen weiteren Spieler. Im Jahr darauf – auf dem Söldnerspiel „Blutfelden“ – konnten sich schon 15 Spieler für das Konzept begeistern. Daraufhin wurde diese Gruppe dann ad acta gelegt – entsprechend der Philosophie, Charaktere selten mehr als ein- oder zweimal zu spielen.
Im Jahre 2002 überlegte man, mit dem „New Order I“ eine der ersten Großveranstaltungen im LARP zu besuchen. So wurden diese Charakterkonzepte wieder aus dem Bodensatz abgelegter Charaktere gegraben und man schloss sich mit weiteren Bekannten – hauptsächlich aus der Phönix-Welt – zusammen, um den „Thalhofers Troß“ erstmals als größere Gruppe zu spielen.
Der Landsknecht-Hintergrund wurde noch etwas verfeinert und einige recht strikte Regeln erdacht, was die Kostüme und das Lagerambiente betrafen. Schließlich wollte man als Gruppe was hermachen! Die 30 Leute, die sich auf diesem Spiel zusammenfanden, hatten so viel Freude an dem Spiel als Landsknechtgruppe, dass man beschloss, dieses Konzept für weitere Großevents beizubehalten. So besuchten die Thalhofer – inzwischen auf 50 Mitglieder angewachsen – auch das „New Order II 2003“, das „Conquest of Mythodea 2004“ und die Schlachtenconvention „Akron vs. Aredroque“ 2004. Mehr als diese sechs Spiele haben die Thalhofer noch nicht auf dem Buckel, für die Spieler des Trosses ist das allerdings schon erstaunlich viel.
Das Ambiente
Der „Thalhofers Troß“ ist eine Gruppe, die versucht, sich ein Stück weit an die historischen Landsknechte des frühen 16. Jahrhunderts anzulehnen. Das nehmen die Thalhofer nicht allzu genau, denn schließlich spielt man LARP in einer Fantasy-Welt und macht nicht Reenactment. Diese historische Anlehnung hilft aber, die optische und spielerische Homogenität der Gruppe nach außen und innen zu erhöhen.
Vor dem ersten größeren Spiel wurden einige Richtlinien beschlossen, an die sich jeder Thalhofer In- und Out-Time halten muss. Ein Teil der Richtlinien zielt darauf ab, das Lagerambiente zu erhöhen. So dürfen Thalhofer keine Igluzelte, Gartenpavillions oder ähnliches aufstellen, keine Gartenklappstühle etc. verwenden und auch Plastikverpackungen und Tetra-Packs sind außerhalb des Zeltes verboten.
Darüber hinaus nehmen sich so viele der Spieler wie möglich vor dem Spiel immer mindestens einen halben Tag Zeit, das Lager mit Fahnenmasten, Palisaden, Waffenständern, einer langen Tafel und weiteren Dingen zu verschönern. Außerdem ist es zwingend, ein Kostüm zu tragen, das sich mit Landsknechten oder deren Tross assoziieren lässt. Diese Anforderungen wirken natürlich ein bisschen elitär, da nicht jeder über die finanziellen Mittel verfügt, dem „Dresscode“ zu entsprechen. Aber in solchen Fällen hat man bisher immer eine Lösung finden können.
Bei der Ausrüstung nehmen die Thalhofer es dann auch nicht zu genau, da die Strukturen eines LARP eben nicht mit den historischen Gegebenheiten zu vergleichen sind. Zu viel Detailtreue kann dann schon wieder penibel und verbissen wirken. Wo die historischen Landsknechte einen massiven Wall aus Piken aufstellten, benutzen die Thalhofer im Kampf historisch eher unkorrekte Schilde in der vorderen Reihe, da Piken als Stoßwaffen im LARP nun mal nicht realisierbar sind. Da siegt der Pragmatismus.
Neben der kämpfenden Truppe hat sich im Laufe der Zeit auch ein wahrer Tross gebildet, der aus Köchen, Schmieden, Marketenderinnen, Sudlerinnen und Feldscheren besteht und mit einer extraordinär guten Gemeinschaftsverpflegung und vielerlei Kurzweil in den Pausen zwischen den Kämpfen für Ambiente sorgt. Dies trägt viel zum Zusammengehörigkeitsgefühl der Thalhofer bei. Die Trossmägde werden auch im Kampf integriert, indem sie heilen, Befehle weiterleiten oder zerschlagene Schilde gegen Ersatzschilde vom mitgebrachten Bollerwagen austauschen. Besonders neidische Blicke ernten die Thalhofer, wenn die Köche und Trossmägde in den Kampfpausen auf dem Schlachtfeld Erfrischungen und Schnittchen an die kämpfende Truppe verteilen.
Die Spielphilosophie
Drei Hanseln sind kein Tross. Da die Thalhofer Spieler nicht möchten, dass das Spielkonzept sich in Kleingrüppchen zerfasert, die aufgrund der geringen Zahl die auferlegten Standards nicht halten und nicht als homogene und eigenständige Einheit auftreten können, hat man festgesetzt, dass der Tross nur dann als „Thalhofers Troß“ irgendwo auftauchen kann, wenn eine Mindestgruppenstärke von 20 Mann erreicht wird. Magie lehnen die Thalhofer ab. Sie dulden keine Magier in ihren Reihen und sind äußerst skeptisch gegenüber allen Formen der Magie. Im Kampf wird Magie grundsätzlich als feige und unehrenhaft betrachtet. Trotzdem hat der Tross schon für und mit Magiern gearbeitet. Gemäß dem Motto, dass jeder den Tross mit Wortgewandtheit und Kompetenz davon überzeugen kann, achtenswert zu sein, sei er nun König, Bauer oder ein Vertreter der untersten Stufe verachtungswürdiger Kreaturen, eben Magier...
Die überwiegende Mehrheit der Thalhofer entstammt dem Phönix-Spielsystem. Wenn jene ein Spiel aus dem Umfeld der Mittellande besuchen, dann versuchen sie, sich der vorherrschenden Spielphilosophie anzupassen, aber doch nicht ganz auf ihre Grundwerte zu verzichten. Das ist oft nicht einfach, da der Spielansatz in einigen Punkten signifikant abweicht. Die „harte Linie“ der Thalhofer wird meist von den Auftraggebern geschätzt, sie hat aber auch schon einige Kritik anderer Spieler eingebracht.
Einer der ewigen Streitpunkte ist der Umgang mit dem Charaktertod. In der Phönixwelt kann einen Spieler der Tod täglich ereilen. Bei der überwiegenden Mehrheit der Mittellande-Spieler ist das gewaltsame Ableben im Spielkonzept nicht vorgesehen. Die Diskussionen über dieses Thema in diversen Foren sind ja hinlänglich bekannt und sollen hier auch gar nicht weiter erörtert werden. Auch beim Charaktertod versuchen die Thalhofer, sich der vorherrschenden Spielphilosophie anzupassen. Völlig sinnloses und unmotiviertes Töten von Spielercharakteren ist natürlich auch bei Phönix nicht üblich. Aber ebenso in Fällen, in denen nach der Phönix-Philosophie der Tod eine nahezu unausweichliche Folge der Interaktion ist, lässt man das Schwert beim Besuch von Mittellandespielen meist rechtzeitig sinken. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel...
So sind denn doch im Laufe der Jahre schon ein gutes halbes Dutzend edle oder weniger edle Recken von der Hand eines Thalhofers verstorben. Einige leider aus einer Überreaktion im Eifer des Gefechtes, andere weil sie geradezu darum gebettelt haben. Es werden nicht die letzten gewesen sein, aber die Zahl der Toten, die den Weg des Trosses pflastern, war entgegen anderslautenden Gerüchten niemals groß und wird auch nicht sprunghaft steigen. Ein wichtiges Rollenelement der Thalhofer ist das provozierende und überhebliche Auftreten und die Ignoranz gegenüber Adels- und Machtstrukturen. Vorbilder sind auch hier die historischen Landsknechte und Schweizer Reisläufer, die mit ihrer damals neuen Gefechtstaktik die Vorherrschaft des Ritterstandes auf dem Schlachtfeld beendeten und den Stolz daraus auch in einem neuen Selbstverständnis im Umgang mit ihren Zeitgenossen ausstrahlten.
Die Landsknechte entstammen einer Zeit des Umbruchs vom Mittelalter in eine moderne Welt. Und diese Attitüde versucht auch der „Thalhofers Troß“ zu verkörpern. Der Tross übt sich also immer in demonstrativer Missachtung von Titeln. Wer von den Thalhofers geachtet werden will, muss seine Kompetenz erst beweisen. Dann ist es aber auch egal, ob derjenige König oder Bauer ist. Diese Attitüde ist schon des öfteren mit echter Arroganz verwechselt worden. Das nehmen die Thalhofer gerne in Kauf. Und manchmal ist auch der eine oder andere Thalhofer über das Ziel hinausgeschossen und hat diese Spielattitüde in Out-Time-Bemerkungen an den Tag gelegt. Nicht schön, aber bei 50 Leuten leider schwer zu verhindern. Doch wer sich die Mühe macht, die Thalhofer kennen zu lernen, wird den Unterschied zwischen Spiel und Realität schnell erkennen.
Die Zukunft des Trosses
Der „Thalhofers Troß“ wird noch so lange gespielt, wie die Mitglieder Spaß an diesem Konzept haben. Das mag nach der nächsten Veranstaltung enden oder auch noch einige Jahre anhalten. Konkrete Zukunftspläne gibt es nicht. Der Tross ist nur eines von vielen Spielkonzepten. Wichtig ist, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und nicht am Leben des Charakters oder dem Fortbestand der Thalhofers als Gruppe zu hängen, damit das Spiel nicht verkrampft wird.
Die Gruppengröße soll, wenn überhaupt, nur moderat gesteigert werden, da zu viele Teilnehmer mit zu vielen Meinungen schwierig für die Trennschärfe des Konzeptes sind. Und es würde zunehmend schwieriger werden, Auftraggeber zu finden, die sich eine Söldnergruppe von weit über 50 Mitgliedern zu leisten, selbst wenn man Dumpingpreise pro Mann macht. So versucht der „Thalhofers Troß“ bis auf Weiteres dem zu entsprechen, was man zu Beginn ihrer Karriere auf dem Söldnerspiel „Blutfelden“ über sie in das sogenannte „Buch des Soldes“ schrieb: „Der Thalhofers Troß ist eine äußerst effiziente und zuverlässige Kampfeinheit, die allerdings eigensinnig und schwer zu steuern ist. Einmal in Bewegung versetzt sind sie schwer aufzuhalten.“
Text: Frank Bauer, Torsten Buchmann
Bilder: Christian Schmal, Alexander Beseke, Mark Mittmann, Caroline Brandt
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de