Nicht Internet, nein: Papier. Gut, die Anmeldung war vielleicht etwas zu lang geraten, denn man musste detailliert angeben, was man nicht mehr kann oder nicht mehr darf. Aber auch da zeigte sich mit der Frage Was isst Du? und den Antworten Alles/Vegetarisch/Passiert die durchdachte Organisation des AEG (Aus Erfahrung Gut) 1. Aus der Anmeldung wusste ich auch schon, dass die Orga auf einer Wellenlänge mit uns liegen musste. Unwiderstehlich die große Anzeige Wir mögen Tape-Schwerter.
Wie ich später erfuhr, erkundigte sich die Orga fürsorglich bei meinem Hausarzt nach meinen Beschwerden und der notwendigen Medikamentation. Als besonderes Schmankerl gab es ein persönliches Pillendöschen, auf dem nicht nur Wochentag und Tageszeit vermerkt waren, sondern auch wichtige Plot-Ereignisse. So gab es ein Extrafach für Vor der Endschlacht.
Wir machten von der organisierten Gruppenanreise Gebrauch, dabei arbeitete die Orga mit einem sehr erfahrenen Anbieter von anspruchsvollen Busreisen zusammen. Sehr angenehm war die Betreuung mit Kaffee und Kuchen und die freundlichen Angebote. Mir gefällt meine neue Heizdecke und ich konnte sie zusammen mit dem ambientigen 30-teiligen vergoldeten Besteckset direkt auf der Veranstaltung einsetzen.
Das Essen war eine Wucht! Ich bekam den Seniorenteller mit dreigeteiltem Warmhalteteller, meine Frau vegetarische Vollwertkost (in-time: Elfsches Essen). Auch die Unterkunft, ein Mehrbettzimmer für mich, meine Frau, meinen Bufti und meinen Ernährungsberater, war angemessen. Es war ein geteiltes Burg- und Zeltcon. Dabei reisten die erfahrenen Zelter natürlich mit Wohnmobilen an.
Etwas unangenehm war, dass die Diebesgilde meine dritten Zähne aus dem Wasserglas neben meinem Bett diebte. Ich hörte auch – was gar nicht so einfach war –,dass meinem Bettnachbarn die Gehhilfen entwendet worden waren. Brutal war der nächtliche Überfall mit dem Vertauschen der Bettpfannen. Und einen Bufti in der Besenkammer zu fesseln, war schon immer, auch auf LARPs, Freiheitsberaubung! LARP ist kein rechtsfreier Raum! Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die JungLARPer unter 60 vor dem Con genau über das Erlaubte aufgeklärt werden.
Auch nicht so schön – aber dafür kann die SL natürlich nichts –: ein Mitglied meiner Gruppe hatte Verbindungen spielen gelassen und von der NSA das komplette Plotbuch besorgt. Das hat ein wenig die Spannung getötet. Dafür war meine Aufnahme in die Alzheimer Gilde für Inkontinente Magier ein absolutes Highlight meines Con-Lebens.
Glücklicherweise hat die vorausschauende Spielleitung Blätter mit Fotos und Namen der Beteiligten an die Buftis verteilt. Wir waren leider etwas zu spät da, weil unser Navi die Bilstein und den Bielstein verwechselt hat. Merkwürdig, das habe ich vor 40 Jahren noch ohne Navi geschafft. Also schnell meine Dritten rein. Im Vorbeigehen dann kurz Einchecken: Alles Notwendige bekommen – Eincheckarmband, Notfallarmband, Magnetarmband. Der Waffencheck entfel für über 60-Jährige, so hart können wir gar nicht mehr hauen.
Also ab zum König. Während wir im Thronsaal warteten, wurde neben uns ein Mitdreißiger nervös: Mein Vater ist zum Scouten in den Wald, der muss aber dringend seine Pillen nehmen. Doch das Rettungsteam für orientierungslose Waldläufer konnte schnelle Hilfe anbieten. Aber zum Plot: Glücklicherweise wurde das vom Live-Rollenspiel-Verband offziell als seniorentauglich anerkannte Szenario C gewählt. Somit war die Hauptplotlinie bekannt und auf der Plotebene konnten wir uns vor unangenehmen Überraschungen sicher fühlen. Nur beim üblichen Entziffern der geheimen Botschaft ergaben sich leichte Verzögerungen, weil der mit dem Entschlüsseln beauftragte Magier seine Lesebrille verlegt hatte. Diese Verzögerung konnten wir glücklicherweise aufholen, weil die Geheimtür da war, wo sie immer auf der Bilstein zu fnden ist.
Die Endschlacht begann schon am Samstagmittag und hat sich bis weit in die Nacht gezogen. In der Zeit konnten immer wieder Erholungspausen, Pinkelpausen und kleine Nickerchen eingeschoben werden. Diese Pausen konnten durch die erfreulich hohe Anzahl an Sauerstoffzelten reduziert werden.
Negativ ist mir dabei aber der Sturmangriff der Rollstuhl fahrenden NSCs in Erinnerung geblieben. Diese hatten hauptsächlich übermotivierte Buftis als Schieber. Dass es bei diesen rasanten Geschwindigkeiten zu Verletzten kommen musste, hätte der Orga klar sein müssen. Außerdem ist so etwas unfair. Dennoch konnten wir letzten Endes allen Gegnern trotzen und den Endgegner – einen Vampir-Werwolf-Todesritter – besiegen. Leider konnte die Endfeier nicht mehr von allen besucht werden, viele waren schon im Bett.
Insgesamt fand ich das AEG gut. Endlich kümmert sich einmal jemand um die Belange meiner Altersgruppe. Ich werde gerne die nächsten Veranstaltungen dieser Gruppe besuchen. Für das nächste Mal gibt es sicherlich einige Verbesserungspunkte. Ich würde zum Beispiel gerne meinen Dackel mitbringen – aber die Orga wird sich sicher noch steigern können.
Carsten Thurau
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de