Alles begann (natürlich) mit Tischrollenspiel. 1987 wurde in Karlsruhe der Spieleverein Thoule gegründet, aus dem dann 1990 die ersten Mitglieder, die rein mittelalterliches Live-Rollenspiel machen wollten, die Badischen Schwertspieler (BSP) gründeten.
Diese anfangs noch 15 Mitglieder wollten sich auf Mittelaltermärkten präsentieren. Die ersten LARP-Hofhaltungen fanden noch in der ausgebauten Garage des Vereinsvorsitzenden und bei Grillfesten in dessen Garten statt. Bereits nach kurzer Zeit erhöhte sich die Mitgliederzahl auf etwa 30. Der erste Markt mit Lager und Rollenspiel wurde 1991 in Grötzingen beschickt, das erste Wochenend-Con (eine Hofhaltung mit mystischen Begebenheiten) fand 1992 auf der Starkenburg statt und bereits 1993 spielte der BSP in Baerenthal im Elsass die „Mongolenkriege“ als Schlachten-Con.
LARP und Mittelaltermärkte
Anfangs bestanden noch keine Unterschiede zwischen den LARP-Charakteren und jenen auf den Mittelaltermärkten. Die fortlaufende LARP-Simulation fand allerdings auf den Mittelaltermärkten keinen Einzug, so dass teilweise zwei Welten nebeneinander gespielt wurden. Im Laufe der Jahre haben sich die Szenarien auseinander entwickelt, weil die historischen Märkte eher Söldnerlager als Ritter bevorzugten. Durch fundierte Schaukampfausbildung wird bei den BSP auch im LARP-Bereich das sonst häufiger anzutreffende wilde und unkontrollierte „Gepompfe“ vermieden. Die BSPler kämpfen langsamer, sauberer und sicherer als sozusagen „Untrainierte“. Daher gibt es bei BSP kaum Probleme beim Umsteigen von Schaukampf auf LARP-Kampf und umgekehrt.
LARP und authentisches Mittelalter
Es gibt natürlich Reibungspunkte, wenn man Live-Rollenspiel und authentisches Mittelalter im selben Verein betreibt. Insbesondere für adelige Damen ist realistisches Spiel oftmals wenig spaßig. Die Frauen im BSP haben sehr unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen, wobei sich im Laufe der Zeit mehrere „Lager“ gebildet haben:
- Den einen macht es nicht aus, sich ein paar Mal im Jahr den engen Umgangsregeln einer mittelalterlichen Damenrolle anzupassen.
- Die anderen genießen es, die etwas feineren Möglichkeiten von Macht und Einflussnahme der adeligen Damen anzutesten und auszuspielen.
Allerland spielt vor einem authentischen, christlichen Hintergrund. Jedoch spielen die BSPler heutzutage keine christlichen Riten mehr. In den Anfängen des BSP-LARPs wurden Messen, Hochzeiten, Inquisition und ähnliches ausprobiert. Und obwohl dabei keine großen Widerstände innerhalb des Vereins entstanden sind, wurden im Laufe der Zeit diese Aktionen immer mehr vermieden. Zusätzlich wurde dann noch eine Religion der „Wahrer“ eingeführt. Damit wird den Spielern die Möglichkeit geboten, anhand dieser neu konzipierten katharer ähnlichen Sekte einen adäquaten Ersatz für das real gespielte Christentum zu finden.
Live-Rollenspiel ohne Magie
Der BSP wollte für sein historisch angelehntes Spiel von vornherein die Einflüsse der Fantasywelten „ausschalten“. Deshalb wurde die Geschichte Allerlands entsprechend geschrieben. Natürlich existieren mystische Elemente und Aberglauben, wie sie beim Volk auch im Realmittelalter verbreitet waren. Nichtmenschliche Wesen können in Allerland nicht dauerhaft existieren.
Durch magische Einflüsse am Leben erhaltene Wesen verlieren beim Betreten Allerlands ihr Leben. Fabelwesen wie Drachen, nichtmenschliche Wesen und Magie der anderen Reiche sind für Allerländer im Bereich des Aberglaubens angesiedelt. Erst wenn sie tatsächlich auf Auslandsreisen mit ihnen konfrontiert werden, sehen sich die Allerländer gezwungen, sich einen Reim auf diese Erscheinungen zu machen. Die meisten Allerländer sind froh, wenn sie danach wieder in die „magiefreie Zone“ ihres Heimatlandes zurückkehren können. Es bedarf keiner Magieregeln und für Kämpfe gilt das BSP-Regelwerk, welches sich an Standardsystemen wie DragonSys orientiert.
Das Königreich Allerland
In Allerland sind alle auch im Mittelalter existierenden Charaktere anzutreffen, wie z. B. Grafen, Gardisten, gemeines Volk, Handwerker oder Kleriker. Jeder BSPler spielt einen oder mehrere Charaktere, die so viel können, wie es der Spieler darstellen kann - auf Wunsch natürlich auch weniger. Viele Allerländische Charaktere werden auch von vereinsfremden Spielern dargestellt, die nach einem BSP-Con als NSC ihre Rolle weiter spielen wollen, weil sie ihnen so viel Spaß gemacht hat.
Gemäß dem mittelalterlichen Vorbild wird in Allerland die Lehenspyramide gespielt. Das heißt, Allerland wird von einem König regiert (der momentan auch gleichzeitig ein Herzog ist). Der Kurfürstenrat (also die Herzöge und der Pfalzgraf) wählen den König, jedoch nicht zwingendermaßen aus ihren eigenen Reihen. Der König belehnt die Herzöge, diese wiederum die Grafen, die Grafen dann die Barone und so weiter, bis hin zu den fahrenden Rittern, die dann von einem Provinzherren mit einer Burg belehnt werden können, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Von Zeit zu Zeit findet eine Großmeisterturney statt, auf welcher der beste Ritter des Landes als militärischer Vertreter und Champion des Königs „ausgekämpft“ wird. Weiterhin ist er Richter der Ritterschaft und Hüter des Ritterkodex, welcher bei BSP in einer gebundenen Ausgabe vorliegt. Es gibt eine freie Reichsstadt (Langen) und einen vorgelagerten Posten am Südmeer (Allermünde), in welchen sich die Handelssimulation hauptsächlich abspielt. Für das kommende Jahr 2005 ist ein Handelscon in Allermünde geplant, wo sich die Anrainerländer sozusagen ihre Pfründe erspielen können. Zwischen den jährlich etwa 5-6 Cons gibt der BSP die „Hofaventiure“ heraus.
Die Ausgaben umfassen durchschnittlich etwa 50 Seiten und beinhaltet Nachrichten aus den Herzogtümern, Edikte des Königs, Con-Berichte, Geschichten der Spieler, Gerüchte, Briefe, „Bildung“ und Con-Einladungen befreundeter Reiche. Viele Berichte und Briefe sind als OutTime-Wissen gekennzeichnet und sollen nur als Wissens-Abrundung der Allerland-Simulation für die Vereinsmitglieder und befreundete Abonnenten dienen.
Der Verein heute
BSP besteht zur Zeit aus 60 Mitgliedern, wovon etwa 35 aktive LARPer und etwa 30 Marktgänger sind. Für jeden BSP-Con gibt es eine eigene Spielleitung, die sich mit der SIM (= Simulationsleitung, bestehend aus derzeit drei Mitgliedern, welche den Fortgang der Allerland-Simulation und die Weiterführung begonnener Handlungsstränge überwachen und koordinieren) abspricht. Die Spielleitungen können sich aus SIM, Vereinsmitgliedern und weiteren Co-SLs zusammensetzen. So kommen seit 1992 inklusive aller Tages-LARPies insgesamt über 70 Cons zusammen. Parallel dazu hat der BSP in dieser Zeit auch noch über 80 historische Märkte und Lager beschickt. Der BSP ist der Mittellande-Kampagne beigetreten, um mit anderen Reichen spielen zu können. Die gemeinsame Karte, eine gemeinsame Geschichte und die Koordination des gemeinsamen Spiels sind für BSP ein wichtiger Bestandteil der Mittellande-Kampagne.
Das Vereinsheim
Durch die Auftritte auf den Mittelaltermärkten und die dort erzielten Gagen kann sich der BSP ein großzügiges Vereinsheim von 200 qm inklusive Lager, Werkstatt und Küche leisten. Die handwerkliche Eigenleistung der Mitglieder ist natürlich wesentlich für den Unterhalt dieses Vereinsheimes. Außerdem wird das Vereinsheim als Lager und für Tages-LARPies, wie z. B. Hofhaltungen genutzt. Hier finden auch Wochenendveranstaltungen wie Tanzkurse, Schaukampftraining, (LARP-)Waffenbau, Nähkurse für Gewandungen und Bauwochenenden für allgemeines Vereinsmaterial und Fundus statt. Natürlich ist der Aufenthaltsbereich des Vereinsheims mit entsprechendem Ambiente ausgestattet, was den Mitgliedern besonders wichtig ist.
Fazit
In über zwölf Jahren Vereinsgeschichte hat BSP doch überwiegend positive Erfahrungen mit der Mischung von authentischem, magiefreiem Mittelalter und LARP gemacht. Oft und gerne kommen die Spieler anderer Länder nach Allerland und einige Länder haben das antimagische Konzept auch in ihre eigene Landesgeschichte übernommen.
Text: Klaus Peill
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de