Geschafft. Nach einem nervenaufreibenden Rückzugsgefecht sitze ich endlich in einem der Fluchtshuttles. Die Kwenn-Station ist nach kurzem, heftigem Kampf unter kompletter imperialer Kontrolle. Überlebende Anhänger einer gerade erst unter großem Jubel verkündeten, angeblich galaxisweiten Rebellion be¬finden sich auf einer heillosen Flucht. Und alle anderen auch. Wie genau bin ich hier nochmal reingeraten? Und warum?
Eigentlich war es doch unser Ziel, weiter gute illegale Geschäfte zu machen und uns aus der Politik rauszuhalten? Dummerweise sah die Politik in Gestalt des Imperiums das offenbar anders. Zum Glück konnte ich mir gerade noch dank irgendeines verwundeten Typen, den ich aus reiner Herzensgüte (und weil es hieß Verwundete zuerst!) zum Shuttle geschleppt habe, einen Platz sichern. Nach einer wilden Verfolgungsjagd durch ein Asteroidenfeld, die nur durch das Auftauchen einiger Piloten irgendeiner obskuren Allianz glimpflich ausging, sind wir nun auf dem Weg irgendwohin, um uns neu zu sammeln. Verdammte Imperiale! Na ja, vielleicht kann man auch bei dieser Allianz gute Geschäfte machen …
Im April wurde der Waldritter Erlebnis Campus in Herten zu einer Raumstation vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis. Schmuggler, Kopfgeldjäger, Stormtrooper, Droiden und Aliens in unterschiedlichen Formen und Farben füllten bei Kwenn IV – Im Schatten des Kartells die Jugendbildungsstätte. Schauplatz war die Kwenn-Raumstation, eine Grenzstation zwischen dem Mid-Rim und dem Hutten-Raum des Outer-Rims, im 17. Jahr des Galaktischen Imperiums.
Im Spielhintergrund war das eine riesige Raumstation mit Hunderttausenden Bewohnern und Besuchern, gigantischen Werftanlagen und Luxusresidenzen für die Reichen. Das eigentliche Geschehen konzentrierte sich jedoch auf eine etwas heruntergekommene und vermeintlich unbedeutende Sub-Ebene, in der die SCs unter den wachsamen Augen imperialer Truppen und Beamter – und denen des nicht minder wachsamen Hutten-Kartells – ihren mehr oder weniger rechtschaffenen Geschäften nachgingen.
Auftakt zur Rebellion
Zunächst schien alles seinen gewohnten Gang zu gehen. In der Cantina warteten Musik, Glücksspiel und interessante Gespräche mit unterschiedlichen Schiffsbesatzungen aus dem ganzen Sektor. Der Hutte, der die Station kontrollierte (ein beeindruckendes Monsterkostüm, das die Orga gebastelt hatte!) hielt gelegentlich Audienzen ab. Die imperialen Truppen verhielten sich entspannt. Verschiedenen Verbrecherbanden konnten ungestört ihr nächstes großes Ding planen, und junge, naive Bauernjungen und -mädel von irgendwelchen Hinterwäldlerplaneten wurden übers Ohr gehauen und lernten wichtige Lektionen fürs Leben. Im Untergeschoß, dessen Zugang in einem Lagerraum verborgen war, gab es einen florierenden Schwarzmarkt, auf dem Ware mit unklarer Herkunft den Besitzer wechselte, Drogendeals abgewickelt wurden und illegale Droidenkämpfe (mit kleinen ferngesteuerten Robotern) stattfanden.
Doch schnell änderte sich die Atmosphäre. Die Imperialen benahmen sich immer autoritärer und führten ständig Razzien und ID-Kontrollen durch. Gerüchte machten die Runde, dass die ganze Station unter Besatzungsrecht gestellt werden sollte. Gleichzeitig wurde klar, dass sich unter den Bewohnern und Besuchern der Station zahlreiche Anhänger der untergegangenen Republik fanden, die Gegenaktionen planten. Dazu kamen verschiedene uralte Artefakte, die auf dem Schwarzmarkt und an anderen Stellen der Station auftauchten, und auf die sowohl das Imperium als auch die angehenden Rebellen scharf waren.
Die Situation eskalierte schließlich während der Übertragung einer stationsweiten Ansprache des aus dem Star Wars-Filmen bekannten Großmoff Tarkin, zu der sich alle im Sub-Sektor befindlichen Personen ein finden mussten. Diese wurde bereits nach wenigen Augenblicken, in denen Tarkin die Übernahme der Kontrolle über das Kwenn-System im Namen des Imperiums ankündigte, von einer anderen Übertragung gestört und überlagert.
Mon Mothma, eine (ebenfalls aus dem Hintergrund sehr bekannte) Senatorin im galaktischen Senat, erklärte, dass sie ihr Amt niederlege, und rief zur Rebellion gegen das Imperium auf. Nun ging alles plötzlich sehr schnell. Jubel brach aus und alle anwesenden Imperialen wurden innerhalb von wenigen Augenblicken niedergeschossen. Doch schon kurz danach wandelte sich die Freude in Entsetzen, denn die imperialen Enterkommandos starteten ihren Angriff. Dabei hatte ein weiterer sehr bekannter Star-Wars-Charakter (mit schwarzer Rüstung und markantem Röcheln) einen kurzen Auftritt – anders als Tarkin und Mon Mothma nicht auf dem Bildschirm, sondern sogar persönlich.
Zum Glück für alle Anwesenden wandte er sich aber wichtigeren Aufgaben bei der Eroberung der Station zu und überließ die Säuberung dieses Subsektors seinen Schergen. Sofort entbrannte ein längeres Gefecht, bei dem von Anfang an klar war, dass die SCs auf verlorenem Posten standen. Es galt allerdings, einige Zeit durchzuhalten, um nach und nach die Rettungsshuttles zur Evakuierung vorbereiten zu können.
Am Ende wartete auf die in kleinen Gruppen in den Shuttles fliehenden Charaktere noch eine unglaublich atmosphärisch gestaltete und dramatische Fluchtsequenz, die schließlich mit dem rettenden Eintreffen von Piloten der frisch gegründeten Rebellenallianz und dem Einsetzen einer überaus bekannten Musiksequenz endete, die vermutlich bei dem einen oder anderen Star-Wars-Fan Gänsehaut erzeugte.
Filmreifes Erlebnis
Man liest den begeisterten Unterton vielleicht schon heraus … Die Orga hat mit diesem Spiel ein beeindruckendes, fast schon filmreifes Erlebnis inszeniert, voller liebevoll eingebauter kleiner und großer Begegnungen mit Personen oder Gegenständen aus den berühmten Verfilmungen. Diese kamen übrigens bewusst immer nur ganz am Rande vor, waren sozusagen nur kurz aus dem Augenwinkel zu erkennen, denn es waren die Spieler, die hier ihre ganz eigenen Heldenstorys erleben sollten. Das Setting in diesem von Schurken bevölkerten Subsektor sorgte zusätzlich für innere Konflikte zwischen moralischen Verpflichtungen gegenüber dem Wohl der Galaxie und den egoistischen Zielen der Gauner.
Einziger Wermutstropfen ist vielleicht, dass man durch die cineastische Inszenierung bisweilen das Gefühl entwickelte, in seinen Entscheidungen und Handlungen sehr stark in bestimmte Richtungen gedrängt zu werden. Das Gesamterlebnis machte das aber eindeutig wett. Die optische Umsetzung der Station war großartig. Die Bildungsstätte der Waldritter hat sowieso schon ein Science-Fiction-Design, das die Orga mit vielen kleinen und großen Details in ein glaubhaftes Star-Wars-Setting verwandelte.
Von den überall aushängenden Propagandaplakaten, über bekannte Fahnen und Symbole bis hin zu den Uniformen der Imperialen oder dem knapp drei Meter langen Hutten-Kostüm fügte sich alles in einem großartigen Setting zusammen. Dazu kamen die beeindruckenden Kostüme vieler Spieler, die zum Teil über Monate an ihren Aliens, Droiden oder auch nur perfekt an Star-Wars-Filmen orientierten Wartungsmechanikern oder Piloten gebastelt hatten.
Das organisatorische Drumherum war ebenfalls gut gelöst. Die Kommunikation mit der Orga im Vorfeld des Spiels lief zumindest in meinem Fall sehr gut, und auch vor Ort gab es immer Ansprechpartner (im Spielbereich immer im Kostüm). Die Unterbringung für die Teilnehmer erfolgte entweder in Jugendherbergsbetten, die separat gebucht werden konnten, oder in selbst organisierten Unterkünften in der Nähe der Veranstaltung. Nicht-Spieler-Charaktere (NSCs) brachten ihre eigenen Feldbetten mit. Die Halbpensions-Verpflegung mit Frühstück und Abendessen war für alle Teilnehmer inbegriffen. Mittagessen und Snacks mussten die Teilnehmer selbst mitbringen oder sich vor Ort besorgen – da die Location mitten in der Innenstadt von Herten liegt, war das überhaupt kein Problem.
Insgesamt bot dieses Con also ein tolles Wochenende, das es den Teilnehmern ermöglichte, ihren ganz eigenen Film in der Welt von Star Wars zu erleben ... und das Lust auf mehr gemacht hat. Zum Glück war Kwenn IV (anders als der Name vermuten lässt, auch das eine Star-Wars-Anspielung) der Auftakt zu einer als Trilogie angekündigten Larp-Reihe, deren nächstes Spiel voraussichtlich erst 2025 stattfinden wird. Immerhin bleibt den Bastelwütigen unter den Teilnehmern bis dahin genug Zeit, um noch tollere Kostüme zu bauen.
Text: Karsten Dombrowski
Bilder: Lichtwellenmalerei und LarpNow
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de