1000 v. Chr.:
Larp in Troja: Belagerungsmaschinen bis heute nicht übertroffen.
Etwa 30 n. Chr.:
Großcon in Judäa: Cateringprobleme durch Brot und Fische gelöst – allerdings gab es ein paar Proteste von Veganern.
375 bis 586 n. Chr.:
Hochphase der ReiseLarps. Gelangweilte germanische Stammspieler besuchen die Cons ihrer südlichen Nachbarn. Konflikte aufgrund unterschiedlicher Regeln, Gewandungsstandards und Spielphilosophien sind vorprogrammiert. Als ich meine Larpkarriere begann, war das Larp noch ein bisschen roher und ungestalteter als heute. Wenn ich daran denke, dass ich auf meinem ersten Larp mit umgehängtem Bettlaken als Umhang, Leggins (und das als Mann …), Wanderschuhen und langem Wollpullover aufgetreten bin und das – wahrscheinlich aufgrund des Bettlakens – als gute Gewandung galt … Auch die Regeln waren noch sehr interpretationsbedürftig. Ich saß einmal als
Semi-SL auf einem kleinen Con. Es war das erste von der SL organisierte Con – ich glaube, auch das letzte – und es gab ein Problem. Ein Spieler hatte eine gebastelte Rüstung, sehr kreativ aus Leder mit aufgeklebten Unterlegscheibchen. Ein anderer hatte eine verstärkte Lederrüstung, professionell vernietet und wahrscheinlich gekauft. Beide sahen sehr gut aus. Die Rüstungen, nicht die Spieler. Die Bewertung sollte anhand des realen Schutzes ablaufen.
Gegen einen Hieb war das dünne Wildleder der gebastelten nicht so der Hit, aber gegen einen Schnitt halfen die aufgeklebten Unterlegscheibchen gewiss mehr als die sporadisch verteilten Nieten auf der anderen Rüstung. Wir handelten dann irgendwann etwas aus, beide waren zufrieden. Hinter den beiden stand eine Dame mit sehr schönem Brokatkleid und grinste schon die ganze Zeit. Ihr Mieder enthielt eine hölzerne Einlage, die einen Schlag mit einem Polsterschwert nur mit einem müden Plong ins Nichts verpuffen ließ. Ich musste ihr also im Vergleich zu den Lederrüstungen einen höheren Rüstungsschutz geben.
Auch auf Mittelalter-Veranstaltungen versuchten wir Larper Fuß zu fassen. Mit mäßigem Erfolg. Wie häufig hörte ich schon frühmorgens vor dem Besucherandrang von mittelalterlichen Kaffee-Junkies Sätze wie Dass diese Holzschuhe nicht belegt sind, das weißt du ja wohl, oder? Ich habe dann einfach zwei Scheiben Käse aus der unheimlich authentischen Plastikverpackung gepult und auf jeden Holzschuh eine gelegt. Da waren die Schuhe belegt. Mit mittelaltem Gouda.
Aber zurück zur Zeitleiste:
1890:
Fred Schwohl und Habakuk erfi nden das moderne Larp.
1994:
Freeze to Darkness: Silvester-Con in zugigen Zelten. Ein paar Leute tauen sie bis heute noch auf.
1995:
Erste Sitzung der Kampagne Mittellande. Tenor: Wir können uns auch außerhalb des Spiels albern benehmen.
1996:
SummerSlaughter: Spieler-gegenSpieler ist eine großartige Sache. Noch besser ist aber SL-gegen-SL.
1997:
Larp ist tot.
1998:
Larp ist wieder tot.
1999:
Larp lebt wieder. Vor allem, weil sich alle vor dem Weltuntergang – im Jahr 2000 stürzen alle Computer ab! – noch einmal mit einer nichttechnisierten Welt beschäftigen wollen.
2001:
Erstes Drachenfest: Tja, wie soll man das erklären? Drachenfest ist Playmobil-Land für Larper. Piraten neben der Ritterburg, daneben der Dschungel … oder war das das Conquest of Mythodea?
2003:
Larp mal wieder tot. Aber die LARPzeit wird gegründet.
2006:
Erstes Swinger-Larp soll auf einem Berg stattfinden. Kriegen leider keinen hoch, muss abgesagt werden.
2010:
Larp ist tot … Im Endeffekt ist Larp schon so tot, dass es keiner mehr bemerkt. Ich halte es für sinnvoller, die Zukunft zu betrachten:
2016:
Der Bundesgesundheitsminister rät: Schminke kann zu dermatologischen Problemen führen.
RTL II zeigt eine Live-Übertragung eines Larps im Internet. Die Massen sind begeistert: Intrigen, Sex, Schwerverletzte … und das war nur die Übertragung aus dem SL-Zimmer.
2017:
In Mittellande-Spielen müssen au alle Plattenpanzer grüne Punkte aufgedruckt werden, damit Drachen die Reste von Rittern in die gelbe Tonne packen können.
2018:
Erfolg für den Realismus: die erste Larp-Orga arbeitet mit der Organisation für Genetische und Evolutionäre Rumforschung zusammen: Wir wollen spätestens in fünf Jahren mit Hilfe der Gentechnik gezüchtete Monster auf unseren Cons, um endlich die perfekte Show abzuliefern. Versuche mit Robotern hingegen werden aufgrund von unschönen Vorkommnissen auf dem Wild-West-Con West-Welt eingestellt.
2019:
Das Big Larp des Senders RTL II startet mit 100 Larpern. Mindestens ein Charakter wird täglich sterben – wenn nicht durch Spieleraktionen, dann durch NSCs. Nach sechs Wochen werden in der großen Finalshow die Überlebenden gegeneinander kämpfen. Die 100.000 EuroSiegprämie erhält jedoch nicht derjenige, der die meisten EPs und Sonderfähigkeiten gesammelt hat, sondern der Hobbit Dagger Behind, der mit einem Dolch und der Fähigkeit Unsichtbarkeit den 12.342 EP-Charakter Merlin der Große erledigt.
2020:
Die erste NSC-Gewerkschaft wird gegründet und ruft sofort zum Streik auf. Die Groß-Cons des Jahres geraten in Gefahr. Einige Veranstalter boykottieren hingegen das ManagerLarp 3000. Das Gerät, mit dessen Hilfe gestresste Manager zu Hause bleiben und stattdessen mit Hilfe eines Hologramms mitspielen können, ist nach ihrer Ansicht zu fehleranfällig. Es darf nicht sein, dass durch eine Falschübermittlung der Magier Megalon sich selbst in die Luft jagt. Wir brauchten Wochen, um eine Klage des Spielers gegen uns als Veranstalter wegen unfairen Charaktertodes abzuwenden. Die Firma sollte zunächst ihr Gerät sicherer gestalten.
2021:
Der Vorsitzende des Deutschen Larp-Verbandes gibt die alljährliche LarpStatistik bekannt. Demnach verdienten im vergangenen Jahr im Durchschnitt 4.711 Angestellte ihr Geld im Larp-Sektor (Die angrenzenden Sektoren wie Reisebüros werden in dieser Statistik nicht erfasst). Der Anteil der fest eingestellten SLs (0,5 %) und NSCs (2,6 %) ist dabei überproportional gestiegen. Im Sinne der Qualitätssicherung werden wir in den nächsten zwei Jahren dazu übergehen, dass auf jedem Con mindestens ein unabhängiger SL aus dem Pool unseres Verbandes anwesend sein muss. Wir werden des Weiteren eine Kategorisierung der Cons und der SLs vornehmen, in der die SLs durch gute Leistungen zu höheren Gruppierungen kommen können. Seien Sie gewiss: Klasse- 1-Cons werden auch Klasse-1-SLs haben!
2022:
Die Anzahl der Buchungen über das Reisebüro sind zurückgegangen (nur noch 42 %). Viele Larper bevorzugen mittlerweile wieder das Internet (37 %), auch wenn 53 % der Meinung sind, dass in den Reisebüros die Beratung besser ist. Das Unternehmen BestLARP, das günstigere Preise durch Massenanmeldungen verspricht, dazu: Leider nutzen nur sechs Prozent der Larper unser Angebot. Deswegen werden wir diesen Sektor komplett einstellen und uns auf Ausrüstung beschränken. Auf ebay-LARP, dem Ableger des größten Internet-Auktionators, werden immerhin acht Prozent aller ConPlätze versteigert.
2023:
Beta-Cons sind ein voller Erfolg. Hier werden ausgewählten Spielern Plots für Klasse-1-Cons präsentiert, die für ein Abkommen über ihr Stillschweigen umsonst auf diese Veranstaltungen kommen dürfen. Der Initiator: Zu Anfang hatten wir Probleme, weil Plotteile weitergegeben wurden, aber mittlerweile sind die Beta-Cons ein großer Erfolg. Wir konnten schon viele Plotlücken durch BetaCons erkennen. Wir werden demnächst die Firma Consulting CONproof gründen.
Unsere Consultants werden unerfahrenen Spielleitungen und Organisatoren zur Hand gehen. Die Firma Microsoft arbeitet hingegen an einer Software, mit deren Hilfe man Larps im Vorhinein simulieren kann. Damit ist es möglich, ein Larp viel häufiger durchzuspielen als im Betatest-Modus.
2024:
Thilo Wagner, Chef der Larp-Supportfirma LARP-Kalender GmbH, beschäftigt mittlerweile fünf Programmierer im deutschen Stammsitz. Er stellte soeben die Filialleiter für Australien und China vor: In absehbarer Zeit werden wir alle Länder dieser Erde in unserem Kalender haben. Da kann endlich jemand aus Deutschland in Brasilien nicht nur Urlaub machen, sondern auch gleich an einem einheimischen Larp teilnehmen. Dolmetscher können über eine spezielle Suchmaske direkt auf unserer Seite gesucht werden.
2025:
Da schreibe ich eine neue Prognose. Falls Larp dann nicht endgültig tot ist ...
Text: Carsten Thurau
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de