Zauberwelten: Steigen wir gleich voll ein – wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Moritz Jendral: Noch vor ungefähr neun Jahren hatte ich mit dieser Materie nichts am Hut und fand diese tatsächlich ziemlich langweilig, überflüssig und uninteressant. In diesen heutigen Wahnsinn bin ich aus einer Art Zwang reingewachsen. Ich hatte beschlossen, ein Jahr durch Australien zu tingeln, und mein Vater verdammte mich dazu, eine Kamera einzupacken. Jegliche Verweigerung ist immer wieder in Stress ausgeartet. Die Dickköpfigkeit meines Vaters war so unüberbrückbar, dass es sinnvoller war, mich zu fügen. Also hatte ich schließlich einen Klotz im Gepäck und war Besitzer meiner allerersten eigenen Kamera. Ich zog los und fing mit der Zeit an, immer mehr zu knipsen. Automatik-Modus an, Auslöser drücken, Aufnahme fertig! Gefühlte 200.000 unkreative und stupide Klicks später wuchsen die Kamera und ich deutlich besser zusammen. Im ersten Viertel meiner Reise stolperte ich bei einem spontanen Stopp außerdem über eine Fotogalerie von Peter Lik – ein Landschaftsfotograf, der mich total in seinen Bann zog. Ab diesem Moment fotografierte ich bewusster, zwar immer noch unglaublich unwissend und unüberlegt, aber ich fand Spaß daran und das ist ja schlussendlich immer der beste Lehrmeister.
Ein paar Jahre später entschloss ich mich, eine Schule für Fotografie in München zu besuchen. Ab diesem Moment hatte dieses Medium mich fester im Griff als jemals zuvor. Im letzten Schuljahr lautete das Abschlussthema My secret life und führte mich zurück zu meinem Hobby Larp.
Heute bin ich seit vier Jahren selbstständiger Fotograf, und obwohl es manchmal schwer für mich war, an meine Vision zu glauben und durch das eine oder andere finanzielle Loch zu kommen, hat mich ein Gefühl immer wieder angetrieben weiterzumachen. Fakt ist, dass es mir jeden Tag eine Freude ist, mit der Fotografie zu arbeiten, denn ich habe noch lange nicht ausgelernt oder habe das erreicht, was ich mit diesem Medium noch erreichen möchte.
In letzter Zeit durfte ich zum Glück immer wieder spüren, dass es sich lohnt dran zu bleiben. Wenn man morgens wach wird und bemerkt, dass selbst nach viel Zweifel, Trauer, Angst und Ärgernissen der Job mehr Spaß macht als am ersten Tag, dann weiß man, dass dieser Weg der richtige ist. Perspektive, Schärfentiefe, Farbe und das abgebildete Objekt in einem kurzen Moment wahrzunehmen und zu einem großen Ganzen zu verbinden, dabei die Vergangenheit in einem Augenblick so einzufangen, dass sie jeder versteht, ist wahre Kunst. Das jage ich jeden einzelnen Tag.
Du kennst bestimmt das Sprichwort Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Bilder einzufangen, die etwas erklären können, ohne dass man viel dazu sagen muss – das ist genau die Aufgabe.
ZW: Gibt es da beim Larp einen besonderen Reiz für dich oder macht es keinen Unterschied, in welchem Setting du auf der Jagd nach guten Momenten bist?
Moritz: Im Grunde kann man als Fotograf im Larp das Ganze als Schule für sich nutzen. Denn ob man nun Bilder stellen und selber dirigieren möchte oder lieber dokumentarisch seine Stärken trainiert – vollkommen egal welcher fotografische Bereich, auf Cons finden sich unendlich viele Möglichkeiten.
Es geht mir um den Reiz, in jeder Spielsituation das Beste aus dem Geschehen zu machen, ohne dabei ein störender Faktor zu sein. Mitten in der Welt zu sein und doch niemandem das Spiel zu zerstören. Zu wissen, wann man sich wie zu bewegen hat und jedes noch so schlechte Licht ohne einen Blitz zu bewältigen.
Mittlerweile muss ich sagen, dass es mir wichtig ist, dass das Con auf einer etwas anderen Location als einem einfachen Zeltplatz spielt. Denn von weißen und schwarzen Zelten im Hintergrund habe ich genug. Mit einer Burg, Palisaden, Aufbauten oder abgefahrener Natur kann ich mehr Stimmung in die Bildsprache packen, als bei einer flachen, gleichmäßig gemähten Zeltwiese.
Ein weiterer, aber wichtiger Reiz, der mich schon seit einem Jahr begleitet und nichts mit meiner eigentlichen fotografischen Aufgabe zu tun hat, ist zu verstehen, wie das gesamte Konstrukt Larp funktioniert.
ZW: Hast du eine Art Philosophie, nach der du arbeitest?
Moritz: Einige haben schon Folgendes aus meinem Mund gehört: Alles für die Kunst! Solange es um die Fotografie geht, gebe ich hundert Prozent und versuche, jedes eigene Limit zu brechen. Ständige Selbstkritik, um sich stetig zu verbessern, denn Kunst kennt kein Ende. Ich habe es schon angesprochen, dass es mir auf Cons sehr wichtig ist, Situationen nicht zu stören. Denn es geht jedem Teilnehmer um das Erlebnis, welches das Hobby mit sich bringt und welches ich für deutlich wichtiger halte als die Bilder, die eventuell entstehen könnten. Leider lässt sich das aber nicht immer vermeiden. Neue Konzepte, die ich gerade ausarbeite, könnten das möglicherweise vermindern.
Ansonsten möchte ich, dass nicht nur die Veranstalter oder die abgelichteten Teilnehmer glücklich sind, ich möchte die Außenwelt faszinieren und begeistern, sie möglicherweise dazu bewegen, dieses facettenreiche Hobby selbst einmal zu erleben.
ZW: Du hast Dich dazu entschieden, Dich über Patreon zu finanzieren. Wie funktioniert das, warum kamst Du auf die Idee und was sind Deine bisherigen Erfahrungen damit?
Moritz: Man hat bei Patreon die Möglichkeiten, einem Künstler, den man für unterstützungswürdig hält, monatlich eine Spende zukommen zu lassen, damit dieser wachsen kann. Ich bin über Dimitrie von Nuclear Snail Studios darauf gekommen und dachte, ich versuche es einfach und schaue, was alles passieren kann. Es scheint in Deutschland noch eine etwas kritisch beäugte und ungewöhnliche Art der Unterstützung zu sein. Aber manche Dinge brauchen zum Etablieren etwas Zeit. In keinem Fall möchte ich nur wegen mir auf Patreon aufmerksam machen. Viele Künstler, die ich kenne, sind dort, und es ist schön zu sehen, dass jeder von ihnen neue Hoffnung schöpfen konnte. Meistens ging es dabei weniger um das Geld, sondern mehr um den Glauben an die eigenen kreativen Fähigkeiten.
Für mich bedeutet Patreon, dass ich durch die sehr hilfreichen Spenden, für die ich unbeschreiblich dankbar bin, dieses Jahr fast alle Unkosten decken kann. Dadurch kann ich deutlich entspannter und fokussierter arbeiten und meine geplanten Projekte leichter verwirklichen. Ich denke, jedem Künstler schenkt diese Wertschätzung Mut, Kraft und ein Selbstbewusstsein weiterzumachen!
Bei meinem Patreons, so heißen die Unterstützer, war es bisher so, dass sie am Ende des Jahres ein Dankespaket bekamen. Nach einem Jahr bin ich aber auf einige Probleme in meinem System gestoßen und überarbeite alles aktuell. Es soll für jeden einfacher werden, sein persönliches Dankeschön aus der Unterstützung zu ziehen, ohne dass ich unüberblickbare Zusatzarbeit bekomme wie bisher.
Jeder, der finanziell überhaupt keine Möglichkeiten hat, kann aber dennoch viel für seinen jeweiligen Lieblingskünstler machen. Denn alleine das Teilen von Arbeiten auf den sozialen Netzwerken kann unglaubliche Ausmaße annehmen und neue Menschen erreichen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass viele kreative Köpfe sich darüber freuen würden, wenn diese Medien mehr genutzt werden würden.
ZW: Angenommen, ich würde dich buchen wollen – was muss ich tun?
Moritz: Kommt ganz drauf an, wofür, wann und wo. Für ein Larp wird man mich erstmal schwer buchen können, denn wenn ich von der Fotografie leben will, müsste ich eine Summe fordern, die keine Orga stemmen kann. Ich tüftele immer noch an Konzepten herum, aber bisher habe ich keine Lösung gefunden. Es ist einfach so, dass ich für jeden Tag, an dem ich fotografiere, zusätzlich zwei bis drei Tage Nachbearbeitungszeit benötige, um meinen Anspruch zu erfüllen. Auch wenn ich dieses Hobby und meine Aufgabe dahinter sehr liebe, möchte ich darüber nicht meine Träume und Visionen vergessen.
Wenn jemand einen Fotografen für seine Hochzeit, das eigene Firmenevent oder Produktbilder benötigt, kann man mir einfach eine E-Mail schreiben. Ich diene auch außerhalb der Con-Fotografie mit hundert Prozent Leidenschaft.
ZW: Lass uns über den geplanten Kalender reden.
Moritz: Es ist in den letzten Jahren jede Menge Material entstanden, und es ist grandios, mit diesem Projekt etwas Larp in die Buden der Leser zu bringen. Die Fotos sind auf jeden Fall so gewählt, dass man sich am Ende des Jahres entweder nur schweren Herzens davon trennt oder ihn gerne noch ein Jährchen länger als Deko an der Wand behält.
ZW: Hast Du schon Planungen für die Zukunft?
Moritz: Aktuell widme ich mich einem Buchprojekt und bin dafür bis 2019 noch sehr viel unterwegs. Daneben fokussiere ich mich auf die Suche nach neuen Möglichkeiten, Events zu besuchen und das zu finanzieren, ohne einen Veranstalter zu überrumpeln.
Ich habe noch so viele andere Ideen. Eine meiner Visionen wäre es, eine Doku zu drehen: Behind the Larp. Vielen scheint nicht klar zu sein, was alles dahinter steht, und es wäre einigen Veranstaltern eine echte Hilfe, würde man dafür mehr Verständnis schaffen. Ich würde außerdem gerne Kurzfilme für YouTube mitdrehen, um auch im bewegten Bild mehr Erfahrung zu sammeln. Eine weitere Idee für YouTube wäre ein Kanal, der Tipps, Tricks und Gedanken für Fotografen auf Larps liefert. Ich glaube, die größte Vision ist eine Artists of Larp–Agentur, um eine Plattform für alle zu bieten, die mehr vom Larp wollen und sie damit zu stützen und finanziell zu stärken.
Aber auch hier werde ich einfach abwarten, was sich bis Ende 2019 so entwickelt. Vielleicht werde ich auch einfach nur zwei, drei Events im Jahr besuchen, solange ich kann. Denn dafür macht es mir einfach zu viel Spaß zu sehen, wie Larp sich weiterentwickeln wird.
Nachdem ich die Szene nun ein paar Jahre begleitet und sehr viele verschiedene Seiten dieses Hobby gesehen habe, fallen mir Dinge auf, die man verändern könnte. Um es Spielern, Orgas und Händlern einfacher zu machen. Entweder finde ich einen Weg für mich und meine Visionen … oder ich teile meine Gedanken oft genug mit anderen, die gerne mehr vom Larp wollen.
ZW: Vielen Dank!
Das Hobby Larp entwickelt sich optisch jedes Jahr rasant weiter und die Beteiligten scheinen sich immer wieder selbst zu übertreffen. Eine Auswahl faszinierender Bilder von Larpern und ihren Veranstaltungen hat Moritz Jendral für diesen Kalender zusammengestellt. Er ist im Zauberfeder Verlag erschienen und kann für 19,90 Euro bestellt werden. Abonnenten der LARPzeit müssen nur 14,90 Euro zahlen.
Das Interview wurde in der LARPzeit #57 (September) veröffentlicht. Moritz Jendral hat dann am 4. September verkündet, mit der Larp-Fotografie aufzuhören.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de