Seit 2020 produziert der Hessische Rundfunk (HR) mehrteilige Doku-Serien zu Kulturphänomenen und den Menschen, die sich damit beschäftigen. Dabei ist der Anspruch, dass die Beiträge nicht einfach nur irgendeine Szene oberflächlich vorstellen, sondern tiefer in deren Welt eintauchen. Hiphop und Brettspiele waren schon an der Reihe, Techno- und Pferde-Fans stehen demnächst auf den Plan … genauso wie Larp. In den letzten Monaten hat sich ein Filmteam um HR-Redakteur Simon Broll mit verschiedenen Orgas und Larpern getroffen und Veranstaltungen begleitet. Auch Zauberfeder-Geschäftsführer Tara Moritzen stand vor der Kamera und stellte sich den Fragen des Teams. In welchem Umfang er am Ende in der Doku Weltenspieler zu sehen sein wird, wissen wir zwar noch nicht, er hat aber die Gelegenheit genutzt, Simon seinerseits zu dessen Doku zu befragen.
LARPzeit: Wie ist der HR auf das Thema Larp gekommen?
Simon Broll: Das war meine Idee. Seit zwei Jahren hat es sich der HR zur Aufgabe gemacht, Menschen mit besonderen Leidenschaften darzustellen und ihnen eine Plattform zu bieten. Da ich privat einige Menschen kenne, die seit vielen Jahren larpen, hatte ich das Gefühl, dass sich daraus eine gute Serie machen ließe.
LZ: Welche Ziele verfolgt die Doku und welchen Umfang wird sie haben?
Simon: Es geht um drei Teile, die jeweils rund 30 Minuten lang sein werden. Die finale Länge entscheidet sich im Schnitt: Dadurch, dass wir ein ARD-Mediathek-Produkt erstellen, gibt es nicht so strenge Zeitvorgaben wie bei einer rein linearen Fernsehproduktion.
Ziel ist es, das Hobby Larp als Kulturphänomen darzustellen: Also zu schauen, was die Faszination hinter diesem besonderen Hobby ausmacht und warum es mehr ist als eine private Leidenschaft. Wir wollen zeigen, wie viel Zeit und Energie die Larperinnen und Larper hineinstecken, um ihre Charaktere zum Leben zu erwecken. Gleichzeitig ist es wichtig, die Frage zu stellen, was Menschen, die nicht larpen, daraus ziehen können: Denn schließlich spielen wir alle ständig Rollen – nur sind wir dabei nicht so konsequent und vielleicht auch nicht so mutig wie die Larp-Szene.
LZ: Was wusstest Du vorher vom Thema Larp – und was nicht?
Simon: Mein bester Schulfreund hat mit 16 Jahren angefangen zu larpen. Dementsprechend kannte ich Schilderungen von Larp-Wochenenden auf irgendwelchen Zeltlager-Plätzen. Aber wirklich live zu Gesicht bekommen habe ich solche Cons erst während der Recherche zum Dreh.
Ich kannte durch meinen Schulfreund auch einige Larper aus dem Bereich Fantasy-Mittelalter und wusste dementsprechend, worauf ich mich ungefähr einlassen würde. Die Faszination von Pen & Paper oder von Fantasy-Klassikern wie Der Herr der Ringe war mir auch bewusst. Was mich aber überrascht hat, war die Vielseitigkeit des Hobbys. Klar macht Fantasy-Mittelalter immer noch einen großen Teil der Cons in Deutschland aus, aber es gibt so viel mehr. Deshalb habe ich auch in weitere Szenen reingeschaut, war bei einem Western-Larp, habe mit Spielern aus der Wizarding World1 geredet und durfte mit den Machern von Tales: Inside sowie Greylight drehen. Vor allem den Bereich des Nordic Larps und die Idee, mithilfe von Larp gesellschaftlich relevante Themen zu reflektieren, fand ich unglaublich spannend.
LZ: Welche Ansprüche stellst Du Dir selbst für die Produktion der Doku?
Simon: Es gibt noch immer viele Klischees, wenn es um Larp geht. Dazu haben wir Medien in den vergangenen Jahrzehnten beigetragen, dass die Larp-Community in Deutschland belächelt wurde – oder gleich ganz als eine Truppe introvertierter Weltenflüchter angesehen wurde. Mir war es wichtig, diese Vorurteile nicht zu wiederholen, sondern zu zeigen, wie vielseitig und kreativ die Community mittlerweile ist.
Natürlich gibt es auch diejenigen, die mithilfe von Larp neue Seiten an sich erkennen möchten und den Helden im eigenen Spiel verkörpern wollen. Aber das ist nur ein Grund zu larpen. Ich möchte hinter die Klischees – aber auch hinter die bekannten coolen Schlachten-Con-Bilder – schauen und dabei vor allem die Leute selbst zu Wort kommen lassen: Es wird keinen Sprechertext geben. Auch ich selbst als Reporter werde nicht im Selbst-Test auf Cons gehen und über meine eigenen Gefühle reden. Hier geht es darum, dass die Community selbst zu Wort kommt – und sich gerne auch kritisch, aber auf jeden Fall mit der ihr eigenen Leidenschaft über Larp unterhält.
Was das Visuelle anbelangt, haben wir mit sehr modernen Kameras gearbeitet, um einen hochwertigen Look zu entwickeln. Dadurch sollte die Schönheit von Larp vermittelt werden. Hoffentlich wird das so gelingen.
LZ: Wie umfangreich war Deine Recherche für die Doku-Reihe?
Simon: Ich habe die Stunden nicht zusammengezählt, aber es waren eine Menge. Angefangen mit der Recherche habe ich im November 2021. Neben den bekannten Dokumentarfilmen wie Wochenendkrieger oder Die Herren der Spiele wollte ich sehen, wie die Community sich selbst einschätzt. Also habe ich mir Larp-Podcasts angehört, schaute mir Beiträge bei Orkenspalter TV und anderen YouTube-Formaten an und dann war da ja noch die Mittelpunkt-Aufsatzsammlung, die ich fast komplett durchgearbeitet habe, um zu sehen, worüber in der Szene diskutiert wird. Erst dort wurden mir die Konzepte von Edu-Larps und Nordic Larps bewusst. Und ich habe weitere interessante Gruppierungen wie die Waldritter entdeckt.
LZ: Was ist Dir bei der Recherche beziehungsweise bei den Dreharbeiten besonders aufgefallen?
Simon: Ich habe schnell gemerkt, dass es ein gewisses Misstrauen vonseiten der Community gegenüber den Medien gibt. Deshalb war es mir wichtig, den Kontakt in die Szene über bekannte Larperinnen und Larper zu gewinnen. Ziemlich schnell waren die LARPzeit https://zauberfeder-shop.de/LARPzeit und Orkenspalter TV mit an Bord. Von da an wurde es leichter, einzelne Veranstalter und Larper zu finden, die über ihr Hobby sprechen wollten.
Was mir auch schnell bewusst wurde, war, dass es einen Unterschied gibt, wie Larperinnen und Larper ein Con erleben und wie so ein Spiel auf die Außenwelt wirkt. Das kann bei einem Dokumentarfilm problematisch sein, weil wir ja nicht in den Kopf der Protagonisten hineinschauen können, sondern einfach abbilden, wie gespielt wird. Wir haben allerdings in Absprache mit den Orgas, die uns haben drehen lassen, ganz gut klären können, welche Bilder wir benötigen, sodass es hoffentlich nicht zu Fremdscham-Momenten kommt.
LZ: Der wohl wichtigste Punkt für die Leser: Was wird man in der Doku zu sehen bekommen? Kannst Du etwas zum Aufbau sagen?
Simon: Wir sind noch mitten im Schnitt, also kann sich noch einiges am Konzept ändern. Fest steht: Die Doku-Serie besteht aus drei Teilen. Im ersten soll es um die Spielerinnen und Spieler selbst gehen: Warum stecken sie so viel Zeit und Energie in das Hobby? Was haben sie dadurch an neuen Fähigkeiten gelernt? Und wie hilft ihnen das für den Alltag?
Im zweiten Teil blicken wir auf das beliebteste Genre in Deutschland: Fantasy-Mittelalter-Larps. Natürlich drehen wir da auch bei einem Groß-Con:dem ConQuest of Mythodea. Aber wir zeigen bewusst auch ein kleines Ambiente-Con und sind beim Kinder-Larp von den Waldrittern dabei. Außerdem habe ich drei Larper getroffen, die vor 30 Jahren beim Draccon 12 dabei waren und somit zu den Urgesteinen der Larp-Szene gehören.
Teil 3 schließlich öffnet das Feld und zeigt, wie vielschichtig Larp mittlerweile geworden ist. Wir sind beim Western- und Harry Potter-Larp und lernen die Macher hinter Tales: Inside sowie Greylight kennen. Letztere wollen gesellschaftlich relevante Themen bespielen. Denn was ich über Larp gelernt habe: Es bietet einen idealen Experimentier-Raum, um sich mit bestimmten Rollenbildern kritisch auseinanderzusetzen und auf spielerische Art neue Konzepte zu entwickeln – ohne didaktischen Zeigefinger, sondern einfach als schönes Nebenprodukt beim Spielen.
LZ: Letzte Frage – wann und wo wird die Doku verfügbar sein?
Simon: Wir stellen alle drei Teile von Weltenspieler ab dem 25. Oktober in die ARD Mediathek. Zudem wird es eine lineare Ausspielung im Hessischen Rundfunk geben. Die Sendetermine im Hessischen Rundfunk werden am 27. Oktober, 3. November und 10. November sein.
1 Die Wizarding World bespielt Larps im Harry Potter-Universum
2 Eines der ersten größeren Larps in Deutschland
Dieser Artikel ist erschienen bei:
LARPzeit.de